der Zeit erscheinen; daher ist Raum und Zeit nur in unserer Seele: außer uns ist keines von beiden. Gemäß seiner religiösen Tendenz drückt er dieses auch so aus: Alle Vorstellungen, die sich auf Raum und Zeit beziehen, sind eingeschränkt: da nun Gott, der Ewige, Unendliche und Unbegreifliche, keine Schranken kennt, so stellt er sich die Welt auch nicht in Raum und Zeit vor; da nun seine Vorstellungen allein Wahrheit haben, so ist auch die Welt nicht in Raum und Zeit. Endlich beweist Stilling die End- lichkeit unserer Begriffe über die Welt, ihren Anfang und Umfang u. s. w. durch den bekannten Kant'schen Antinomie- Schluß, daß wir einer Seits den Raum als unendlich denken müssen, weil, wenn er eine Grenze hätte, jenseits ein leerer Raum gedacht werden müßte: anderer Seits sich auch nicht eine endliche Unendlichkeit, d. h. ein unend- licher, mit lauter endlichen Dingen angefüllter Raum denken lasse: also müsse die ganze Vorstellung des Raums überhaupt eine bloß subjective Vorstellung endlicher Menschen seyn.
Diese Lehre, in welcher er mit der Philosophie Kant's übereinstimmte, wurde, sowie die Idee einer unmittelbar wirkenden Vorsehung der aus der Erfahrung abstrahirte Fundamentalsatz seines ganzen Glaubens ward, so das wissenschaftliche Princip seiner philosophisch- religiösen Ueberzeugung, aber auf eine entgegengesetzte Weise, als dieß bei Kant der Fall war. War Stilling wohl im Grundsatze eines mit der damaligen Philo- sophie, so ging er durch die Folgerungen, welche er aus diesem Grundsatze machte, über die Philosophie hin- aus in das christliche Gebiet über: die Waffen, welche die Philosophie gegen das Christenthum führte, wandte er gegen jene zurück, und suchte sie durch ihre eigenen Vorder- sätze zu widerlegen. Daß die Begriffe von Raum und Zeit, daher auch von Bewegung u. s. w., bloß in uns, nicht aber auch in den Dingen außer uns existiren, hatte er gezeigt. Er schloß aber sofort, daß Gott uns für diese Welt diese Vorstellungen angeschaffen habe, daß wir uns in denselben nothwendig und nach Gottes Willen, so lange wir hier leben, bewegen, daß wir aber zugleich nach Gottes Rath-
der Zeit erſcheinen; daher iſt Raum und Zeit nur in unſerer Seele: außer uns iſt keines von beiden. Gemäß ſeiner religiöſen Tendenz drückt er dieſes auch ſo aus: Alle Vorſtellungen, die ſich auf Raum und Zeit beziehen, ſind eingeſchränkt: da nun Gott, der Ewige, Unendliche und Unbegreifliche, keine Schranken kennt, ſo ſtellt er ſich die Welt auch nicht in Raum und Zeit vor; da nun ſeine Vorſtellungen allein Wahrheit haben, ſo iſt auch die Welt nicht in Raum und Zeit. Endlich beweist Stilling die End- lichkeit unſerer Begriffe über die Welt, ihren Anfang und Umfang u. ſ. w. durch den bekannten Kant’ſchen Antinomie- Schluß, daß wir einer Seits den Raum als unendlich denken müſſen, weil, wenn er eine Grenze hätte, jenſeits ein leerer Raum gedacht werden müßte: anderer Seits ſich auch nicht eine endliche Unendlichkeit, d. h. ein unend- licher, mit lauter endlichen Dingen angefüllter Raum denken laſſe: alſo müſſe die ganze Vorſtellung des Raums überhaupt eine bloß ſubjective Vorſtellung endlicher Menſchen ſeyn.
Dieſe Lehre, in welcher er mit der Philoſophie Kant’s übereinſtimmte, wurde, ſowie die Idee einer unmittelbar wirkenden Vorſehung der aus der Erfahrung abſtrahirte Fundamentalſatz ſeines ganzen Glaubens ward, ſo das wiſſenſchaftliche Princip ſeiner philoſophiſch- religiöſen Ueberzeugung, aber auf eine entgegengeſetzte Weiſe, als dieß bei Kant der Fall war. War Stilling wohl im Grundſatze eines mit der damaligen Philo- ſophie, ſo ging er durch die Folgerungen, welche er aus dieſem Grundſatze machte, über die Philoſophie hin- aus in das chriſtliche Gebiet über: die Waffen, welche die Philoſophie gegen das Chriſtenthum führte, wandte er gegen jene zurück, und ſuchte ſie durch ihre eigenen Vorder- ſätze zu widerlegen. Daß die Begriffe von Raum und Zeit, daher auch von Bewegung u. ſ. w., bloß in uns, nicht aber auch in den Dingen außer uns exiſtiren, hatte er gezeigt. Er ſchloß aber ſofort, daß Gott uns für dieſe Welt dieſe Vorſtellungen angeſchaffen habe, daß wir uns in denſelben nothwendig und nach Gottes Willen, ſo lange wir hier leben, bewegen, daß wir aber zugleich nach Gottes Rath-
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der Zeit erſcheinen; daher iſt Raum und Zeit nur in
unſerer Seele: außer uns iſt keines von beiden. Gemäß
ſeiner religiöſen Tendenz drückt er dieſes auch ſo aus:
Alle Vorſtellungen, die ſich auf Raum und Zeit beziehen,
ſind eingeſchränkt: da nun Gott, der Ewige, Unendliche
und Unbegreifliche, keine Schranken kennt, ſo ſtellt er ſich
die Welt auch nicht in Raum und Zeit vor; da nun ſeine
Vorſtellungen allein Wahrheit haben, ſo iſt auch die Welt
nicht in Raum und Zeit. Endlich beweist Stilling die End-
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Umfang u. ſ. w. durch den bekannten Kant’ſchen Antinomie-
Schluß, daß wir einer Seits den Raum als unendlich
denken müſſen, weil, wenn er eine Grenze hätte, jenſeits
ein leerer Raum gedacht werden müßte: anderer Seits
ſich auch nicht eine endliche Unendlichkeit, d. h. ein unend-
licher, mit lauter endlichen Dingen angefüllter Raum denken
laſſe: alſo müſſe die ganze Vorſtellung des Raums überhaupt
eine bloß ſubjective Vorſtellung endlicher Menſchen ſeyn.
Dieſe Lehre, in welcher er mit der Philoſophie Kant’s
übereinſtimmte, wurde, ſowie die Idee einer unmittelbar
wirkenden Vorſehung der aus der Erfahrung abſtrahirte
Fundamentalſatz ſeines ganzen Glaubens ward, ſo
das wiſſenſchaftliche Princip ſeiner philoſophiſch-
religiöſen Ueberzeugung, aber auf eine entgegengeſetzte
Weiſe, als dieß bei Kant der Fall war. War Stilling
wohl im Grundſatze eines mit der damaligen Philo-
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aus dieſem Grundſatze machte, über die Philoſophie hin-
aus in das chriſtliche Gebiet über: die Waffen, welche die
Philoſophie gegen das Chriſtenthum führte, wandte er
gegen jene zurück, und ſuchte ſie durch ihre eigenen Vorder-
ſätze zu widerlegen. Daß die Begriffe von Raum und Zeit,
daher auch von Bewegung u. ſ. w., bloß in uns, nicht aber
auch in den Dingen außer uns exiſtiren, hatte er gezeigt.
Er ſchloß aber ſofort, daß Gott uns für dieſe Welt dieſe
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1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/21>, abgerufen am 09.11.2024.
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