daß er mit ihnen Allen Einer Meinung und Eines Willens sey.
Des Abends über dem Essen erzählte Glöckner eine neue merkwürdige Geschichte von seinem Schwager Freymuth, die sich folgendergestalt verhielt: Die Frau Freymuth war Glöckners Frau Schwester, und im Christenthum mit der- selben Eines Sinnes, daher kamen beide Schwestern nebst andern Freunden des Sonntags Nachmittags zusammen, sie wiederholten alsdann die Vormittags-Predigt, lasen in der Bibel, und sangen geistliche Lieder; dieses konnte nun Frey- muth ganz und gar nicht vertragen. Er war ein Erzfeind von solchen Sachen, hingegen ging er eben sowohl fleißig in die Kirche und zum Nachtmahl, aber das war auch Alles; ent- setzliches Fluchen, Saufen, Spielen, unzüchtige Reden und Schlägereien waren seine angenehmsten Belustigungen, womit er die Zeit zubrachte, die ihm von seinen Geschäften übrig blieb. Wenn er nun des Abends nach Haus kam, und fand seine Frau in der Bibel oder sonst einem erbaulichen Buche lesen, so fing er an abscheulich zu fluchen: Du feiner pieti- stischer T....! weißt ja wohl, daß ich das Lesen nicht ha- ben will; dann griff er sie in den Haaren, schleppte sie auf der Erde herum, und schlug sie, bis das Blut aus Mund und Nase heraussprang; sie aber sagte kein Wort, sondern, wenn er aufhörte, so faßte sie ihn um die Knie, und bat ihn mit taufend Thränen: er möchte sich doch bekehren, und sein Leben ändern; dann stieß er sie mit den Füßen von sich und sagte: Canaille! das will ich bleiben lassen, ich will kein Kopfhänger werden, wie du. Eben so behandelte er sie auch, wenn er gewahr wurde, daß sie bei andern frommen Leuten in Gesellschaft gewesen war. So hatte er's getrieben, so lange als seine Frau anderes Sinnes gewesen war, als er.
Nun aber vor kurzen Tagen hatte sich Freymuth gänz- lich geändert, und zwar auf folgende Weise:
Freymuth reiste nach Frankfurt zur Messe. Während dieser Zeit hatte seine Frau alle Freiheit, nach ihrem Sinn zu leben; sie ging nicht allein zu andern Freunden, sondern sie nöthigte auch deren zuweilen eine ziemliche Anzahl in ihr Haus; dieses hatte sie auch letztverwichene Ostermesse gethan.
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daß er mit ihnen Allen Einer Meinung und Eines Willens ſey.
Des Abends uͤber dem Eſſen erzaͤhlte Gloͤckner eine neue merkwuͤrdige Geſchichte von ſeinem Schwager Freymuth, die ſich folgendergeſtalt verhielt: Die Frau Freymuth war Gloͤckners Frau Schweſter, und im Chriſtenthum mit der- ſelben Eines Sinnes, daher kamen beide Schweſtern nebſt andern Freunden des Sonntags Nachmittags zuſammen, ſie wiederholten alsdann die Vormittags-Predigt, laſen in der Bibel, und ſangen geiſtliche Lieder; dieſes konnte nun Frey- muth ganz und gar nicht vertragen. Er war ein Erzfeind von ſolchen Sachen, hingegen ging er eben ſowohl fleißig in die Kirche und zum Nachtmahl, aber das war auch Alles; ent- ſetzliches Fluchen, Saufen, Spielen, unzuͤchtige Reden und Schlaͤgereien waren ſeine angenehmſten Beluſtigungen, womit er die Zeit zubrachte, die ihm von ſeinen Geſchaͤften uͤbrig blieb. Wenn er nun des Abends nach Haus kam, und fand ſeine Frau in der Bibel oder ſonſt einem erbaulichen Buche leſen, ſo fing er an abſcheulich zu fluchen: Du feiner pieti- ſtiſcher T....! weißt ja wohl, daß ich das Leſen nicht ha- ben will; dann griff er ſie in den Haaren, ſchleppte ſie auf der Erde herum, und ſchlug ſie, bis das Blut aus Mund und Naſe herausſprang; ſie aber ſagte kein Wort, ſondern, wenn er aufhoͤrte, ſo faßte ſie ihn um die Knie, und bat ihn mit taufend Thraͤnen: er moͤchte ſich doch bekehren, und ſein Leben aͤndern; dann ſtieß er ſie mit den Fuͤßen von ſich und ſagte: Canaille! das will ich bleiben laſſen, ich will kein Kopfhaͤnger werden, wie du. Eben ſo behandelte er ſie auch, wenn er gewahr wurde, daß ſie bei andern frommen Leuten in Geſellſchaft geweſen war. So hatte er’s getrieben, ſo lange als ſeine Frau anderes Sinnes geweſen war, als er.
Nun aber vor kurzen Tagen hatte ſich Freymuth gaͤnz- lich geaͤndert, und zwar auf folgende Weiſe:
Freymuth reiste nach Frankfurt zur Meſſe. Waͤhrend dieſer Zeit hatte ſeine Frau alle Freiheit, nach ihrem Sinn zu leben; ſie ging nicht allein zu andern Freunden, ſondern ſie noͤthigte auch deren zuweilen eine ziemliche Anzahl in ihr Haus; dieſes hatte ſie auch letztverwichene Oſtermeſſe gethan.
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daß er mit ihnen Allen Einer Meinung und Eines Willens ſey.
Des Abends uͤber dem Eſſen erzaͤhlte Gloͤckner eine neue
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die ſich folgendergeſtalt verhielt: Die Frau Freymuth war
Gloͤckners Frau Schweſter, und im Chriſtenthum mit der-
ſelben Eines Sinnes, daher kamen beide Schweſtern nebſt
andern Freunden des Sonntags Nachmittags zuſammen, ſie
wiederholten alsdann die Vormittags-Predigt, laſen in der
Bibel, und ſangen geiſtliche Lieder; dieſes konnte nun Frey-
muth ganz und gar nicht vertragen. Er war ein Erzfeind von
ſolchen Sachen, hingegen ging er eben ſowohl fleißig in die
Kirche und zum Nachtmahl, aber das war auch Alles; ent-
ſetzliches Fluchen, Saufen, Spielen, unzuͤchtige Reden und
Schlaͤgereien waren ſeine angenehmſten Beluſtigungen, womit
er die Zeit zubrachte, die ihm von ſeinen Geſchaͤften uͤbrig
blieb. Wenn er nun des Abends nach Haus kam, und fand
ſeine Frau in der Bibel oder ſonſt einem erbaulichen Buche
leſen, ſo fing er an abſcheulich zu fluchen: Du feiner pieti-
ſtiſcher T....! weißt ja wohl, daß ich das Leſen nicht ha-
ben will; dann griff er ſie in den Haaren, ſchleppte ſie auf
der Erde herum, und ſchlug ſie, bis das Blut aus Mund
und Naſe herausſprang; ſie aber ſagte kein Wort, ſondern,
wenn er aufhoͤrte, ſo faßte ſie ihn um die Knie, und bat ihn
mit taufend Thraͤnen: er moͤchte ſich doch bekehren, und ſein
Leben aͤndern; dann ſtieß er ſie mit den Fuͤßen von ſich und
ſagte: Canaille! das will ich bleiben laſſen, ich will kein
Kopfhaͤnger werden, wie du. Eben ſo behandelte er ſie auch,
wenn er gewahr wurde, daß ſie bei andern frommen Leuten
in Geſellſchaft geweſen war. So hatte er’s getrieben, ſo lange
als ſeine Frau anderes Sinnes geweſen war, als er.
Nun aber vor kurzen Tagen hatte ſich Freymuth gaͤnz-
lich geaͤndert, und zwar auf folgende Weiſe:
Freymuth reiste nach Frankfurt zur Meſſe. Waͤhrend
dieſer Zeit hatte ſeine Frau alle Freiheit, nach ihrem Sinn zu
leben; ſie ging nicht allein zu andern Freunden, ſondern ſie
noͤthigte auch deren zuweilen eine ziemliche Anzahl in ihr
Haus; dieſes hatte ſie auch letztverwichene Oſtermeſſe gethan.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/235>, abgerufen am 09.11.2024.
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