Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

angeordnet: Die Kinder sowohl, als ihr Lehrer, waren bei ihm
in seiner Stube; auf diese Weise konnte er sie selber beobach-
ten und ziehen, und auch beständig mit Stilling von allerhand
Sachen reden. Dabei gab Herr Spanier seinem Haus-In-
formator auch Zeit genug, selber zu lesen. Die Unterweisung
dauerte den ganzen Tag, aber so gemächlich und unterhaltend,
daß sie Niemand langweilig und beschwerlich werden konnte.

Herr Spanier aber hatte Stillingen nicht bloß zum Leh-
rer seiner Kinder bestimmt, sondern er hatte noch eine schöne
Absicht mit ihm, er wollte ihn in seinen Handelsgeschäften brau-
chen; das entdeckte er ihm aber nicht eher, als bis auf den Tag,
da er ihm einen Theil seiner Fabrik zu verwalten übertrug. Hier-
durch glaubte er auch Stillingen Veränderung zu machen,
und ihn vor der Melancholie zu bewahren.

Alles dieses gelang auch vollkommen. Nachdem er vierzehen
Tage informirt hatte, so übertrug ihm Herr Spanier seine drei
Hämmer, und die Güter, welche anderthalb Stunden von sei-
nem Hause, nicht weit von Hochbergs Wohnung lagen.
Stilling mußte alle drei Tage dahin gehen, um die fertigen Waa-
ren wegzuschaffen, und Alles zu besorgen.

Auch mußte er rohe Waaren einkaufen, und des Endes drei
Stunden weit wöchentlich ein paarmal auf die Landstraße ge-
hen, wo die Fuhrleute mit dem rohen Eisen herkamen, um das
nöthige von ihnen einzukaufen; wenn er dann wieder kam und
recht müde war, so that ihm die Ruhe ein paar Tage wieder
gut, er las dann selbsten und informirte dabei.

Der vergnügte Umgang aber, den Stilling mit Herrn
Spanier hatte, war über alles. Sie waren recht vertraulich
zusammen, redeten von Herzen von allerhand Sachen, beson-
ders war Spanier ein ausbündiger geschickter Landwirth und
Kaufmann, so daß Stilling oftmals zu sagen pflegte: Herrn
Spaniers Haus war meine Academie, wo ich Oeconomie,
Landwirthschaft und das Commerzienwesen aus dem Grund zu
studieren Gelegenheit hatte.

So wie ich hier Stillings Lebensart beschrieben habe, so
dauerte sie, ohne eine einzige trübe Stunde dazwischen zu ha-
ben, sieben ganze Jahre in einem fort; ich will davon nichts

angeordnet: Die Kinder ſowohl, als ihr Lehrer, waren bei ihm
in ſeiner Stube; auf dieſe Weiſe konnte er ſie ſelber beobach-
ten und ziehen, und auch beſtaͤndig mit Stilling von allerhand
Sachen reden. Dabei gab Herr Spanier ſeinem Haus-In-
formator auch Zeit genug, ſelber zu leſen. Die Unterweiſung
dauerte den ganzen Tag, aber ſo gemaͤchlich und unterhaltend,
daß ſie Niemand langweilig und beſchwerlich werden konnte.

Herr Spanier aber hatte Stillingen nicht bloß zum Leh-
rer ſeiner Kinder beſtimmt, ſondern er hatte noch eine ſchoͤne
Abſicht mit ihm, er wollte ihn in ſeinen Handelsgeſchaͤften brau-
chen; das entdeckte er ihm aber nicht eher, als bis auf den Tag,
da er ihm einen Theil ſeiner Fabrik zu verwalten uͤbertrug. Hier-
durch glaubte er auch Stillingen Veraͤnderung zu machen,
und ihn vor der Melancholie zu bewahren.

Alles dieſes gelang auch vollkommen. Nachdem er vierzehen
Tage informirt hatte, ſo uͤbertrug ihm Herr Spanier ſeine drei
Haͤmmer, und die Guͤter, welche anderthalb Stunden von ſei-
nem Hauſe, nicht weit von Hochbergs Wohnung lagen.
Stilling mußte alle drei Tage dahin gehen, um die fertigen Waa-
ren wegzuſchaffen, und Alles zu beſorgen.

Auch mußte er rohe Waaren einkaufen, und des Endes drei
Stunden weit woͤchentlich ein paarmal auf die Landſtraße ge-
hen, wo die Fuhrleute mit dem rohen Eiſen herkamen, um das
noͤthige von ihnen einzukaufen; wenn er dann wieder kam und
recht muͤde war, ſo that ihm die Ruhe ein paar Tage wieder
gut, er las dann ſelbſten und informirte dabei.

Der vergnuͤgte Umgang aber, den Stilling mit Herrn
Spanier hatte, war uͤber alles. Sie waren recht vertraulich
zuſammen, redeten von Herzen von allerhand Sachen, beſon-
ders war Spanier ein ausbuͤndiger geſchickter Landwirth und
Kaufmann, ſo daß Stilling oftmals zu ſagen pflegte: Herrn
Spaniers Haus war meine Academie, wo ich Oeconomie,
Landwirthſchaft und das Commerzienweſen aus dem Grund zu
ſtudieren Gelegenheit hatte.

So wie ich hier Stillings Lebensart beſchrieben habe, ſo
dauerte ſie, ohne eine einzige truͤbe Stunde dazwiſchen zu ha-
ben, ſieben ganze Jahre in einem fort; ich will davon nichts

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0248" n="240"/>
angeordnet: Die Kinder &#x017F;owohl, als ihr Lehrer, waren bei ihm<lb/>
in <hi rendition="#g">&#x017F;einer</hi> Stube; auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e konnte er &#x017F;ie &#x017F;elber beobach-<lb/>
ten und ziehen, und auch be&#x017F;ta&#x0364;ndig mit Stilling von allerhand<lb/>
Sachen reden. Dabei gab Herr <hi rendition="#g">Spanier</hi> &#x017F;einem Haus-In-<lb/>
formator auch Zeit genug, &#x017F;elber zu le&#x017F;en. Die Unterwei&#x017F;ung<lb/>
dauerte den ganzen Tag, aber &#x017F;o gema&#x0364;chlich und unterhaltend,<lb/>
daß &#x017F;ie Niemand langweilig und be&#x017F;chwerlich werden konnte.</p><lb/>
            <p>Herr <hi rendition="#g">Spanier</hi> aber hatte Stillingen nicht bloß zum Leh-<lb/>
rer &#x017F;einer Kinder be&#x017F;timmt, &#x017F;ondern er hatte noch eine &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Ab&#x017F;icht mit ihm, er wollte ihn in &#x017F;einen Handelsge&#x017F;cha&#x0364;ften brau-<lb/>
chen; das entdeckte er ihm aber nicht eher, als bis auf den Tag,<lb/>
da er ihm einen Theil &#x017F;einer Fabrik zu verwalten u&#x0364;bertrug. Hier-<lb/>
durch glaubte er auch <hi rendition="#g">Stillingen</hi> Vera&#x0364;nderung zu machen,<lb/>
und ihn vor der Melancholie zu bewahren.</p><lb/>
            <p>Alles die&#x017F;es gelang auch vollkommen. Nachdem er vierzehen<lb/>
Tage informirt hatte, &#x017F;o u&#x0364;bertrug ihm Herr Spanier &#x017F;eine drei<lb/>
Ha&#x0364;mmer, und die Gu&#x0364;ter, welche anderthalb Stunden von &#x017F;ei-<lb/>
nem Hau&#x017F;e, nicht weit von <hi rendition="#g">Hochbergs</hi> Wohnung lagen.<lb/>
Stilling mußte alle drei Tage dahin gehen, um die fertigen Waa-<lb/>
ren wegzu&#x017F;chaffen, und Alles zu be&#x017F;orgen.</p><lb/>
            <p>Auch mußte er rohe Waaren einkaufen, und des Endes drei<lb/>
Stunden weit wo&#x0364;chentlich ein paarmal auf die Land&#x017F;traße ge-<lb/>
hen, wo die Fuhrleute mit dem rohen Ei&#x017F;en herkamen, um das<lb/>
no&#x0364;thige von ihnen einzukaufen; wenn er dann wieder kam und<lb/>
recht mu&#x0364;de war, &#x017F;o that ihm die Ruhe ein paar Tage wieder<lb/>
gut, er las dann &#x017F;elb&#x017F;ten und informirte dabei.</p><lb/>
            <p>Der vergnu&#x0364;gte Umgang aber, den <hi rendition="#g">Stilling</hi> mit Herrn<lb/><hi rendition="#g">Spanier</hi> hatte, war u&#x0364;ber alles. Sie waren recht vertraulich<lb/>
zu&#x017F;ammen, redeten von Herzen von allerhand Sachen, be&#x017F;on-<lb/>
ders war Spanier ein ausbu&#x0364;ndiger ge&#x017F;chickter Landwirth und<lb/>
Kaufmann, &#x017F;o daß <hi rendition="#g">Stilling</hi> oftmals zu &#x017F;agen pflegte: Herrn<lb/><hi rendition="#g">Spaniers</hi> Haus war meine Academie, wo ich Oeconomie,<lb/>
Landwirth&#x017F;chaft und das Commerzienwe&#x017F;en aus dem Grund zu<lb/>
&#x017F;tudieren Gelegenheit hatte.</p><lb/>
            <p>So wie ich hier Stillings Lebensart be&#x017F;chrieben habe, &#x017F;o<lb/>
dauerte &#x017F;ie, ohne eine einzige tru&#x0364;be Stunde dazwi&#x017F;chen zu ha-<lb/>
ben, &#x017F;ieben ganze Jahre in einem fort; ich will davon nichts<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0248] angeordnet: Die Kinder ſowohl, als ihr Lehrer, waren bei ihm in ſeiner Stube; auf dieſe Weiſe konnte er ſie ſelber beobach- ten und ziehen, und auch beſtaͤndig mit Stilling von allerhand Sachen reden. Dabei gab Herr Spanier ſeinem Haus-In- formator auch Zeit genug, ſelber zu leſen. Die Unterweiſung dauerte den ganzen Tag, aber ſo gemaͤchlich und unterhaltend, daß ſie Niemand langweilig und beſchwerlich werden konnte. Herr Spanier aber hatte Stillingen nicht bloß zum Leh- rer ſeiner Kinder beſtimmt, ſondern er hatte noch eine ſchoͤne Abſicht mit ihm, er wollte ihn in ſeinen Handelsgeſchaͤften brau- chen; das entdeckte er ihm aber nicht eher, als bis auf den Tag, da er ihm einen Theil ſeiner Fabrik zu verwalten uͤbertrug. Hier- durch glaubte er auch Stillingen Veraͤnderung zu machen, und ihn vor der Melancholie zu bewahren. Alles dieſes gelang auch vollkommen. Nachdem er vierzehen Tage informirt hatte, ſo uͤbertrug ihm Herr Spanier ſeine drei Haͤmmer, und die Guͤter, welche anderthalb Stunden von ſei- nem Hauſe, nicht weit von Hochbergs Wohnung lagen. Stilling mußte alle drei Tage dahin gehen, um die fertigen Waa- ren wegzuſchaffen, und Alles zu beſorgen. Auch mußte er rohe Waaren einkaufen, und des Endes drei Stunden weit woͤchentlich ein paarmal auf die Landſtraße ge- hen, wo die Fuhrleute mit dem rohen Eiſen herkamen, um das noͤthige von ihnen einzukaufen; wenn er dann wieder kam und recht muͤde war, ſo that ihm die Ruhe ein paar Tage wieder gut, er las dann ſelbſten und informirte dabei. Der vergnuͤgte Umgang aber, den Stilling mit Herrn Spanier hatte, war uͤber alles. Sie waren recht vertraulich zuſammen, redeten von Herzen von allerhand Sachen, beſon- ders war Spanier ein ausbuͤndiger geſchickter Landwirth und Kaufmann, ſo daß Stilling oftmals zu ſagen pflegte: Herrn Spaniers Haus war meine Academie, wo ich Oeconomie, Landwirthſchaft und das Commerzienweſen aus dem Grund zu ſtudieren Gelegenheit hatte. So wie ich hier Stillings Lebensart beſchrieben habe, ſo dauerte ſie, ohne eine einzige truͤbe Stunde dazwiſchen zu ha- ben, ſieben ganze Jahre in einem fort; ich will davon nichts

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/248
Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/248>, abgerufen am 24.11.2024.