Ich war noch immer bis auf den Tod betrübt, und wünschte nichts mehr, als daß mich doch endlich einmal eine Kugel treffen möchte, nur schauderte ich vor der Gefangenschaft, denn wer will wohl gerne aufgefressen werden! Ich hielt deß- wegen beständig bei unserm Commandanten an: er möchte mir doch einige Mannschaft mitgeben, um gegen die Canni- balen zu streifen; dieses geschah, und da wir immer glücklich waren, so machte er mich zum Sergeanten."
"Einsmals kommandirte ich fünfzig Mann; wir durchstrichen einen Wald, und kamen weit von unserer Festung ab; wir hatten alle unsere Musqueten mit gespannten Hahnen unter dem Arm. Indem fiel ein Schuß auf mich; die Kugel pfiff an meinem Ohr vorbei. Nach einer kleinen Pause geschah das wieder. Ich schaute hin, und sah einen Wilden wieder laden. Ich rief ihm zu halten, und richtete das Gewehr auf ihn. Er war nah bei uns: Er stand und wir fingen ihn. Dieser Wilde verstand Holländisch. Wir zwangen ihn, daß er uns ihr Oberhaupt verrathen, und zu demselben hinführen mußte. Es war nicht weit bis dahin. Wir fanden einen Trupp Wil- den, die in guter Ruhe lagen. Ich hatte das Glück, ihr Ober- haupt selber zu fangen. Wir trieben ihrer so viel vor uns her, als wir ihrer erhalten konnten, Viele aber entwischten."
"Hierdurch hatte nun der Katzenkrieg ein Ende. Ich wurde Lieutenant zur See, und kam mit meinem Regiment wieder nach Holland. Nun reiste ich mit Urlaub nach Hause, und fand meine Braut noch so, wie ich sie verlassen hatte. Da ich nun mit Geld und Ehre versehen war, so fand ich keinen Widerstand mehr, wir wurden getraut, und nun haben wir schon fünf Kinder."
Diese Geschichte ergötzte die Reisegesellschaft. Nun hätten sowohl der Lieutenant, als auch Stilling gern des Unbe- kannten nähere Umstände gewußt, allein er lächelte und sagte: Verschonen Sie mich damit, meine Herren! ich darf nicht.
So verfloß dieser Tag unter den angenehmsten Gesprächen. Gegen Abend bekamen sie Sturm, und fuhren deßwegen zu Leitersdorf, unterhalb Neuwied, ans Land, wo sie über Nacht blieben. Der liederliche Bursche, den sie bei sich hat-
Ich war noch immer bis auf den Tod betruͤbt, und wuͤnſchte nichts mehr, als daß mich doch endlich einmal eine Kugel treffen moͤchte, nur ſchauderte ich vor der Gefangenſchaft, denn wer will wohl gerne aufgefreſſen werden! Ich hielt deß- wegen beſtaͤndig bei unſerm Commandanten an: er moͤchte mir doch einige Mannſchaft mitgeben, um gegen die Canni- balen zu ſtreifen; dieſes geſchah, und da wir immer gluͤcklich waren, ſo machte er mich zum Sergeanten.“
„Einsmals kommandirte ich fuͤnfzig Mann; wir durchſtrichen einen Wald, und kamen weit von unſerer Feſtung ab; wir hatten alle unſere Musqueten mit geſpannten Hahnen unter dem Arm. Indem fiel ein Schuß auf mich; die Kugel pfiff an meinem Ohr vorbei. Nach einer kleinen Pauſe geſchah das wieder. Ich ſchaute hin, und ſah einen Wilden wieder laden. Ich rief ihm zu halten, und richtete das Gewehr auf ihn. Er war nah bei uns: Er ſtand und wir fingen ihn. Dieſer Wilde verſtand Hollaͤndiſch. Wir zwangen ihn, daß er uns ihr Oberhaupt verrathen, und zu demſelben hinfuͤhren mußte. Es war nicht weit bis dahin. Wir fanden einen Trupp Wil- den, die in guter Ruhe lagen. Ich hatte das Gluͤck, ihr Ober- haupt ſelber zu fangen. Wir trieben ihrer ſo viel vor uns her, als wir ihrer erhalten konnten, Viele aber entwiſchten.“
„Hierdurch hatte nun der Katzenkrieg ein Ende. Ich wurde Lieutenant zur See, und kam mit meinem Regiment wieder nach Holland. Nun reiste ich mit Urlaub nach Hauſe, und fand meine Braut noch ſo, wie ich ſie verlaſſen hatte. Da ich nun mit Geld und Ehre verſehen war, ſo fand ich keinen Widerſtand mehr, wir wurden getraut, und nun haben wir ſchon fuͤnf Kinder.“
Dieſe Geſchichte ergoͤtzte die Reiſegeſellſchaft. Nun haͤtten ſowohl der Lieutenant, als auch Stilling gern des Unbe- kannten naͤhere Umſtaͤnde gewußt, allein er laͤchelte und ſagte: Verſchonen Sie mich damit, meine Herren! ich darf nicht.
So verfloß dieſer Tag unter den angenehmſten Geſpraͤchen. Gegen Abend bekamen ſie Sturm, und fuhren deßwegen zu Leitersdorf, unterhalb Neuwied, ans Land, wo ſie uͤber Nacht blieben. Der liederliche Burſche, den ſie bei ſich hat-
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Ich war noch immer bis auf den Tod betruͤbt, und wuͤnſchte
nichts mehr, als daß mich doch endlich einmal eine Kugel
treffen moͤchte, nur ſchauderte ich vor der Gefangenſchaft,
denn wer will wohl gerne aufgefreſſen werden! Ich hielt deß-
wegen beſtaͤndig bei unſerm Commandanten an: er moͤchte
mir doch einige Mannſchaft mitgeben, um gegen die Canni-
balen zu ſtreifen; dieſes geſchah, und da wir immer gluͤcklich
waren, ſo machte er mich zum Sergeanten.“
„Einsmals kommandirte ich fuͤnfzig Mann; wir durchſtrichen
einen Wald, und kamen weit von unſerer Feſtung ab; wir
hatten alle unſere Musqueten mit geſpannten Hahnen unter
dem Arm. Indem fiel ein Schuß auf mich; die Kugel pfiff
an meinem Ohr vorbei. Nach einer kleinen Pauſe geſchah
das wieder. Ich ſchaute hin, und ſah einen Wilden wieder
laden. Ich rief ihm zu halten, und richtete das Gewehr auf
ihn. Er war nah bei uns: Er ſtand und wir fingen ihn.
Dieſer Wilde verſtand Hollaͤndiſch. Wir zwangen ihn, daß er
uns ihr Oberhaupt verrathen, und zu demſelben hinfuͤhren mußte.
Es war nicht weit bis dahin. Wir fanden einen Trupp Wil-
den, die in guter Ruhe lagen. Ich hatte das Gluͤck, ihr Ober-
haupt ſelber zu fangen. Wir trieben ihrer ſo viel vor uns
her, als wir ihrer erhalten konnten, Viele aber entwiſchten.“
„Hierdurch hatte nun der Katzenkrieg ein Ende. Ich wurde
Lieutenant zur See, und kam mit meinem Regiment wieder
nach Holland. Nun reiste ich mit Urlaub nach Hauſe, und
fand meine Braut noch ſo, wie ich ſie verlaſſen hatte. Da
ich nun mit Geld und Ehre verſehen war, ſo fand ich keinen
Widerſtand mehr, wir wurden getraut, und nun haben wir
ſchon fuͤnf Kinder.“
Dieſe Geſchichte ergoͤtzte die Reiſegeſellſchaft. Nun haͤtten
ſowohl der Lieutenant, als auch Stilling gern des Unbe-
kannten naͤhere Umſtaͤnde gewußt, allein er laͤchelte und ſagte:
Verſchonen Sie mich damit, meine Herren! ich darf nicht.
So verfloß dieſer Tag unter den angenehmſten Geſpraͤchen.
Gegen Abend bekamen ſie Sturm, und fuhren deßwegen zu
Leitersdorf, unterhalb Neuwied, ans Land, wo ſie uͤber
Nacht blieben. Der liederliche Burſche, den ſie bei ſich hat-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/294>, abgerufen am 23.11.2024.
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