ten, war ein Strasburger, und seinen Eltern entlaufen. Die- ser machte mit dem Passagier bald Freundschaft. Stilling warnte letzten höflich, besonders seinen Wechsel nicht sehen zu lassen, allein das alles half nichts. Er hörte hernach, daß der Knabe um all sein Geld gekommen, und der Strasbur- ger sich aus dem Staube gemacht hatte.
Des Abends, als man schlafen gehen wollte, fanden sich nur drei Betten für fünf Personen. Sie losten, welche zwei und zwei beisammen schlafen sollten, und da fielen die zwei Burschen zusammen, der Lieutenant auf eins allein, und der fremde Herr mit Stilling bekamen das beste. Hier bemerkte nun Stilling die geheimen Kostbarkeiten seines Schlafgesel- len, die etwas sehr Hohes anzeigten. Er konnte diese Art zu reisen, mit einem so hohen Stand nicht zusammen reimen, er begann bald Verdacht zu schöpfen; doch, als er merkte, daß der Fremde vertraut mit Gott war, so schämte er sich seines Verdachts und war ruhig. Sie schliefen unter aller- hand vertraulichen Gesprächen ein, und des andern Morgens reisten sie wieder ab, und kamen des Abends gesund und wohl zu Cölln an. Hier wurde der Fremde thätig. Es gin- gen in aller Geheime vornehme Leute bei ihm ab und zu. Er besorgte sich ein paar Bediente, kaufte Kostbarkeiten ein, und was dergleichen Umstände mehr waren. Sie logirten Alle zusammen im Geist. Ungeachtet nun Betten genug da- selbst vorräthig waren, so wollte doch der Fremde wieder bei Stilling schlafen. Dieses geschah auch.
Des Morgens eilte Stilling fort. Er und der Fremde umarmten und küßten sich. Letzterer sagte zu ihm: "Ihre Gesellschaft, mein Herr! hat mir außerordentliches Vergnügen gemacht. Fahren Sie nur fort in Ihrem Lauf, so werden Sie's in der Welt weit bringen, ich werde Ihrer nie verges- sen." Stilling äußerte noch einmal sein Verlangen, zu wissen, mit wem er gereist habe. Der Fremde lächelte, und sagte: "Lesen Sie die Zeitung fleißig, wenn Sie nach Hause kommen, und wenn Sie den Namen *** finden werden, so denken Sie an mich."
ten, war ein Strasburger, und ſeinen Eltern entlaufen. Die- ſer machte mit dem Paſſagier bald Freundſchaft. Stilling warnte letzten hoͤflich, beſonders ſeinen Wechſel nicht ſehen zu laſſen, allein das alles half nichts. Er hoͤrte hernach, daß der Knabe um all ſein Geld gekommen, und der Strasbur- ger ſich aus dem Staube gemacht hatte.
Des Abends, als man ſchlafen gehen wollte, fanden ſich nur drei Betten fuͤr fuͤnf Perſonen. Sie losten, welche zwei und zwei beiſammen ſchlafen ſollten, und da fielen die zwei Burſchen zuſammen, der Lieutenant auf eins allein, und der fremde Herr mit Stilling bekamen das beſte. Hier bemerkte nun Stilling die geheimen Koſtbarkeiten ſeines Schlafgeſel- len, die etwas ſehr Hohes anzeigten. Er konnte dieſe Art zu reiſen, mit einem ſo hohen Stand nicht zuſammen reimen, er begann bald Verdacht zu ſchoͤpfen; doch, als er merkte, daß der Fremde vertraut mit Gott war, ſo ſchaͤmte er ſich ſeines Verdachts und war ruhig. Sie ſchliefen unter aller- hand vertraulichen Geſpraͤchen ein, und des andern Morgens reisten ſie wieder ab, und kamen des Abends geſund und wohl zu Coͤlln an. Hier wurde der Fremde thaͤtig. Es gin- gen in aller Geheime vornehme Leute bei ihm ab und zu. Er beſorgte ſich ein paar Bediente, kaufte Koſtbarkeiten ein, und was dergleichen Umſtaͤnde mehr waren. Sie logirten Alle zuſammen im Geiſt. Ungeachtet nun Betten genug da- ſelbſt vorraͤthig waren, ſo wollte doch der Fremde wieder bei Stilling ſchlafen. Dieſes geſchah auch.
Des Morgens eilte Stilling fort. Er und der Fremde umarmten und kuͤßten ſich. Letzterer ſagte zu ihm: „Ihre Geſellſchaft, mein Herr! hat mir außerordentliches Vergnuͤgen gemacht. Fahren Sie nur fort in Ihrem Lauf, ſo werden Sie’s in der Welt weit bringen, ich werde Ihrer nie vergeſ- ſen.“ Stilling aͤußerte noch einmal ſein Verlangen, zu wiſſen, mit wem er gereist habe. Der Fremde laͤchelte, und ſagte: „Leſen Sie die Zeitung fleißig, wenn Sie nach Hauſe kommen, und wenn Sie den Namen *** finden werden, ſo denken Sie an mich.“
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ten, war ein Strasburger, und ſeinen Eltern entlaufen. Die-
ſer machte mit dem Paſſagier bald Freundſchaft. Stilling
warnte letzten hoͤflich, beſonders ſeinen Wechſel nicht ſehen zu
laſſen, allein das alles half nichts. Er hoͤrte hernach, daß
der Knabe um all ſein Geld gekommen, und der Strasbur-
ger ſich aus dem Staube gemacht hatte.
Des Abends, als man ſchlafen gehen wollte, fanden ſich
nur drei Betten fuͤr fuͤnf Perſonen. Sie losten, welche zwei
und zwei beiſammen ſchlafen ſollten, und da fielen die zwei
Burſchen zuſammen, der Lieutenant auf eins allein, und der
fremde Herr mit Stilling bekamen das beſte. Hier bemerkte
nun Stilling die geheimen Koſtbarkeiten ſeines Schlafgeſel-
len, die etwas ſehr Hohes anzeigten. Er konnte dieſe Art zu
reiſen, mit einem ſo hohen Stand nicht zuſammen reimen,
er begann bald Verdacht zu ſchoͤpfen; doch, als er merkte,
daß der Fremde vertraut mit Gott war, ſo ſchaͤmte er ſich
ſeines Verdachts und war ruhig. Sie ſchliefen unter aller-
hand vertraulichen Geſpraͤchen ein, und des andern Morgens
reisten ſie wieder ab, und kamen des Abends geſund und
wohl zu Coͤlln an. Hier wurde der Fremde thaͤtig. Es gin-
gen in aller Geheime vornehme Leute bei ihm ab und zu.
Er beſorgte ſich ein paar Bediente, kaufte Koſtbarkeiten ein,
und was dergleichen Umſtaͤnde mehr waren. Sie logirten
Alle zuſammen im Geiſt. Ungeachtet nun Betten genug da-
ſelbſt vorraͤthig waren, ſo wollte doch der Fremde wieder bei
Stilling ſchlafen. Dieſes geſchah auch.
Des Morgens eilte Stilling fort. Er und der Fremde
umarmten und kuͤßten ſich. Letzterer ſagte zu ihm: „Ihre
Geſellſchaft, mein Herr! hat mir außerordentliches Vergnuͤgen
gemacht. Fahren Sie nur fort in Ihrem Lauf, ſo werden
Sie’s in der Welt weit bringen, ich werde Ihrer nie vergeſ-
ſen.“ Stilling aͤußerte noch einmal ſein Verlangen, zu
wiſſen, mit wem er gereist habe. Der Fremde laͤchelte, und
ſagte: „Leſen Sie die Zeitung fleißig, wenn Sie nach Hauſe
kommen, und wenn Sie den Namen *** finden werden, ſo
denken Sie an mich.“
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/295>, abgerufen am 23.11.2024.
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