Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

du noch, was ich dir zur Antwort gab, in unsern Brautta-
gen? Laß uns Wilhelmen mit seiner Frau zu uns nehmen, er
kann sein Handwerk treiben. Dorthe soll mir und meinen
Töchtern helfen, so viel sie kann. Sie lernt noch immer et-
was, denn sie ist noch jung. Sie können mit uns an den
Tisch gehen; was er verdient, das gibt er uns, und wir
versorgen dann Beide mit dem Nöthigen: so gehts, mein' ich,
am besten. Wenn du meinst, erwiederte der Vater, so mag
er das Mädchen holen. Wilhelm! Wilhelm! denke was
du thust, es ist nichts Geringes. Der Gott deiner Väter
segne dich mit allem, was dir und deinem Mädchen nöthig
ist. Wilhelmen standen die Thränen in den Augen. Er
schüttelte Vater und Mutter die Hand, versprach ihnen alle
Treue, und ging zu Bette. Und nachdem der alte Stilling
sein Abendlied gesungen, die Thür mit dem hölzernen Wirbel
zugeklemmt, Margareth aber nach den Kühen gesehen
hatte, ob sie alle lägen und wiederkäueten, so gingen sie
auch schlafen.

Wilhelm kam auf seine Kammer, an welcher nur ein Laden
war, der aber eben so genau nicht schloß, daß nicht so viel
Tag hätte durchschimmern können, um zu wissen, ob man
aufstehen müsse. Dieses Fenster war noch offen, daher trat
er an dasselbe, es sah gerade gegen den Wald hin; alles
war in tiefer Stille, nur zwo Nachtigallen sangen wechsels-
weise auf das allerlieblichste. Dieses war Wilhelmen öfters
ein Wink gewesen. Er sank an der Wand nieder. "O Gott!
seufzte er, dir dank ich, daß du mir solche Eltern gegeben
hast! O, laß sie Freude an mir sehen! Laß mich ihnen
nicht zur Last seyn! Dir dank ich, daß du mir eine tugend-
hafte Frau gibst! O segne mich!" -- Thränen und Empfin-
dungen hemmten ihm die Sprache, und da redete sein Herz
unaussprechliche Worte, welche nur die Seelen empfinden und
kennen, die sich in gleicher Lage befunden haben.

Nie hat Jemand sanfter geschlafen, als der Schulmeister.
Sein inniges Vergnügen weckte ihn des Morgens früher als
sonst. Er stand auf, ging heraus in den Wald und erneuerte

du noch, was ich dir zur Antwort gab, in unſern Brautta-
gen? Laß uns Wilhelmen mit ſeiner Frau zu uns nehmen, er
kann ſein Handwerk treiben. Dorthe ſoll mir und meinen
Toͤchtern helfen, ſo viel ſie kann. Sie lernt noch immer et-
was, denn ſie iſt noch jung. Sie koͤnnen mit uns an den
Tiſch gehen; was er verdient, das gibt er uns, und wir
verſorgen dann Beide mit dem Noͤthigen: ſo gehts, mein’ ich,
am beſten. Wenn du meinſt, erwiederte der Vater, ſo mag
er das Maͤdchen holen. Wilhelm! Wilhelm! denke was
du thuſt, es iſt nichts Geringes. Der Gott deiner Vaͤter
ſegne dich mit allem, was dir und deinem Maͤdchen noͤthig
iſt. Wilhelmen ſtanden die Thraͤnen in den Augen. Er
ſchuͤttelte Vater und Mutter die Hand, verſprach ihnen alle
Treue, und ging zu Bette. Und nachdem der alte Stilling
ſein Abendlied geſungen, die Thuͤr mit dem hoͤlzernen Wirbel
zugeklemmt, Margareth aber nach den Kuͤhen geſehen
hatte, ob ſie alle laͤgen und wiederkaͤueten, ſo gingen ſie
auch ſchlafen.

Wilhelm kam auf ſeine Kammer, an welcher nur ein Laden
war, der aber eben ſo genau nicht ſchloß, daß nicht ſo viel
Tag haͤtte durchſchimmern koͤnnen, um zu wiſſen, ob man
aufſtehen muͤſſe. Dieſes Fenſter war noch offen, daher trat
er an daſſelbe, es ſah gerade gegen den Wald hin; alles
war in tiefer Stille, nur zwo Nachtigallen ſangen wechſels-
weiſe auf das allerlieblichſte. Dieſes war Wilhelmen oͤfters
ein Wink geweſen. Er ſank an der Wand nieder. „O Gott!
ſeufzte er, dir dank ich, daß du mir ſolche Eltern gegeben
haſt! O, laß ſie Freude an mir ſehen! Laß mich ihnen
nicht zur Laſt ſeyn! Dir dank ich, daß du mir eine tugend-
hafte Frau gibſt! O ſegne mich!“ — Thraͤnen und Empfin-
dungen hemmten ihm die Sprache, und da redete ſein Herz
unausſprechliche Worte, welche nur die Seelen empfinden und
kennen, die ſich in gleicher Lage befunden haben.

Nie hat Jemand ſanfter geſchlafen, als der Schulmeiſter.
Sein inniges Vergnuͤgen weckte ihn des Morgens fruͤher als
ſonſt. Er ſtand auf, ging heraus in den Wald und erneuerte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0039" n="31"/>
du noch, was ich dir zur Antwort gab, in un&#x017F;ern Brautta-<lb/>
gen? Laß uns Wilhelmen mit &#x017F;einer Frau zu uns nehmen, er<lb/>
kann &#x017F;ein Handwerk treiben. <hi rendition="#g">Dorthe</hi> &#x017F;oll mir und meinen<lb/>
To&#x0364;chtern helfen, &#x017F;o viel &#x017F;ie kann. Sie lernt noch immer et-<lb/>
was, denn &#x017F;ie i&#x017F;t noch jung. Sie ko&#x0364;nnen mit uns an den<lb/>
Ti&#x017F;ch gehen; was er verdient, das gibt er uns, und wir<lb/>
ver&#x017F;orgen dann Beide mit dem No&#x0364;thigen: &#x017F;o gehts, mein&#x2019; ich,<lb/>
am be&#x017F;ten. Wenn du mein&#x017F;t, erwiederte der Vater, &#x017F;o mag<lb/>
er das Ma&#x0364;dchen holen. <hi rendition="#g">Wilhelm! Wilhelm</hi>! denke was<lb/>
du thu&#x017F;t, es i&#x017F;t nichts Geringes. Der Gott deiner Va&#x0364;ter<lb/>
&#x017F;egne dich mit allem, was dir und deinem Ma&#x0364;dchen no&#x0364;thig<lb/>
i&#x017F;t. <hi rendition="#g">Wilhelmen</hi> &#x017F;tanden die Thra&#x0364;nen in den Augen. Er<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;ttelte Vater und Mutter die Hand, ver&#x017F;prach ihnen alle<lb/>
Treue, und ging zu Bette. Und nachdem der alte <hi rendition="#g">Stilling</hi><lb/>
&#x017F;ein Abendlied ge&#x017F;ungen, die Thu&#x0364;r mit dem ho&#x0364;lzernen Wirbel<lb/>
zugeklemmt, <hi rendition="#g">Margareth</hi> aber nach den Ku&#x0364;hen ge&#x017F;ehen<lb/>
hatte, ob &#x017F;ie alle la&#x0364;gen und wiederka&#x0364;ueten, &#x017F;o gingen &#x017F;ie<lb/>
auch &#x017F;chlafen.</p><lb/>
            <p>Wilhelm kam auf &#x017F;eine Kammer, an welcher nur ein Laden<lb/>
war, der aber eben &#x017F;o genau nicht &#x017F;chloß, daß nicht &#x017F;o viel<lb/>
Tag ha&#x0364;tte durch&#x017F;chimmern ko&#x0364;nnen, um zu wi&#x017F;&#x017F;en, ob man<lb/>
auf&#x017F;tehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Die&#x017F;es Fen&#x017F;ter war noch offen, daher trat<lb/>
er an da&#x017F;&#x017F;elbe, es &#x017F;ah gerade gegen den Wald hin; alles<lb/>
war in tiefer Stille, nur zwo Nachtigallen &#x017F;angen wech&#x017F;els-<lb/>
wei&#x017F;e auf das allerlieblich&#x017F;te. Die&#x017F;es war Wilhelmen o&#x0364;fters<lb/>
ein Wink gewe&#x017F;en. Er &#x017F;ank an der Wand nieder. &#x201E;O Gott!<lb/>
&#x017F;eufzte er, dir dank ich, daß du mir &#x017F;olche Eltern gegeben<lb/>
ha&#x017F;t! O, laß &#x017F;ie Freude an mir &#x017F;ehen! Laß mich ihnen<lb/>
nicht zur La&#x017F;t &#x017F;eyn! Dir dank ich, daß du mir eine tugend-<lb/>
hafte Frau gib&#x017F;t! O &#x017F;egne mich!&#x201C; &#x2014; Thra&#x0364;nen und Empfin-<lb/>
dungen hemmten ihm die Sprache, und da redete &#x017F;ein Herz<lb/>
unaus&#x017F;prechliche Worte, welche nur die Seelen empfinden und<lb/>
kennen, die &#x017F;ich in gleicher Lage befunden haben.</p><lb/>
            <p>Nie hat Jemand &#x017F;anfter ge&#x017F;chlafen, als der Schulmei&#x017F;ter.<lb/>
Sein inniges Vergnu&#x0364;gen weckte ihn des Morgens fru&#x0364;her als<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t. Er &#x017F;tand auf, ging heraus in den Wald und erneuerte<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0039] du noch, was ich dir zur Antwort gab, in unſern Brautta- gen? Laß uns Wilhelmen mit ſeiner Frau zu uns nehmen, er kann ſein Handwerk treiben. Dorthe ſoll mir und meinen Toͤchtern helfen, ſo viel ſie kann. Sie lernt noch immer et- was, denn ſie iſt noch jung. Sie koͤnnen mit uns an den Tiſch gehen; was er verdient, das gibt er uns, und wir verſorgen dann Beide mit dem Noͤthigen: ſo gehts, mein’ ich, am beſten. Wenn du meinſt, erwiederte der Vater, ſo mag er das Maͤdchen holen. Wilhelm! Wilhelm! denke was du thuſt, es iſt nichts Geringes. Der Gott deiner Vaͤter ſegne dich mit allem, was dir und deinem Maͤdchen noͤthig iſt. Wilhelmen ſtanden die Thraͤnen in den Augen. Er ſchuͤttelte Vater und Mutter die Hand, verſprach ihnen alle Treue, und ging zu Bette. Und nachdem der alte Stilling ſein Abendlied geſungen, die Thuͤr mit dem hoͤlzernen Wirbel zugeklemmt, Margareth aber nach den Kuͤhen geſehen hatte, ob ſie alle laͤgen und wiederkaͤueten, ſo gingen ſie auch ſchlafen. Wilhelm kam auf ſeine Kammer, an welcher nur ein Laden war, der aber eben ſo genau nicht ſchloß, daß nicht ſo viel Tag haͤtte durchſchimmern koͤnnen, um zu wiſſen, ob man aufſtehen muͤſſe. Dieſes Fenſter war noch offen, daher trat er an daſſelbe, es ſah gerade gegen den Wald hin; alles war in tiefer Stille, nur zwo Nachtigallen ſangen wechſels- weiſe auf das allerlieblichſte. Dieſes war Wilhelmen oͤfters ein Wink geweſen. Er ſank an der Wand nieder. „O Gott! ſeufzte er, dir dank ich, daß du mir ſolche Eltern gegeben haſt! O, laß ſie Freude an mir ſehen! Laß mich ihnen nicht zur Laſt ſeyn! Dir dank ich, daß du mir eine tugend- hafte Frau gibſt! O ſegne mich!“ — Thraͤnen und Empfin- dungen hemmten ihm die Sprache, und da redete ſein Herz unausſprechliche Worte, welche nur die Seelen empfinden und kennen, die ſich in gleicher Lage befunden haben. Nie hat Jemand ſanfter geſchlafen, als der Schulmeiſter. Sein inniges Vergnuͤgen weckte ihn des Morgens fruͤher als ſonſt. Er ſtand auf, ging heraus in den Wald und erneuerte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/39
Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/39>, abgerufen am 01.05.2024.