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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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Weisheit Gottes wohl kennen lernen! Doch ein Jeder hat so
Etwas, wozu er besonders Lust hat.

So vertrieben die Hochzeitgäste den Tag. Wilhelm Stil-
ling und seine Braut verfügten sich auch nach Hause, und fin-
gen ihren Ehestand an; wovon ich im folgenden Kapitel meh-
reres sagen werde.

Stillings Töchter aber saßen in der Dämmerung unter dem
Kirschenbaum und sangen folgendes schöne weltliche Liedlein:

Es ritt ein Reiter wohl über's Feld,
Er hatte kein'n Freund, kein Gut, kein Geld.
Sein Schwesterlein war hübsch und fein.
"Ach Schwesterlein! ich sage dir Adie.
Ich sehe dich ja nimmermehr.
Ich reite weg, in ein fremdes Land.
Reich' du mir deine weiße Hand!"
Adie! Adie! Adie!
Ich sah, mein schönstes Brüderlein,
Ein buntig, artig Vögelein.
Es hüpfte im Wachholderbaum.
Ich warf's mit meinem Ringelein,
Es nahm ihn in sein Schnäbelein
Und flog weg in den Walde fort.
Adie! Adie! Adie!
"Schließ' du dein Schloß wohl feste zu,
Halt' dich fein still in guter Ruh.
Laß Niemand in dein Kämmerlein!
Der Ritter mit dem schwarzen Pferd
Hat dich zumalen lieb und werth.
Nimm dich vor ihm gar wohl in Acht!
Mannig Mägdlein hat er zu Fall gebracht."
Adie! Adie! Adie!
Das Mägdlein weinte bitterlich,
Der Bruder sah noch hinter sich,
Und grüßte sie noch einmal schön.
Da ging sie in ihr Kämmerlein,
Und konnte da nicht fröhlich seyn.
Den Ritter mit dem schwarzen Pferd
Hätt' sie vor allen lieb und werth.
Adie! Adie! Adie!

Weisheit Gottes wohl kennen lernen! Doch ein Jeder hat ſo
Etwas, wozu er beſonders Luſt hat.

So vertrieben die Hochzeitgaͤſte den Tag. Wilhelm Stil-
ling und ſeine Braut verfuͤgten ſich auch nach Hauſe, und fin-
gen ihren Eheſtand an; wovon ich im folgenden Kapitel meh-
reres ſagen werde.

Stillings Toͤchter aber ſaßen in der Daͤmmerung unter dem
Kirſchenbaum und ſangen folgendes ſchoͤne weltliche Liedlein:

Es ritt ein Reiter wohl uͤber’s Feld,
Er hatte kein’n Freund, kein Gut, kein Geld.
Sein Schweſterlein war huͤbſch und fein.
„Ach Schweſterlein! ich ſage dir Adie.
Ich ſehe dich ja nimmermehr.
Ich reite weg, in ein fremdes Land.
Reich’ du mir deine weiße Hand!“
Adie! Adie! Adie!
Ich ſah, mein ſchoͤnſtes Bruͤderlein,
Ein buntig, artig Voͤgelein.
Es huͤpfte im Wachholderbaum.
Ich warf’s mit meinem Ringelein,
Es nahm ihn in ſein Schnaͤbelein
Und flog weg in den Walde fort.
Adie! Adie! Adie!
„Schließ’ du dein Schloß wohl feſte zu,
Halt’ dich fein ſtill in guter Ruh.
Laß Niemand in dein Kaͤmmerlein!
Der Ritter mit dem ſchwarzen Pferd
Hat dich zumalen lieb und werth.
Nimm dich vor ihm gar wohl in Acht!
Mannig Maͤgdlein hat er zu Fall gebracht.“
Adie! Adie! Adie!
Das Maͤgdlein weinte bitterlich,
Der Bruder ſah noch hinter ſich,
Und gruͤßte ſie noch einmal ſchoͤn.
Da ging ſie in ihr Kaͤmmerlein,
Und konnte da nicht froͤhlich ſeyn.
Den Ritter mit dem ſchwarzen Pferd
Haͤtt’ ſie vor allen lieb und werth.
Adie! Adie! Adie!

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[40/0048] Weisheit Gottes wohl kennen lernen! Doch ein Jeder hat ſo Etwas, wozu er beſonders Luſt hat. So vertrieben die Hochzeitgaͤſte den Tag. Wilhelm Stil- ling und ſeine Braut verfuͤgten ſich auch nach Hauſe, und fin- gen ihren Eheſtand an; wovon ich im folgenden Kapitel meh- reres ſagen werde. Stillings Toͤchter aber ſaßen in der Daͤmmerung unter dem Kirſchenbaum und ſangen folgendes ſchoͤne weltliche Liedlein: Es ritt ein Reiter wohl uͤber’s Feld, Er hatte kein’n Freund, kein Gut, kein Geld. Sein Schweſterlein war huͤbſch und fein. „Ach Schweſterlein! ich ſage dir Adie. Ich ſehe dich ja nimmermehr. Ich reite weg, in ein fremdes Land. Reich’ du mir deine weiße Hand!“ Adie! Adie! Adie! Ich ſah, mein ſchoͤnſtes Bruͤderlein, Ein buntig, artig Voͤgelein. Es huͤpfte im Wachholderbaum. Ich warf’s mit meinem Ringelein, Es nahm ihn in ſein Schnaͤbelein Und flog weg in den Walde fort. Adie! Adie! Adie! „Schließ’ du dein Schloß wohl feſte zu, Halt’ dich fein ſtill in guter Ruh. Laß Niemand in dein Kaͤmmerlein! Der Ritter mit dem ſchwarzen Pferd Hat dich zumalen lieb und werth. Nimm dich vor ihm gar wohl in Acht! Mannig Maͤgdlein hat er zu Fall gebracht.“ Adie! Adie! Adie! Das Maͤgdlein weinte bitterlich, Der Bruder ſah noch hinter ſich, Und gruͤßte ſie noch einmal ſchoͤn. Da ging ſie in ihr Kaͤmmerlein, Und konnte da nicht froͤhlich ſeyn. Den Ritter mit dem ſchwarzen Pferd Haͤtt’ ſie vor allen lieb und werth. Adie! Adie! Adie!

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/48>, abgerufen am 21.11.2024.