zu verpflegen, aber für diese mäßige Bezahlung mußte denn doch Stilling sorgen; und diese wohlthätige Einrichtung hatte dann auch die beschwerliche Folge, daß Inländer und Auslän- der desto kühner ihre armen Blinden ohne Geld schickten, -- da gabs dann manche Glaubensprobe, aber der Herr hat sie auch alle herrlich legitimirt, wie der Verfolg zeigen wird.
Mitten im Sommer dieses 1798sten Jahres schrieb Dok- tor Wienholt in Bremen an Stilling, und ersuchte ihn, dorthin zu kommen, weil einige Staarblinde dort wären, die von ihm operirt zu werden wünschten: denn das Wohl- gelingen seiner Kuren wurde weit und breit bekannt, und be- sonders von denen, die in Marburg studirten, allenthalben erzählt. Stilling antwortete, daß er in den Herbstferien kommen wolle. Dieses geschahe denn auch, und Elise be- schloß, ihn zu begleiten, ungeachtet sie nicht recht wohl war; sie hatte dazu einen doppelten Grund, sie trennte sich nicht gern lange von ihrem Mann, und er hatte auch ihre Unter- stützung und Pflege nöthig, und dann wollte sie auch gern einmal die Stadt sehen, aus welcher ihre Vorfahren mütter- licher Seite herstammten: denn ihr Ahnherr war ein Brabän- ter, Namens Duising, welcher unter dem Herzog Alba ausgewandert war, und sich in Bremen niedergelassen hatte; hier lebten nun noch zwei liebe und in großem Ansehen ste- hende Vettern, die Gebrüder Meyer, beide Doktoren der Rechte, deren der Eine einer von den vier regierenden Bür- germeistern, und der Andere Sekretarius bei einem dortigen Kollegio war. Diese Verwandten wünschten auch sehr, daß sie die Marburger Freunde einmal besuchen möchten.
Stilling und Elise traten also Sonnabends den 22sten September 1798 die Reise nach Bremen an; das Uebel- befinden der guten Frau aber machte die Reise sehr ängstlich; er mußte den Postillonen ein gutes Trinkgeld geben, damit sie nur langsam fahren möchten, weil sie das schnelle Fahren durchaus nicht ertragen konnte. Sie machten die Reise über Hannover, wo sie von Stillings vertrautem Freund, dem Hof- und Consistorial-Rath Falk, herzlich empfangen und sehr freundschaftlich behandelt wurden. Freitags den 28sten
zu verpflegen, aber fuͤr dieſe maͤßige Bezahlung mußte denn doch Stilling ſorgen; und dieſe wohlthaͤtige Einrichtung hatte dann auch die beſchwerliche Folge, daß Inlaͤnder und Auslaͤn- der deſto kuͤhner ihre armen Blinden ohne Geld ſchickten, — da gabs dann manche Glaubensprobe, aber der Herr hat ſie auch alle herrlich legitimirt, wie der Verfolg zeigen wird.
Mitten im Sommer dieſes 1798ſten Jahres ſchrieb Dok- tor Wienholt in Bremen an Stilling, und erſuchte ihn, dorthin zu kommen, weil einige Staarblinde dort waͤren, die von ihm operirt zu werden wuͤnſchten: denn das Wohl- gelingen ſeiner Kuren wurde weit und breit bekannt, und be- ſonders von denen, die in Marburg ſtudirten, allenthalben erzaͤhlt. Stilling antwortete, daß er in den Herbſtferien kommen wolle. Dieſes geſchahe denn auch, und Eliſe be- ſchloß, ihn zu begleiten, ungeachtet ſie nicht recht wohl war; ſie hatte dazu einen doppelten Grund, ſie trennte ſich nicht gern lange von ihrem Mann, und er hatte auch ihre Unter- ſtuͤtzung und Pflege noͤthig, und dann wollte ſie auch gern einmal die Stadt ſehen, aus welcher ihre Vorfahren muͤtter- licher Seite herſtammten: denn ihr Ahnherr war ein Brabaͤn- ter, Namens Duiſing, welcher unter dem Herzog Alba ausgewandert war, und ſich in Bremen niedergelaſſen hatte; hier lebten nun noch zwei liebe und in großem Anſehen ſte- hende Vettern, die Gebruͤder Meyer, beide Doktoren der Rechte, deren der Eine einer von den vier regierenden Buͤr- germeiſtern, und der Andere Sekretarius bei einem dortigen Kollegio war. Dieſe Verwandten wuͤnſchten auch ſehr, daß ſie die Marburger Freunde einmal beſuchen moͤchten.
Stilling und Eliſe traten alſo Sonnabends den 22ſten September 1798 die Reiſe nach Bremen an; das Uebel- befinden der guten Frau aber machte die Reiſe ſehr aͤngſtlich; er mußte den Poſtillonen ein gutes Trinkgeld geben, damit ſie nur langſam fahren moͤchten, weil ſie das ſchnelle Fahren durchaus nicht ertragen konnte. Sie machten die Reiſe uͤber Hannover, wo ſie von Stillings vertrautem Freund, dem Hof- und Conſiſtorial-Rath Falk, herzlich empfangen und ſehr freundſchaftlich behandelt wurden. Freitags den 28ſten
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zu verpflegen, aber fuͤr dieſe maͤßige Bezahlung mußte denn
doch Stilling ſorgen; und dieſe wohlthaͤtige Einrichtung hatte
dann auch die beſchwerliche Folge, daß Inlaͤnder und Auslaͤn-
der deſto kuͤhner ihre armen Blinden ohne Geld ſchickten, —
da gabs dann manche Glaubensprobe, aber der Herr hat ſie
auch alle herrlich legitimirt, wie der Verfolg zeigen wird.
Mitten im Sommer dieſes 1798ſten Jahres ſchrieb Dok-
tor Wienholt in Bremen an Stilling, und erſuchte
ihn, dorthin zu kommen, weil einige Staarblinde dort waͤren,
die von ihm operirt zu werden wuͤnſchten: denn das Wohl-
gelingen ſeiner Kuren wurde weit und breit bekannt, und be-
ſonders von denen, die in Marburg ſtudirten, allenthalben
erzaͤhlt. Stilling antwortete, daß er in den Herbſtferien
kommen wolle. Dieſes geſchahe denn auch, und Eliſe be-
ſchloß, ihn zu begleiten, ungeachtet ſie nicht recht wohl war;
ſie hatte dazu einen doppelten Grund, ſie trennte ſich nicht
gern lange von ihrem Mann, und er hatte auch ihre Unter-
ſtuͤtzung und Pflege noͤthig, und dann wollte ſie auch gern
einmal die Stadt ſehen, aus welcher ihre Vorfahren muͤtter-
licher Seite herſtammten: denn ihr Ahnherr war ein Brabaͤn-
ter, Namens Duiſing, welcher unter dem Herzog Alba
ausgewandert war, und ſich in Bremen niedergelaſſen hatte;
hier lebten nun noch zwei liebe und in großem Anſehen ſte-
hende Vettern, die Gebruͤder Meyer, beide Doktoren der
Rechte, deren der Eine einer von den vier regierenden Buͤr-
germeiſtern, und der Andere Sekretarius bei einem dortigen
Kollegio war. Dieſe Verwandten wuͤnſchten auch ſehr, daß
ſie die Marburger Freunde einmal beſuchen moͤchten.
Stilling und Eliſe traten alſo Sonnabends den 22ſten
September 1798 die Reiſe nach Bremen an; das Uebel-
befinden der guten Frau aber machte die Reiſe ſehr aͤngſtlich;
er mußte den Poſtillonen ein gutes Trinkgeld geben, damit
ſie nur langſam fahren moͤchten, weil ſie das ſchnelle Fahren
durchaus nicht ertragen konnte. Sie machten die Reiſe uͤber
Hannover, wo ſie von Stillings vertrautem Freund,
dem Hof- und Conſiſtorial-Rath Falk, herzlich empfangen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/519>, abgerufen am 22.11.2024.
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