linget entschloß sich mit folgenden Worten zur Operation: Ich hatte mein Schicksal dem Herrn anheimge- stellt, und von ihm Hülfe erwartet, nun schickte er sie mir in's Haus, folglich will ich sie auch mit Dank annehmen.
Jetzt sahe Stilling nun auch die verehrungswürdige Gat- tin seines verklärten Bruderfreundes Lavaters -- ein Weib, das eines solchen Mannes werth war -- das Bild der erha- bendsten Christentugend -- Wahrlich, Lavaters Frau und Kinder sind Menschen der ersten Klasse. Am Abend reiste Stilling in Sulzers Begleitung wieder nach Winterthur.
Hier empfing Stilling ein Schreiben vom Magistrat zu Schaffhausen, in welchem er ihm sehr liebreich und verbindlich für die Wohlthaten dankte, die er einigen Unglück- lichen Ihrer Stadt bewiesen hatte. Am Tag seiner Abreise nach Zürich aber widerfuhr ihm noch eine besondere Ehre: des Mittags über Tisch im Frey'schen Hause, kam der Doktor Steiner, ein junger vortrefflicher Mann, der ein Mitglied des Magistrats war, und überreichte Stilling mit einer rührenden Rede, die er mit Thränen begleitete, im Namen der Stadt Winterthur, eine schwere, sehr schöne silberne Medaille in einer netten Kapsel, die ein Winterthu- rer Frauenzimmer verfertigt hatte. Auf dem Deckel dieser Kapsel stehen die Worte:
Aus des finstern Auges Thränenquellen Den starren Blick mit neuem Licht erhellen: Statt dunkler Nacht und ödem Grauen, Der Sonne prächtiges Licht zu schauen. Wer dich, o edler Stilling kennt, Der dankt dem Herrn für dieß, dein göttliches Talent.
Auf der einen Seite der Medaille steht im Lapidarsiyl eingegraben:
Dem christlichen Menschenfreund, Heinrich Stil- ling, Hofrath und Professor zu Marburg, von den Vorstehern der Gemeinde Winterthur, zu einem kleinen Denkmal seines segenreichen Auf- enthalts in dieser Stadt, im April des Jahrs
linget entſchloß ſich mit folgenden Worten zur Operation: Ich hatte mein Schickſal dem Herrn anheimge- ſtellt, und von ihm Huͤlfe erwartet, nun ſchickte er ſie mir in’s Haus, folglich will ich ſie auch mit Dank annehmen.
Jetzt ſahe Stilling nun auch die verehrungswuͤrdige Gat- tin ſeines verklaͤrten Bruderfreundes Lavaters — ein Weib, das eines ſolchen Mannes werth war — das Bild der erha- bendſten Chriſtentugend — Wahrlich, Lavaters Frau und Kinder ſind Menſchen der erſten Klaſſe. Am Abend reiste Stilling in Sulzers Begleitung wieder nach Winterthur.
Hier empfing Stilling ein Schreiben vom Magiſtrat zu Schaffhauſen, in welchem er ihm ſehr liebreich und verbindlich fuͤr die Wohlthaten dankte, die er einigen Ungluͤck- lichen Ihrer Stadt bewieſen hatte. Am Tag ſeiner Abreiſe nach Zuͤrich aber widerfuhr ihm noch eine beſondere Ehre: des Mittags uͤber Tiſch im Frey’ſchen Hauſe, kam der Doktor Steiner, ein junger vortrefflicher Mann, der ein Mitglied des Magiſtrats war, und uͤberreichte Stilling mit einer ruͤhrenden Rede, die er mit Thraͤnen begleitete, im Namen der Stadt Winterthur, eine ſchwere, ſehr ſchoͤne ſilberne Medaille in einer netten Kapſel, die ein Winterthu- rer Frauenzimmer verfertigt hatte. Auf dem Deckel dieſer Kapſel ſtehen die Worte:
Aus des finſtern Auges Thraͤnenquellen Den ſtarren Blick mit neuem Licht erhellen: Statt dunkler Nacht und ödem Grauen, Der Sonne prächtiges Licht zu ſchauen. Wer dich, o edler Stilling kennt, Der dankt dem Herrn für dieß, dein göttliches Talent.
Auf der einen Seite der Medaille ſteht im Lapidarſiyl eingegraben:
Dem chriſtlichen Menſchenfreund, Heinrich Stil- ling, Hofrath und Profeſſor zu Marburg, von den Vorſtehern der Gemeinde Winterthur, zu einem kleinen Denkmal ſeines ſegenreichen Auf- enthalts in dieſer Stadt, im April des Jahrs
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0542"n="534"/><hirendition="#g">linget</hi> entſchloß ſich mit folgenden Worten zur Operation:<lb/><hirendition="#g">Ich hatte mein Schickſal dem Herrn anheimge-<lb/>ſtellt, und von ihm Huͤlfe erwartet, nun ſchickte<lb/>
er ſie mir in’s Haus, folglich will ich ſie auch mit<lb/>
Dank annehmen</hi>.</p><lb/><p>Jetzt ſahe <hirendition="#g">Stilling</hi> nun auch die verehrungswuͤrdige Gat-<lb/>
tin ſeines verklaͤrten Bruderfreundes <hirendition="#g">Lavaters</hi>— ein Weib,<lb/>
das eines ſolchen Mannes werth war — das Bild der erha-<lb/>
bendſten Chriſtentugend — Wahrlich, <hirendition="#g">Lavaters</hi> Frau und<lb/>
Kinder ſind Menſchen der erſten Klaſſe. Am Abend reiste<lb/><hirendition="#g">Stilling</hi> in <hirendition="#g">Sulzers</hi> Begleitung wieder nach <hirendition="#g">Winterthur</hi>.</p><lb/><p>Hier empfing <hirendition="#g">Stilling</hi> ein Schreiben vom Magiſtrat<lb/>
zu <hirendition="#g">Schaffhauſen</hi>, in welchem er ihm ſehr liebreich und<lb/>
verbindlich fuͤr die Wohlthaten dankte, die er einigen Ungluͤck-<lb/>
lichen Ihrer Stadt bewieſen hatte. Am Tag ſeiner Abreiſe<lb/>
nach <hirendition="#g">Zuͤrich</hi> aber widerfuhr ihm noch eine beſondere Ehre:<lb/>
des Mittags uͤber Tiſch im <hirendition="#g">Frey</hi>’ſchen Hauſe, kam der<lb/>
Doktor <hirendition="#g">Steiner</hi>, ein junger vortrefflicher Mann, der ein<lb/>
Mitglied des Magiſtrats war, und uͤberreichte <hirendition="#g">Stilling</hi><lb/>
mit einer ruͤhrenden Rede, die er mit Thraͤnen begleitete, im<lb/>
Namen der Stadt <hirendition="#g">Winterthur</hi>, eine ſchwere, ſehr ſchoͤne<lb/>ſilberne Medaille in einer netten Kapſel, die ein Winterthu-<lb/>
rer Frauenzimmer verfertigt hatte. Auf dem Deckel dieſer<lb/>
Kapſel ſtehen die Worte:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Aus des finſtern Auges Thraͤnenquellen</l><lb/><l>Den ſtarren Blick mit neuem Licht erhellen:</l><lb/><l>Statt dunkler Nacht und ödem Grauen,</l><lb/><l>Der Sonne prächtiges Licht zu ſchauen.</l><lb/><l>Wer dich, o edler Stilling kennt,</l><lb/><l>Der dankt dem Herrn für dieß, dein göttliches Talent.</l></lg><lb/><p>Auf der einen Seite der Medaille ſteht im Lapidarſiyl<lb/>
eingegraben:</p><lb/><p><hirendition="#g">Dem chriſtlichen Menſchenfreund, Heinrich Stil-<lb/>
ling, Hofrath und Profeſſor zu Marburg, von<lb/>
den Vorſtehern der Gemeinde Winterthur, zu<lb/>
einem kleinen Denkmal ſeines ſegenreichen Auf-<lb/>
enthalts in dieſer Stadt, im April des Jahrs<lb/></hi></p></div></div></div></body></text></TEI>
[534/0542]
linget entſchloß ſich mit folgenden Worten zur Operation:
Ich hatte mein Schickſal dem Herrn anheimge-
ſtellt, und von ihm Huͤlfe erwartet, nun ſchickte
er ſie mir in’s Haus, folglich will ich ſie auch mit
Dank annehmen.
Jetzt ſahe Stilling nun auch die verehrungswuͤrdige Gat-
tin ſeines verklaͤrten Bruderfreundes Lavaters — ein Weib,
das eines ſolchen Mannes werth war — das Bild der erha-
bendſten Chriſtentugend — Wahrlich, Lavaters Frau und
Kinder ſind Menſchen der erſten Klaſſe. Am Abend reiste
Stilling in Sulzers Begleitung wieder nach Winterthur.
Hier empfing Stilling ein Schreiben vom Magiſtrat
zu Schaffhauſen, in welchem er ihm ſehr liebreich und
verbindlich fuͤr die Wohlthaten dankte, die er einigen Ungluͤck-
lichen Ihrer Stadt bewieſen hatte. Am Tag ſeiner Abreiſe
nach Zuͤrich aber widerfuhr ihm noch eine beſondere Ehre:
des Mittags uͤber Tiſch im Frey’ſchen Hauſe, kam der
Doktor Steiner, ein junger vortrefflicher Mann, der ein
Mitglied des Magiſtrats war, und uͤberreichte Stilling
mit einer ruͤhrenden Rede, die er mit Thraͤnen begleitete, im
Namen der Stadt Winterthur, eine ſchwere, ſehr ſchoͤne
ſilberne Medaille in einer netten Kapſel, die ein Winterthu-
rer Frauenzimmer verfertigt hatte. Auf dem Deckel dieſer
Kapſel ſtehen die Worte:
Aus des finſtern Auges Thraͤnenquellen
Den ſtarren Blick mit neuem Licht erhellen:
Statt dunkler Nacht und ödem Grauen,
Der Sonne prächtiges Licht zu ſchauen.
Wer dich, o edler Stilling kennt,
Der dankt dem Herrn für dieß, dein göttliches Talent.
Auf der einen Seite der Medaille ſteht im Lapidarſiyl
eingegraben:
Dem chriſtlichen Menſchenfreund, Heinrich Stil-
ling, Hofrath und Profeſſor zu Marburg, von
den Vorſtehern der Gemeinde Winterthur, zu
einem kleinen Denkmal ſeines ſegenreichen Auf-
enthalts in dieſer Stadt, im April des Jahrs
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/542>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.