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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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da er auch das wahre Christenthum liebt, so war er dort auch
mit wahren Christusverehrern bekannt geworden, hernach hatte er
sich dann in Waldstätt -- Rade vorm Wald, im Herzog-
thum Berg -- seiner Vaterstadt, als Schneidermeister nieder-
gelassen, seine Geschwister zu sich genommen, und mit ihnen haus-
gehalten; da er aber das Sitzen nicht vertragen konnte, so fing
er eine kleine Handelschaft an: ein braver Kaufmann gab ihm
Kredit, und so nährte er sich und seine Geschwister ehrlich und
redlich. Jetzt in diesem Sommer den 24. August kommt Feuer
aus, die ganze Stadt liegt in wenigen Stunden ganz in der Asche,
und den guten Kindern des frommen Isaacs war nicht allein
das, was ihnen selbst zugehörte, sondern auch der ganze Vorrath
erborgter Waaren verbrannt. Freund Becker -- so schreibt sich
eigentlich die Familie -- schrieb dieß Unglück nicht selbst an Stil-
ling
, dazu denkt er zu delicat; aber ein anderer Freund schrieb
ihm, und erinnerte ihn, was er dieser Familie schuldig sey --
Stilling gerieth in Verlegenheit; das, was er der Familie
schenken konnte, wenn er sich auch aufs stärkste angriff, war im-
mer nur eine Kleinigkeit für sie, und doch für ihn in seiner Lage
drückend; er schickte also Etwas, und da er gerade jetzt kurz vor
der Reise das 12. Stück des grauen Mannes schrieb, so fügte
er hinten eine Nachricht von diesem Unglück an, und bat um
mitleidsvolle Hülfe. Jetzt in Basel mußte nun Stilling
auf Ersuchen der Mitglieder von der deutschen Gesellschaft, eine
Erbauungsrede halten, wo etliche hundert Menschen versammelt
waren; am Schluß der Rede erinnerte Stilling an ihren
ehemaligen Freund, und erzählte sein Unglück: dieß wirkte so
viel, daß diesen Abend beinahe hundert Gulden gesammelt wurden,
die man Stilling brachte. Dieß war der hübsche Anfang einer
ansehnlichen Hülfe: denn die Erinnerung im 12. Stück des grauen
Mannes hat den Beckerischen Kindern ungefähr tausend,
und der Stadt Rade vorm Wald gegen fünfhundert Gulden
eingetragen, welches Geld alles an Stilling eingesendet wurde.

Ich erzähle dieses blos deßwegen, um zu beweisen, daß der
Herr für diejenigen, die sich ganz und unbedingt von Ihm führen
lassen, so vollkommen sorgt, daß sie durchaus alle Schulden,
auch sogar die Liebeserzeigungen, wieder erstatten können.


da er auch das wahre Chriſtenthum liebt, ſo war er dort auch
mit wahren Chriſtusverehrern bekannt geworden, hernach hatte er
ſich dann in Waldſtaͤtt — Rade vorm Wald, im Herzog-
thum Berg — ſeiner Vaterſtadt, als Schneidermeiſter nieder-
gelaſſen, ſeine Geſchwiſter zu ſich genommen, und mit ihnen haus-
gehalten; da er aber das Sitzen nicht vertragen konnte, ſo fing
er eine kleine Handelſchaft an: ein braver Kaufmann gab ihm
Kredit, und ſo naͤhrte er ſich und ſeine Geſchwiſter ehrlich und
redlich. Jetzt in dieſem Sommer den 24. Auguſt kommt Feuer
aus, die ganze Stadt liegt in wenigen Stunden ganz in der Aſche,
und den guten Kindern des frommen Iſaacs war nicht allein
das, was ihnen ſelbſt zugehoͤrte, ſondern auch der ganze Vorrath
erborgter Waaren verbrannt. Freund Becker — ſo ſchreibt ſich
eigentlich die Familie — ſchrieb dieß Ungluͤck nicht ſelbſt an Stil-
ling
, dazu denkt er zu delicat; aber ein anderer Freund ſchrieb
ihm, und erinnerte ihn, was er dieſer Familie ſchuldig ſey —
Stilling gerieth in Verlegenheit; das, was er der Familie
ſchenken konnte, wenn er ſich auch aufs ſtaͤrkſte angriff, war im-
mer nur eine Kleinigkeit fuͤr ſie, und doch fuͤr ihn in ſeiner Lage
druͤckend; er ſchickte alſo Etwas, und da er gerade jetzt kurz vor
der Reiſe das 12. Stuͤck des grauen Mannes ſchrieb, ſo fuͤgte
er hinten eine Nachricht von dieſem Ungluͤck an, und bat um
mitleidsvolle Huͤlfe. Jetzt in Baſel mußte nun Stilling
auf Erſuchen der Mitglieder von der deutſchen Geſellſchaft, eine
Erbauungsrede halten, wo etliche hundert Menſchen verſammelt
waren; am Schluß der Rede erinnerte Stilling an ihren
ehemaligen Freund, und erzaͤhlte ſein Ungluͤck: dieß wirkte ſo
viel, daß dieſen Abend beinahe hundert Gulden geſammelt wurden,
die man Stilling brachte. Dieß war der huͤbſche Anfang einer
anſehnlichen Huͤlfe: denn die Erinnerung im 12. Stuͤck des grauen
Mannes hat den Beckeriſchen Kindern ungefaͤhr tauſend,
und der Stadt Rade vorm Wald gegen fuͤnfhundert Gulden
eingetragen, welches Geld alles an Stilling eingeſendet wurde.

Ich erzaͤhle dieſes blos deßwegen, um zu beweiſen, daß der
Herr fuͤr diejenigen, die ſich ganz und unbedingt von Ihm fuͤhren
laſſen, ſo vollkommen ſorgt, daß ſie durchaus alle Schulden,
auch ſogar die Liebeserzeigungen, wieder erſtatten koͤnnen.


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[564/0572] da er auch das wahre Chriſtenthum liebt, ſo war er dort auch mit wahren Chriſtusverehrern bekannt geworden, hernach hatte er ſich dann in Waldſtaͤtt — Rade vorm Wald, im Herzog- thum Berg — ſeiner Vaterſtadt, als Schneidermeiſter nieder- gelaſſen, ſeine Geſchwiſter zu ſich genommen, und mit ihnen haus- gehalten; da er aber das Sitzen nicht vertragen konnte, ſo fing er eine kleine Handelſchaft an: ein braver Kaufmann gab ihm Kredit, und ſo naͤhrte er ſich und ſeine Geſchwiſter ehrlich und redlich. Jetzt in dieſem Sommer den 24. Auguſt kommt Feuer aus, die ganze Stadt liegt in wenigen Stunden ganz in der Aſche, und den guten Kindern des frommen Iſaacs war nicht allein das, was ihnen ſelbſt zugehoͤrte, ſondern auch der ganze Vorrath erborgter Waaren verbrannt. Freund Becker — ſo ſchreibt ſich eigentlich die Familie — ſchrieb dieß Ungluͤck nicht ſelbſt an Stil- ling, dazu denkt er zu delicat; aber ein anderer Freund ſchrieb ihm, und erinnerte ihn, was er dieſer Familie ſchuldig ſey — Stilling gerieth in Verlegenheit; das, was er der Familie ſchenken konnte, wenn er ſich auch aufs ſtaͤrkſte angriff, war im- mer nur eine Kleinigkeit fuͤr ſie, und doch fuͤr ihn in ſeiner Lage druͤckend; er ſchickte alſo Etwas, und da er gerade jetzt kurz vor der Reiſe das 12. Stuͤck des grauen Mannes ſchrieb, ſo fuͤgte er hinten eine Nachricht von dieſem Ungluͤck an, und bat um mitleidsvolle Huͤlfe. Jetzt in Baſel mußte nun Stilling auf Erſuchen der Mitglieder von der deutſchen Geſellſchaft, eine Erbauungsrede halten, wo etliche hundert Menſchen verſammelt waren; am Schluß der Rede erinnerte Stilling an ihren ehemaligen Freund, und erzaͤhlte ſein Ungluͤck: dieß wirkte ſo viel, daß dieſen Abend beinahe hundert Gulden geſammelt wurden, die man Stilling brachte. Dieß war der huͤbſche Anfang einer anſehnlichen Huͤlfe: denn die Erinnerung im 12. Stuͤck des grauen Mannes hat den Beckeriſchen Kindern ungefaͤhr tauſend, und der Stadt Rade vorm Wald gegen fuͤnfhundert Gulden eingetragen, welches Geld alles an Stilling eingeſendet wurde. Ich erzaͤhle dieſes blos deßwegen, um zu beweiſen, daß der Herr fuͤr diejenigen, die ſich ganz und unbedingt von Ihm fuͤhren laſſen, ſo vollkommen ſorgt, daß ſie durchaus alle Schulden, auch ſogar die Liebeserzeigungen, wieder erſtatten koͤnnen.

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/572>, abgerufen am 22.11.2024.