Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.Zweites Buch. Dieselbe Erscheinung zeigt sich auch sonst in der Geschichtedes menschlichen Geistes. So treten gewisse Grundformen phi- losophischer Erklärung der Welt und die ihnen entsprechenden Intelligenzen überall hervor, wo philosophirt wird, unter den disparatesten Verhältnissen, in Griechenland, Indien, im ara- bischen und christlichen Mittelalter, in der neueren Zeit, selbst in der jetzigen Naturwissenschaft. Sie sind in der Beschaffen- heit der Welt und des menschlichen Verstandes begründet, und können nicht aus zufälligen zeitlichen und biographischen Um- ständen abgeleitet werden. Es ist als ob die Natur jene ausserordentlichen Organisa- Volksfiguren. Von den ersten selbständigen Versuchen des jungen Malers Diese war gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts in Zweites Buch. Dieselbe Erscheinung zeigt sich auch sonst in der Geschichtedes menschlichen Geistes. So treten gewisse Grundformen phi- losophischer Erklärung der Welt und die ihnen entsprechenden Intelligenzen überall hervor, wo philosophirt wird, unter den disparatesten Verhältnissen, in Griechenland, Indien, im ara- bischen und christlichen Mittelalter, in der neueren Zeit, selbst in der jetzigen Naturwissenschaft. Sie sind in der Beschaffen- heit der Welt und des menschlichen Verstandes begründet, und können nicht aus zufälligen zeitlichen und biographischen Um- ständen abgeleitet werden. Es ist als ob die Natur jene ausserordentlichen Organisa- Volksfiguren. Von den ersten selbständigen Versuchen des jungen Malers Diese war gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0146" n="126"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch.</fw><lb/> Dieselbe Erscheinung zeigt sich auch sonst in der Geschichte<lb/> des menschlichen Geistes. So treten gewisse Grundformen phi-<lb/> losophischer Erklärung der Welt und die ihnen entsprechenden<lb/> Intelligenzen überall hervor, wo philosophirt wird, unter den<lb/> disparatesten Verhältnissen, in Griechenland, Indien, im ara-<lb/> bischen und christlichen Mittelalter, in der neueren Zeit, selbst<lb/> in der jetzigen Naturwissenschaft. Sie sind in der Beschaffen-<lb/> heit der Welt und des menschlichen Verstandes begründet, und<lb/> können nicht aus zufälligen zeitlichen und biographischen Um-<lb/> ständen abgeleitet werden.</p><lb/> <p>Es ist als ob die Natur jene ausserordentlichen Organisa-<lb/> tionen im Vorrath hätte und wenn sie sie braucht, in die Zeit<lb/> hineinwürfe. Oft ähneln sie sich wie Geschwister, obwol sie<lb/> durch Jahrtausende getrennt sind, während sie denen, unter<lb/> welchen sie aufgewachsen sind, die ihnen Meissel und Pinsel<lb/> in die Hand gegeben, fremd sind. Sie gleichen Gestirnen, die<lb/> sehr weite Bahnen durchkreisen und erst nach Jahrhunderten<lb/> wieder in die Erdnähe kommen.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Volksfiguren.</hi> </head><lb/> <p>Von den ersten selbständigen Versuchen des jungen Malers<lb/> stehen im Buche seines Schwiegervaters einige Nachrichten.<lb/> Der vorsichtige Mann wird über seinen ehemaligen Schüler, jetzt<lb/> angesehenen Hofmaler, gewiss nichts gedruckt haben, was diesem<lb/> nicht aus der Seele geschrieben war. Die Bemerkungen Pacheco’s<lb/> beziehen sich auf die <hi rendition="#i">Bodegones</hi>-Malerei.</p><lb/> <p>Diese war gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts in<lb/> Sevilla aufgekommen, und wol nicht bloss ein Erzeugniss des<lb/> steigenden Luxus. Es sind Scenen aus der Wirthschafts- und<lb/> Küchensphäre, Strassenfiguren, aber mit starker Betonung des<lb/> Elements des Stilllebens: Küchengeräth, Esswaaren, todte Vögel<lb/> und Fische. Der wiederauflebende Trieb, der Sichtbarkeit näher<lb/> auf den Leib zu rücken, führte die Maler auf Studien nach<lb/> dieser ihnen am bequemsten gelegenen „Natur“, und aus den<lb/> Studien wurden „Stücke“. Fünfzig Jahre früher waren die Hol-<lb/> länder so zu ihren <hi rendition="#i">Keucken-</hi> Stücken gekommen, Pieter Aertsen<lb/> war nach Van Mander auf diesem Wege Meister in der Farben-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0146]
Zweites Buch.
Dieselbe Erscheinung zeigt sich auch sonst in der Geschichte
des menschlichen Geistes. So treten gewisse Grundformen phi-
losophischer Erklärung der Welt und die ihnen entsprechenden
Intelligenzen überall hervor, wo philosophirt wird, unter den
disparatesten Verhältnissen, in Griechenland, Indien, im ara-
bischen und christlichen Mittelalter, in der neueren Zeit, selbst
in der jetzigen Naturwissenschaft. Sie sind in der Beschaffen-
heit der Welt und des menschlichen Verstandes begründet, und
können nicht aus zufälligen zeitlichen und biographischen Um-
ständen abgeleitet werden.
Es ist als ob die Natur jene ausserordentlichen Organisa-
tionen im Vorrath hätte und wenn sie sie braucht, in die Zeit
hineinwürfe. Oft ähneln sie sich wie Geschwister, obwol sie
durch Jahrtausende getrennt sind, während sie denen, unter
welchen sie aufgewachsen sind, die ihnen Meissel und Pinsel
in die Hand gegeben, fremd sind. Sie gleichen Gestirnen, die
sehr weite Bahnen durchkreisen und erst nach Jahrhunderten
wieder in die Erdnähe kommen.
Volksfiguren.
Von den ersten selbständigen Versuchen des jungen Malers
stehen im Buche seines Schwiegervaters einige Nachrichten.
Der vorsichtige Mann wird über seinen ehemaligen Schüler, jetzt
angesehenen Hofmaler, gewiss nichts gedruckt haben, was diesem
nicht aus der Seele geschrieben war. Die Bemerkungen Pacheco’s
beziehen sich auf die Bodegones-Malerei.
Diese war gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts in
Sevilla aufgekommen, und wol nicht bloss ein Erzeugniss des
steigenden Luxus. Es sind Scenen aus der Wirthschafts- und
Küchensphäre, Strassenfiguren, aber mit starker Betonung des
Elements des Stilllebens: Küchengeräth, Esswaaren, todte Vögel
und Fische. Der wiederauflebende Trieb, der Sichtbarkeit näher
auf den Leib zu rücken, führte die Maler auf Studien nach
dieser ihnen am bequemsten gelegenen „Natur“, und aus den
Studien wurden „Stücke“. Fünfzig Jahre früher waren die Hol-
länder so zu ihren Keucken- Stücken gekommen, Pieter Aertsen
war nach Van Mander auf diesem Wege Meister in der Farben-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |