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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Viertes Buch.
(ermitas), die der heil. Ines und Magdalena am Nordende, des
heil. Bruno und des Täufers Johannes, wo Olivares hauste und
mit dem Alchymisten Vincenzo Massimi Gold machte. Es waren
kleine Villen, mit Kapelle, Aussichtsthürmchen und Vogelhaus,
Labyrinthen, Grotten und Weihern und andern invenzioni bos-
chereccie
. Die merkwürdigste war die südöstliche des heil. An-
tonius, welche Diego Suarez, Sekretär von Portugal, vom Kauf-
preis der Titel und hidalguias seiner Nation erbaut hatte. Sie
stand an der Stelle der heutigen Fuente de la China, mitten im
Wasser.

Die Blumengärten lagen theils offen, theils in den Höfen,
die schönsten an der Ostseite des Palasts, von den Mauern des
alten Klosters beginnend -- der Garten des Prinzen, der Kö-
nigin und des Königs; neben diesem mittlern stand seit 1642 die
grosse Reiterstatue des regierenden Königs von Pietro Tacca.
Den Flor lieferte der Süden: Ende 1633 kamen dreizehn Wagen-
ladungen aus Valencia, in der ganzen Welt zusammengesucht;
selbst hier musste Italien helfen: der Cardinal Pio di Savoia in
Rom schickte seinen Gärtner Fabrizio mit Blumenzwiebeln, zehn-
tausend Dukaten werth.

"Hier sieht man farbenglühende Beete, wo der Rosmarin
Buchstaben formt, welche das Geheimniss ihrer verschlungenen
Blumen erklären. Ueber Vasen (tiestos) bemalter Talavera, die
das feinste Silber beschämen, erglühen Kronen von Nelken
umgeben von Basilien, gleich als sei die Erde österlich ge-
schmückt mit roth und grün geblümtem Taffet. Da sind
spiegelklare Quellen, Pfade gesäumt mit Rosen und Jasmin;
purpurn von den abgefallenen Blättern der Nelken; Anger, denen
Arabien alle seine Lilien überlassen zu haben scheint. Keine
erdenkliche Wonne, die diese Gärten nicht in sich schliessen."
Im Winter verirrte sich zuweilen ein Sommertag hierher: da sah
man die Beete im Flor, die kahlen Bäume voll Orangen, Calvil-
äpfeln, aragonesischen Birnen, Balsambüchschen und Zucker-
werk, den Weinstock voll Trauben und die Ufer voll Melonen1).

Sieben bis acht Teiche, auf Terrassen, durch sechs Fuss
breite, tiefe Kanäle (rio) verbunden, dienten zu Gondelfahrten.
Von diesen Wasserbauten ist noch übrig das grosse Bassin
(estanque grande oder ria, 1006 x 443 Fuss). Wenn sein Wasser

1) So schildert sie ein Jesuitenpater im Memorial historico espannol XV.
22. December 1638.

Viertes Buch.
(ermitas), die der heil. Inés und Magdalena am Nordende, des
heil. Bruno und des Täufers Johannes, wo Olivares hauste und
mit dem Alchymisten Vincenzo Massimi Gold machte. Es waren
kleine Villen, mit Kapelle, Aussichtsthürmchen und Vogelhaus,
Labyrinthen, Grotten und Weihern und andern invenzioni bos-
chereccie
. Die merkwürdigste war die südöstliche des heil. An-
tonius, welche Diego Suarez, Sekretär von Portugal, vom Kauf-
preis der Titel und hidalguías seiner Nation erbaut hatte. Sie
stand an der Stelle der heutigen Fuente de la China, mitten im
Wasser.

Die Blumengärten lagen theils offen, theils in den Höfen,
die schönsten an der Ostseite des Palasts, von den Mauern des
alten Klosters beginnend — der Garten des Prinzen, der Kö-
nigin und des Königs; neben diesem mittlern stand seit 1642 die
grosse Reiterstatue des regierenden Königs von Pietro Tacca.
Den Flor lieferte der Süden: Ende 1633 kamen dreizehn Wagen-
ladungen aus Valencia, in der ganzen Welt zusammengesucht;
selbst hier musste Italien helfen: der Cardinal Pio di Savoia in
Rom schickte seinen Gärtner Fabrizio mit Blumenzwiebeln, zehn-
tausend Dukaten werth.

„Hier sieht man farbenglühende Beete, wo der Rosmarin
Buchstaben formt, welche das Geheimniss ihrer verschlungenen
Blumen erklären. Ueber Vasen (tiestos) bemalter Talavera, die
das feinste Silber beschämen, erglühen Kronen von Nelken
umgeben von Basilien, gleich als sei die Erde österlich ge-
schmückt mit roth und grün geblümtem Taffet. Da sind
spiegelklare Quellen, Pfade gesäumt mit Rosen und Jasmin;
purpurn von den abgefallenen Blättern der Nelken; Anger, denen
Arabien alle seine Lilien überlassen zu haben scheint. Keine
erdenkliche Wonne, die diese Gärten nicht in sich schliessen.“
Im Winter verirrte sich zuweilen ein Sommertag hierher: da sah
man die Beete im Flor, die kahlen Bäume voll Orangen, Calvil-
äpfeln, aragonesischen Birnen, Balsambüchschen und Zucker-
werk, den Weinstock voll Trauben und die Ufer voll Melonen1).

Sieben bis acht Teiche, auf Terrassen, durch sechs Fuss
breite, tiefe Kanäle (rio) verbunden, dienten zu Gondelfahrten.
Von diesen Wasserbauten ist noch übrig das grosse Bassin
(estanque grande oder ria, 1006 × 443 Fuss). Wenn sein Wasser

1) So schildert sie ein Jesuitenpater im Memorial histórico español XV.
22. December 1638.
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[340/0366] Viertes Buch. (ermitas), die der heil. Inés und Magdalena am Nordende, des heil. Bruno und des Täufers Johannes, wo Olivares hauste und mit dem Alchymisten Vincenzo Massimi Gold machte. Es waren kleine Villen, mit Kapelle, Aussichtsthürmchen und Vogelhaus, Labyrinthen, Grotten und Weihern und andern invenzioni bos- chereccie. Die merkwürdigste war die südöstliche des heil. An- tonius, welche Diego Suarez, Sekretär von Portugal, vom Kauf- preis der Titel und hidalguías seiner Nation erbaut hatte. Sie stand an der Stelle der heutigen Fuente de la China, mitten im Wasser. Die Blumengärten lagen theils offen, theils in den Höfen, die schönsten an der Ostseite des Palasts, von den Mauern des alten Klosters beginnend — der Garten des Prinzen, der Kö- nigin und des Königs; neben diesem mittlern stand seit 1642 die grosse Reiterstatue des regierenden Königs von Pietro Tacca. Den Flor lieferte der Süden: Ende 1633 kamen dreizehn Wagen- ladungen aus Valencia, in der ganzen Welt zusammengesucht; selbst hier musste Italien helfen: der Cardinal Pio di Savoia in Rom schickte seinen Gärtner Fabrizio mit Blumenzwiebeln, zehn- tausend Dukaten werth. „Hier sieht man farbenglühende Beete, wo der Rosmarin Buchstaben formt, welche das Geheimniss ihrer verschlungenen Blumen erklären. Ueber Vasen (tiestos) bemalter Talavera, die das feinste Silber beschämen, erglühen Kronen von Nelken umgeben von Basilien, gleich als sei die Erde österlich ge- schmückt mit roth und grün geblümtem Taffet. Da sind spiegelklare Quellen, Pfade gesäumt mit Rosen und Jasmin; purpurn von den abgefallenen Blättern der Nelken; Anger, denen Arabien alle seine Lilien überlassen zu haben scheint. Keine erdenkliche Wonne, die diese Gärten nicht in sich schliessen.“ Im Winter verirrte sich zuweilen ein Sommertag hierher: da sah man die Beete im Flor, die kahlen Bäume voll Orangen, Calvil- äpfeln, aragonesischen Birnen, Balsambüchschen und Zucker- werk, den Weinstock voll Trauben und die Ufer voll Melonen 1). Sieben bis acht Teiche, auf Terrassen, durch sechs Fuss breite, tiefe Kanäle (rio) verbunden, dienten zu Gondelfahrten. Von diesen Wasserbauten ist noch übrig das grosse Bassin (estanque grande oder ria, 1006 × 443 Fuss). Wenn sein Wasser 1) So schildert sie ein Jesuitenpater im Memorial histórico español XV. 22. December 1638.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/366>, abgerufen am 24.11.2024.