Der alte Herr war selbst bei seinem schweren Leiden so empfänglich für taktvolle chistes, dass Fürsten in delikaten Sachen sich für einen Agenten unter dieser Maske besseres Ge- hör versprechen durften, als für beglaubigte Diplomaten. So erzählt der Venezianer Agostino Nani, dass im Jahre 1598 bei Gelegenheit der für die Hochzeit Alberts und Isabellens über- sandten Geschenke ein angeblicher Buffo des Grossherzogs Fer- dinand I an den Hof gekommen war, dessen florentinischer Witz ihm nicht nur die Zimmer Seiner Majestät sofort öffnete, sondern auch mit goldnen Ketten, Wagen und Pferden zum Besuch der Lustschlösser belohnt wurde. Man erkannte bald in ihm einen sehr schlauen (accortissimo) Unterhändler oder Kundschafter in Heirathssachen der schönen Nichte Seiner Hoheit1).
Das Inventar Philipp II weist eine grosse Zahl von Narren- bildern auf. Von Sanchez Coello war der alte Morata, im Freien sitzend, die Brille auf der Nase und in ein Buch vertieft, mit andern Bänden am Boden zerstreut; -- vielleicht das Vorbild des Primo. Ferner Martin de Aguas, einmal im bäurischen Filzmantel (gaban) mit weiss-roth-grünnen Streifen, gelben Strümpfen, die Narrenmütze in der Hand; das andremal in Blau, die Hand auf ein Kind gelegt, und umgeben von einem Neger, einem närrischen Knaben und Mädchen. Ein kleiner dicker Truhan Rollizo (d. h. walzenförmig) in orangegelber geschlitzter Tracht steht neben dem riesenhaften katalonischen Bauer Juan Biladon (?), dessen Gürtel fassend; letzterer hält in der Linken seine Pflug- schaar. Auch einen Zwerg des Don Carlos' Christobal Cornelio, in rothem Kleid, sah man dort.
Mehremale begegnet man der Magdalena Ruiz, einmal in schwarzer Hoftracht mit Spitzenmantille, weissen Aermeln, Fächer und Handschuhen. Sie gehörte der Prinzessin Juana von Por- tugal und scheint von ihr an die Infantin Isabel übergegangen zu sein. Auf einem Bildnisse der letztern steht sie neben dieser, die ihr die Hand auf den Kopf legt, einen grossen, hässlichen Altweiberkopf. Wer aber ist das niedliche Persönchen, wel- ches man auf dem Pourbus zugeschriebenen Bildniss der Tochter Philipp II in Hamptoncourt (343), wahrscheinlich von der Hand Pantoja's de la Cruz, erblickt?
Auch die Komik Neapels scheint vertreten gewesen zu sein,
1) Con la sua avveduta maniera nelle facetie, et piacevolezze s'ha aperto facile ingresso nelle stanze di Sua Maesta. Depesche vom 19. Mai 1598.
Die lustigen Personen.
Der alte Herr war selbst bei seinem schweren Leiden so empfänglich für taktvolle chistes, dass Fürsten in delikaten Sachen sich für einen Agenten unter dieser Maske besseres Ge- hör versprechen durften, als für beglaubigte Diplomaten. So erzählt der Venezianer Agostino Nani, dass im Jahre 1598 bei Gelegenheit der für die Hochzeit Alberts und Isabellens über- sandten Geschenke ein angeblicher Buffo des Grossherzogs Fer- dinand I an den Hof gekommen war, dessen florentinischer Witz ihm nicht nur die Zimmer Seiner Majestät sofort öffnete, sondern auch mit goldnen Ketten, Wagen und Pferden zum Besuch der Lustschlösser belohnt wurde. Man erkannte bald in ihm einen sehr schlauen (accortissimo) Unterhändler oder Kundschafter in Heirathssachen der schönen Nichte Seiner Hoheit1).
Das Inventar Philipp II weist eine grosse Zahl von Narren- bildern auf. Von Sanchez Coello war der alte Morata, im Freien sitzend, die Brille auf der Nase und in ein Buch vertieft, mit andern Bänden am Boden zerstreut; — vielleicht das Vorbild des Primo. Ferner Martin de Aguas, einmal im bäurischen Filzmantel (gaban) mit weiss-roth-grünnen Streifen, gelben Strümpfen, die Narrenmütze in der Hand; das andremal in Blau, die Hand auf ein Kind gelegt, und umgeben von einem Neger, einem närrischen Knaben und Mädchen. Ein kleiner dicker Truhan Rollizo (d. h. walzenförmig) in orangegelber geschlitzter Tracht steht neben dem riesenhaften katalonischen Bauer Juan Biladon (?), dessen Gürtel fassend; letzterer hält in der Linken seine Pflug- schaar. Auch einen Zwerg des Don Carlos’ Christóbal Cornelio, in rothem Kleid, sah man dort.
Mehremale begegnet man der Magdalena Ruiz, einmal in schwarzer Hoftracht mit Spitzenmantille, weissen Aermeln, Fächer und Handschuhen. Sie gehörte der Prinzessin Juana von Por- tugal und scheint von ihr an die Infantin Isabel übergegangen zu sein. Auf einem Bildnisse der letztern steht sie neben dieser, die ihr die Hand auf den Kopf legt, einen grossen, hässlichen Altweiberkopf. Wer aber ist das niedliche Persönchen, wel- ches man auf dem Pourbus zugeschriebenen Bildniss der Tochter Philipp II in Hamptoncourt (343), wahrscheinlich von der Hand Pantoja’s de la Cruz, erblickt?
Auch die Komik Neapels scheint vertreten gewesen zu sein,
1) Con la sua avveduta maniera nelle facetie, et piacevolezze s’ha aperto facile ingresso nelle stanze di Sua Maestà. Depesche vom 19. Mai 1598.
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hör versprechen durften, als für beglaubigte Diplomaten. So
erzählt der Venezianer Agostino Nani, dass im Jahre 1598 bei
Gelegenheit der für die Hochzeit Alberts und Isabellens über-
sandten Geschenke ein angeblicher Buffo des Grossherzogs Fer-
dinand I an den Hof gekommen war, dessen florentinischer Witz
ihm nicht nur die Zimmer Seiner Majestät sofort öffnete, sondern
auch mit goldnen Ketten, Wagen und Pferden zum Besuch der
Lustschlösser belohnt wurde. Man erkannte bald in ihm einen
sehr schlauen (accortissimo) Unterhändler oder Kundschafter in
Heirathssachen der schönen Nichte Seiner Hoheit 1).
Das Inventar Philipp II weist eine grosse Zahl von Narren-
bildern auf. Von Sanchez Coello war der alte Morata, im Freien
sitzend, die Brille auf der Nase und in ein Buch vertieft, mit
andern Bänden am Boden zerstreut; — vielleicht das Vorbild
des Primo. Ferner Martin de Aguas, einmal im bäurischen
Filzmantel (gaban) mit weiss-roth-grünnen Streifen, gelben
Strümpfen, die Narrenmütze in der Hand; das andremal in Blau,
die Hand auf ein Kind gelegt, und umgeben von einem Neger,
einem närrischen Knaben und Mädchen. Ein kleiner dicker Truhan
Rollizo (d. h. walzenförmig) in orangegelber geschlitzter Tracht
steht neben dem riesenhaften katalonischen Bauer Juan Biladon (?),
dessen Gürtel fassend; letzterer hält in der Linken seine Pflug-
schaar. Auch einen Zwerg des Don Carlos’ Christóbal Cornelio,
in rothem Kleid, sah man dort.
Mehremale begegnet man der Magdalena Ruiz, einmal in
schwarzer Hoftracht mit Spitzenmantille, weissen Aermeln, Fächer
und Handschuhen. Sie gehörte der Prinzessin Juana von Por-
tugal und scheint von ihr an die Infantin Isabel übergegangen
zu sein. Auf einem Bildnisse der letztern steht sie neben dieser,
die ihr die Hand auf den Kopf legt, einen grossen, hässlichen
Altweiberkopf. Wer aber ist das niedliche Persönchen, wel-
ches man auf dem Pourbus zugeschriebenen Bildniss der Tochter
Philipp II in Hamptoncourt (343), wahrscheinlich von der Hand
Pantoja’s de la Cruz, erblickt?
Auch die Komik Neapels scheint vertreten gewesen zu sein,
1) Con la sua avveduta maniera nelle facetie, et piacevolezze s’ha aperto
facile ingresso nelle stanze di Sua Maestà. Depesche vom 19. Mai 1598.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/363>, abgerufen am 27.11.2024.
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