Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

So viel künstelte ich stotternd heraus; sie antwortete mir mit einem leichten Compliment und sprach mit vieler Lebhaftigkeit und Fertigkeit von gleichgültigen Dingen. Ihre Ruhe gab mir allmählich die meinige wieder, und ich konnte sie mit prüfender Aufmerksamkeit betrachten.

Ich habe die Feder nicht ergriffen, um eine Anweisung für Zeichner zu schreiben, was zu einer vollendeten Gestalt gehört. Mag Constance sich zu dem Behuf in Kupfer stechen lassen, wenn ihr die Kunst so am Herzen liegt. Aber ich fand keinen, durchaus keinen Tadel -- diese Formen, diese Taille, diese Farbe, gehörten keinem Lande als dem der Schönheit an, und nur das braune Haar, das in üppigen Locken um den weißen Nacken floß, und die braunen flammenden Augen konnten für ein Zeichen der Verwandtschaft mit Frankreich gelten.

Wie bereute ich die Schmähungen, die ich in Hamburg ausgestoßen hatte, als ich erfuhr, daß mir eine Französin bestimmt sei! Wie schmähte ich jetzt auf die Demoiselles Sörgel, Wattermann, Funk und Adler, welche so unglücklich waren, mir damals zur Vergleichung einzufallen! Meine Bewunderung vermehrte sich, als sie, ohne Prahlerei und Affectation, mir allmählich ihre Geschicklichkeiten enthüllte. Sie sang, sie spielte, sie zeichnete meisterhaft.

Es währte einige Tage, eh' ich in ihrer Gesellschaft ohne Beklommenheit sein konnte. Allmählich half

So viel künstelte ich stotternd heraus; sie antwortete mir mit einem leichten Compliment und sprach mit vieler Lebhaftigkeit und Fertigkeit von gleichgültigen Dingen. Ihre Ruhe gab mir allmählich die meinige wieder, und ich konnte sie mit prüfender Aufmerksamkeit betrachten.

Ich habe die Feder nicht ergriffen, um eine Anweisung für Zeichner zu schreiben, was zu einer vollendeten Gestalt gehört. Mag Constance sich zu dem Behuf in Kupfer stechen lassen, wenn ihr die Kunst so am Herzen liegt. Aber ich fand keinen, durchaus keinen Tadel — diese Formen, diese Taille, diese Farbe, gehörten keinem Lande als dem der Schönheit an, und nur das braune Haar, das in üppigen Locken um den weißen Nacken floß, und die braunen flammenden Augen konnten für ein Zeichen der Verwandtschaft mit Frankreich gelten.

Wie bereute ich die Schmähungen, die ich in Hamburg ausgestoßen hatte, als ich erfuhr, daß mir eine Französin bestimmt sei! Wie schmähte ich jetzt auf die Demoiselles Sörgel, Wattermann, Funk und Adler, welche so unglücklich waren, mir damals zur Vergleichung einzufallen! Meine Bewunderung vermehrte sich, als sie, ohne Prahlerei und Affectation, mir allmählich ihre Geschicklichkeiten enthüllte. Sie sang, sie spielte, sie zeichnete meisterhaft.

Es währte einige Tage, eh' ich in ihrer Gesellschaft ohne Beklommenheit sein konnte. Allmählich half

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="9">
        <pb facs="#f0036"/>
        <p>So viel künstelte ich stotternd heraus; sie antwortete mir mit einem leichten                Compliment und sprach mit vieler Lebhaftigkeit und Fertigkeit von gleichgültigen                Dingen. Ihre Ruhe gab mir allmählich die meinige wieder, und ich konnte sie mit                prüfender Aufmerksamkeit betrachten.</p><lb/>
        <p>Ich habe die Feder nicht ergriffen, um eine Anweisung für Zeichner zu schreiben, was                zu einer vollendeten Gestalt gehört. Mag Constance sich zu dem Behuf in Kupfer                stechen lassen, wenn ihr die Kunst so am Herzen liegt. Aber ich fand keinen, durchaus                keinen Tadel &#x2014; diese Formen, diese Taille, diese Farbe, gehörten keinem Lande als dem                der Schönheit an, und nur das braune Haar, das in üppigen Locken um den weißen Nacken                floß, und die braunen flammenden Augen konnten für ein Zeichen der Verwandtschaft mit                Frankreich gelten.</p><lb/>
        <p>Wie bereute ich die Schmähungen, die ich in Hamburg ausgestoßen hatte, als ich                erfuhr, daß mir eine Französin bestimmt sei! Wie schmähte ich jetzt auf die                Demoiselles Sörgel, Wattermann, Funk und Adler, welche so unglücklich waren, mir                damals zur Vergleichung einzufallen! Meine Bewunderung vermehrte sich, als sie, ohne                Prahlerei und Affectation, mir allmählich ihre Geschicklichkeiten enthüllte. Sie                sang, sie spielte, sie zeichnete meisterhaft.</p><lb/>
        <p>Es währte einige Tage, eh' ich in ihrer Gesellschaft ohne Beklommenheit sein konnte.                Allmählich half<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0036] So viel künstelte ich stotternd heraus; sie antwortete mir mit einem leichten Compliment und sprach mit vieler Lebhaftigkeit und Fertigkeit von gleichgültigen Dingen. Ihre Ruhe gab mir allmählich die meinige wieder, und ich konnte sie mit prüfender Aufmerksamkeit betrachten. Ich habe die Feder nicht ergriffen, um eine Anweisung für Zeichner zu schreiben, was zu einer vollendeten Gestalt gehört. Mag Constance sich zu dem Behuf in Kupfer stechen lassen, wenn ihr die Kunst so am Herzen liegt. Aber ich fand keinen, durchaus keinen Tadel — diese Formen, diese Taille, diese Farbe, gehörten keinem Lande als dem der Schönheit an, und nur das braune Haar, das in üppigen Locken um den weißen Nacken floß, und die braunen flammenden Augen konnten für ein Zeichen der Verwandtschaft mit Frankreich gelten. Wie bereute ich die Schmähungen, die ich in Hamburg ausgestoßen hatte, als ich erfuhr, daß mir eine Französin bestimmt sei! Wie schmähte ich jetzt auf die Demoiselles Sörgel, Wattermann, Funk und Adler, welche so unglücklich waren, mir damals zur Vergleichung einzufallen! Meine Bewunderung vermehrte sich, als sie, ohne Prahlerei und Affectation, mir allmählich ihre Geschicklichkeiten enthüllte. Sie sang, sie spielte, sie zeichnete meisterhaft. Es währte einige Tage, eh' ich in ihrer Gesellschaft ohne Beklommenheit sein konnte. Allmählich half

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:26:46Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:26:46Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/36
Zitationshilfe: Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/36>, abgerufen am 28.04.2024.