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Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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theilte Constancen meine Küsse und Seufzer, Angeliquen meine Unterhaltung zu. Aber jene Stoffe, so sehr sie mich entzückten, jene zärtlichen Seufzer, so sanft sie meine Brust beklemmten, blieben bei der Wiederholung immer dieselben; Angeliquens Unterhaltungen im Gegentheil nahmen stets eine neue und angenehmere Wendung. So oft ich Jene ansah, hob sich meine Brust von zärtlichem Verlangen; so oft ich Dieser zuhörte, flog meine ganze Seele der reizenden Schwätzerin zu. Einige Zeit blieb das Gleichgewicht -- allmählich fing die Schale an, wechselsweise zu sinken und zu steigen -- und abermals nach vierzehn Tagen seit meiner Verlobung liebte ich die schone Constance nur, wenn ich sie sah; aber das Bild der einnehmenden Angelique beschäftigte mein zärtliches Andenken in der Einsamkeit so gut, als in ihrer Nähe. Was mich dabei am meisten Wunder nahm, war, daß Constance das Abnehmen meiner Neigung nicht mit Mißfallen, und Angelique das Zunehmen nicht mit merklichem Wohlgefallen aufzunehmen schien.

11.

Mr. Gerson sagte zu alledem nichts. Er arbeitet den Tag aus seinem Comtoir und war nur Abends in unserer Gesellschaft. In diesen Stunden häuslicher Freude überließ er sich der seinigen ganz, indem er an unsern Scherzen und Spielen Antheil nahm; und ich fand, daß der kleine Aesop, wie er sich selbst oft

theilte Constancen meine Küsse und Seufzer, Angeliquen meine Unterhaltung zu. Aber jene Stoffe, so sehr sie mich entzückten, jene zärtlichen Seufzer, so sanft sie meine Brust beklemmten, blieben bei der Wiederholung immer dieselben; Angeliquens Unterhaltungen im Gegentheil nahmen stets eine neue und angenehmere Wendung. So oft ich Jene ansah, hob sich meine Brust von zärtlichem Verlangen; so oft ich Dieser zuhörte, flog meine ganze Seele der reizenden Schwätzerin zu. Einige Zeit blieb das Gleichgewicht — allmählich fing die Schale an, wechselsweise zu sinken und zu steigen — und abermals nach vierzehn Tagen seit meiner Verlobung liebte ich die schone Constance nur, wenn ich sie sah; aber das Bild der einnehmenden Angelique beschäftigte mein zärtliches Andenken in der Einsamkeit so gut, als in ihrer Nähe. Was mich dabei am meisten Wunder nahm, war, daß Constance das Abnehmen meiner Neigung nicht mit Mißfallen, und Angelique das Zunehmen nicht mit merklichem Wohlgefallen aufzunehmen schien.

11.

Mr. Gerson sagte zu alledem nichts. Er arbeitet den Tag aus seinem Comtoir und war nur Abends in unserer Gesellschaft. In diesen Stunden häuslicher Freude überließ er sich der seinigen ganz, indem er an unsern Scherzen und Spielen Antheil nahm; und ich fand, daß der kleine Aesop, wie er sich selbst oft

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[0041] theilte Constancen meine Küsse und Seufzer, Angeliquen meine Unterhaltung zu. Aber jene Stoffe, so sehr sie mich entzückten, jene zärtlichen Seufzer, so sanft sie meine Brust beklemmten, blieben bei der Wiederholung immer dieselben; Angeliquens Unterhaltungen im Gegentheil nahmen stets eine neue und angenehmere Wendung. So oft ich Jene ansah, hob sich meine Brust von zärtlichem Verlangen; so oft ich Dieser zuhörte, flog meine ganze Seele der reizenden Schwätzerin zu. Einige Zeit blieb das Gleichgewicht — allmählich fing die Schale an, wechselsweise zu sinken und zu steigen — und abermals nach vierzehn Tagen seit meiner Verlobung liebte ich die schone Constance nur, wenn ich sie sah; aber das Bild der einnehmenden Angelique beschäftigte mein zärtliches Andenken in der Einsamkeit so gut, als in ihrer Nähe. Was mich dabei am meisten Wunder nahm, war, daß Constance das Abnehmen meiner Neigung nicht mit Mißfallen, und Angelique das Zunehmen nicht mit merklichem Wohlgefallen aufzunehmen schien. 11. Mr. Gerson sagte zu alledem nichts. Er arbeitet den Tag aus seinem Comtoir und war nur Abends in unserer Gesellschaft. In diesen Stunden häuslicher Freude überließ er sich der seinigen ganz, indem er an unsern Scherzen und Spielen Antheil nahm; und ich fand, daß der kleine Aesop, wie er sich selbst oft

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:26:46Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:26:46Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/41>, abgerufen am 21.11.2024.