Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Es ist hart, es ist unerträglich, sagte er, von der liebenswürdigsten Person auf Erden so starke Versicherungen ihrer Liebe erhalten zu haben und sich doch getäuscht zu sehen.

Sie wissen, ich kann nichts dafür.

Ich glaube es kaum.

Pfui, schämen Sie sich! Sie kränken mich mit Absicht; Sie wissen so gut als ich, wie nachdrücklich mein Vater uns allen jede Verbindung untersagt hat, weil er sich dem Vater des Herrn Waltmann verbindlich gemacht hatte.

Eine thörichte Verbindlichkeit!

Das ist seine Sache. Sie verfolgten mich mit Ihrer Liebe -- der Wahlherr blieb aus, und da glaubte ich selbst wählen zu dürfen, und wählte Sie, weil Sie mir gefielen. Endlich kam er doch.

O daß er ewig weggeblieben wäre!

Ich würde ihn nicht vermißt haben. Dieser große blauäugige Deutsche ist so keck, aber nicht so höflich, wie ein Franzose; seine Liebe ist gebieterisch, und wenn er mit meinem Vater getrunken hat, muß man sich vor ihm fürchten. Aber soll ich meinen Vater deßwegen erzürnen? Sie wissen, wie fest er auf seinem Sinn besteht, und ich muß zufrieden sein, wenn nicht einem liebenswürdigen, doch einem erträglichen Manne zuerkannt zu sein.

Ach, welche Qualen lassen Sie mich ausstehen! Diese Reize, die ich anbete, sollen das Eigenthum eines

Es ist hart, es ist unerträglich, sagte er, von der liebenswürdigsten Person auf Erden so starke Versicherungen ihrer Liebe erhalten zu haben und sich doch getäuscht zu sehen.

Sie wissen, ich kann nichts dafür.

Ich glaube es kaum.

Pfui, schämen Sie sich! Sie kränken mich mit Absicht; Sie wissen so gut als ich, wie nachdrücklich mein Vater uns allen jede Verbindung untersagt hat, weil er sich dem Vater des Herrn Waltmann verbindlich gemacht hatte.

Eine thörichte Verbindlichkeit!

Das ist seine Sache. Sie verfolgten mich mit Ihrer Liebe — der Wahlherr blieb aus, und da glaubte ich selbst wählen zu dürfen, und wählte Sie, weil Sie mir gefielen. Endlich kam er doch.

O daß er ewig weggeblieben wäre!

Ich würde ihn nicht vermißt haben. Dieser große blauäugige Deutsche ist so keck, aber nicht so höflich, wie ein Franzose; seine Liebe ist gebieterisch, und wenn er mit meinem Vater getrunken hat, muß man sich vor ihm fürchten. Aber soll ich meinen Vater deßwegen erzürnen? Sie wissen, wie fest er auf seinem Sinn besteht, und ich muß zufrieden sein, wenn nicht einem liebenswürdigen, doch einem erträglichen Manne zuerkannt zu sein.

Ach, welche Qualen lassen Sie mich ausstehen! Diese Reize, die ich anbete, sollen das Eigenthum eines

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="11">
        <pb facs="#f0043"/>
        <p>Es ist hart, es ist unerträglich, sagte er, von der liebenswürdigsten Person auf                Erden so starke Versicherungen ihrer Liebe erhalten zu haben und sich doch getäuscht                zu sehen.</p><lb/>
        <p>Sie wissen, ich kann nichts dafür.</p><lb/>
        <p>Ich glaube es kaum.</p><lb/>
        <p>Pfui, schämen Sie sich! Sie kränken mich mit Absicht; Sie wissen so gut als ich, wie                nachdrücklich mein Vater uns allen jede Verbindung untersagt hat, weil er sich dem                Vater des Herrn Waltmann verbindlich gemacht hatte.</p><lb/>
        <p>Eine thörichte Verbindlichkeit!</p><lb/>
        <p>Das ist seine Sache. Sie verfolgten mich mit Ihrer Liebe &#x2014; der Wahlherr blieb aus,                und da glaubte ich selbst wählen zu dürfen, und wählte Sie, weil Sie mir gefielen.                Endlich kam er doch.</p><lb/>
        <p>O daß er ewig weggeblieben wäre!</p><lb/>
        <p>Ich würde ihn nicht vermißt haben. Dieser große blauäugige Deutsche ist so keck, aber                nicht so höflich, wie ein Franzose; seine Liebe ist gebieterisch, und wenn er mit                meinem Vater getrunken hat, muß man sich vor ihm fürchten. Aber soll ich meinen Vater                deßwegen erzürnen? Sie wissen, wie fest er auf seinem Sinn besteht, und ich muß                zufrieden sein, wenn nicht einem liebenswürdigen, doch einem erträglichen Manne                zuerkannt zu sein.</p><lb/>
        <p>Ach, welche Qualen lassen Sie mich ausstehen! Diese Reize, die ich anbete, sollen das                Eigenthum eines<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0043] Es ist hart, es ist unerträglich, sagte er, von der liebenswürdigsten Person auf Erden so starke Versicherungen ihrer Liebe erhalten zu haben und sich doch getäuscht zu sehen. Sie wissen, ich kann nichts dafür. Ich glaube es kaum. Pfui, schämen Sie sich! Sie kränken mich mit Absicht; Sie wissen so gut als ich, wie nachdrücklich mein Vater uns allen jede Verbindung untersagt hat, weil er sich dem Vater des Herrn Waltmann verbindlich gemacht hatte. Eine thörichte Verbindlichkeit! Das ist seine Sache. Sie verfolgten mich mit Ihrer Liebe — der Wahlherr blieb aus, und da glaubte ich selbst wählen zu dürfen, und wählte Sie, weil Sie mir gefielen. Endlich kam er doch. O daß er ewig weggeblieben wäre! Ich würde ihn nicht vermißt haben. Dieser große blauäugige Deutsche ist so keck, aber nicht so höflich, wie ein Franzose; seine Liebe ist gebieterisch, und wenn er mit meinem Vater getrunken hat, muß man sich vor ihm fürchten. Aber soll ich meinen Vater deßwegen erzürnen? Sie wissen, wie fest er auf seinem Sinn besteht, und ich muß zufrieden sein, wenn nicht einem liebenswürdigen, doch einem erträglichen Manne zuerkannt zu sein. Ach, welche Qualen lassen Sie mich ausstehen! Diese Reize, die ich anbete, sollen das Eigenthum eines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:26:46Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:26:46Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/43
Zitationshilfe: Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/43>, abgerufen am 21.11.2024.