Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

durch litt, ich hatte den Verdruß, zu sehen, daß die ganze Familie sich an unsern Kriegen ergötzte, und mußte ihr Gelächter auf meine Rechnung nehmen, weil ich zu deutlich fühlte, daß ich der verlierende Theil war.

Noch hatte ich nicht den letzten Grad der Folter erfahren. Der Onkel aus Rochelle, in dessen Hause Angelique gewesen war, kam mit einem jungen Menschen, der auch ein Cousin sein sollte, zum Besuche. Angelique umarmte Beide, und mein scharfes Bräutigamsauge glaubte in den Blicken des Cousins einen Grad zärtlicher Bewegung zu lesen, der für einen Cousin zu stark schien.

Es freut mich recht, daß Sie da sind, Cousin, sagte sie zu ihm; hier ist mein Bräutigam, Mr. Waltmann aus Hamburg. Ich habe ihn noch wenig anders, als mit Worten, kränken können; jetzt will ich mich durch Sie für alles Unheil rächen, das er mir nach der Trauung anthun wird.

Der junge Mann erröthete und erwiderte einige nichtssagende Complimente.

Ich erkläre Sie hiermit feierlich für meinen Cicisbeo; denn die italienische Sitte gefällt mir, seit wir in Frankreich deutsche Bräutigams haben. Sie sollen über unsere Streitigkeiten entscheiden, weil ich voraussetze, daß Sie mir alle Mal Recht geben werden. Sie sollen den Schlüssel zu meinem Zimmer haben, Sie sollen neben mir stehen und sitzen, um mich gegen ihn zu vertheidigen. Er heirathet mich

durch litt, ich hatte den Verdruß, zu sehen, daß die ganze Familie sich an unsern Kriegen ergötzte, und mußte ihr Gelächter auf meine Rechnung nehmen, weil ich zu deutlich fühlte, daß ich der verlierende Theil war.

Noch hatte ich nicht den letzten Grad der Folter erfahren. Der Onkel aus Rochelle, in dessen Hause Angelique gewesen war, kam mit einem jungen Menschen, der auch ein Cousin sein sollte, zum Besuche. Angelique umarmte Beide, und mein scharfes Bräutigamsauge glaubte in den Blicken des Cousins einen Grad zärtlicher Bewegung zu lesen, der für einen Cousin zu stark schien.

Es freut mich recht, daß Sie da sind, Cousin, sagte sie zu ihm; hier ist mein Bräutigam, Mr. Waltmann aus Hamburg. Ich habe ihn noch wenig anders, als mit Worten, kränken können; jetzt will ich mich durch Sie für alles Unheil rächen, das er mir nach der Trauung anthun wird.

Der junge Mann erröthete und erwiderte einige nichtssagende Complimente.

Ich erkläre Sie hiermit feierlich für meinen Cicisbeo; denn die italienische Sitte gefällt mir, seit wir in Frankreich deutsche Bräutigams haben. Sie sollen über unsere Streitigkeiten entscheiden, weil ich voraussetze, daß Sie mir alle Mal Recht geben werden. Sie sollen den Schlüssel zu meinem Zimmer haben, Sie sollen neben mir stehen und sitzen, um mich gegen ihn zu vertheidigen. Er heirathet mich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="14">
        <p><pb facs="#f0049"/>
durch litt, ich hatte den                Verdruß, zu sehen, daß die ganze Familie sich an unsern Kriegen ergötzte, und mußte                ihr Gelächter auf meine Rechnung nehmen, weil ich zu deutlich fühlte, daß ich der                verlierende Theil war.</p><lb/>
        <p>Noch hatte ich nicht den letzten Grad der Folter erfahren. Der Onkel aus Rochelle, in                dessen Hause Angelique gewesen war, kam mit einem jungen Menschen, der auch ein                Cousin sein sollte, zum Besuche. Angelique umarmte Beide, und mein scharfes                Bräutigamsauge glaubte in den Blicken des Cousins einen Grad zärtlicher Bewegung zu                lesen, der für einen Cousin zu stark schien.</p><lb/>
        <p>Es freut mich recht, daß Sie da sind, Cousin, sagte sie zu ihm; hier ist mein                Bräutigam, Mr. Waltmann aus Hamburg. Ich habe ihn noch wenig anders, als mit Worten,                kränken können; jetzt will ich mich durch Sie für alles Unheil rächen, das er mir                nach der Trauung anthun wird.</p><lb/>
        <p>Der junge Mann erröthete und erwiderte einige nichtssagende Complimente.</p><lb/>
        <p>Ich erkläre Sie hiermit feierlich für meinen Cicisbeo; denn die italienische Sitte                gefällt mir, seit wir in Frankreich deutsche Bräutigams haben. Sie sollen über unsere                Streitigkeiten entscheiden, weil ich voraussetze, daß Sie mir alle Mal Recht geben                werden. Sie sollen den Schlüssel zu meinem Zimmer haben, Sie sollen neben mir stehen                und sitzen, um mich gegen ihn zu vertheidigen. Er heirathet mich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0049] durch litt, ich hatte den Verdruß, zu sehen, daß die ganze Familie sich an unsern Kriegen ergötzte, und mußte ihr Gelächter auf meine Rechnung nehmen, weil ich zu deutlich fühlte, daß ich der verlierende Theil war. Noch hatte ich nicht den letzten Grad der Folter erfahren. Der Onkel aus Rochelle, in dessen Hause Angelique gewesen war, kam mit einem jungen Menschen, der auch ein Cousin sein sollte, zum Besuche. Angelique umarmte Beide, und mein scharfes Bräutigamsauge glaubte in den Blicken des Cousins einen Grad zärtlicher Bewegung zu lesen, der für einen Cousin zu stark schien. Es freut mich recht, daß Sie da sind, Cousin, sagte sie zu ihm; hier ist mein Bräutigam, Mr. Waltmann aus Hamburg. Ich habe ihn noch wenig anders, als mit Worten, kränken können; jetzt will ich mich durch Sie für alles Unheil rächen, das er mir nach der Trauung anthun wird. Der junge Mann erröthete und erwiderte einige nichtssagende Complimente. Ich erkläre Sie hiermit feierlich für meinen Cicisbeo; denn die italienische Sitte gefällt mir, seit wir in Frankreich deutsche Bräutigams haben. Sie sollen über unsere Streitigkeiten entscheiden, weil ich voraussetze, daß Sie mir alle Mal Recht geben werden. Sie sollen den Schlüssel zu meinem Zimmer haben, Sie sollen neben mir stehen und sitzen, um mich gegen ihn zu vertheidigen. Er heirathet mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:26:46Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:26:46Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/49
Zitationshilfe: Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/49>, abgerufen am 28.04.2024.