Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.oder die kurze, runde, braune Mamsell Watermann? oder die reiche, einäugige Mamsell Funk? oder die schöne, einfältige Mamsell Adler? oder -- die -- witzige -- Meine Gedanken verloren sich, und der Schlaf neigte meinen Kopf, wie Blei; ich war im Begriff, aus einer senkrechten Linie ziemlich schnell eine wagerechte zu bilden, als ich erwachte und klug genug war, mich aufs Bett zu werfen, wo ich bald in den Armen des Schlafes die Schönen in Bordeaux, wie die in Hamburg vergaß. 2. Heinrich! -- schallte es in meine Ohren. Ich sprang auf, rieb mir die Augen und sah starr vor mich hin; mein Vater stand vor mir. Willst du dich nicht anziehen? es ist elf Uhr, dein Koffer ist gepackt, und das Essen ist fertig. Der Wind steht gut, es ist um jede Minute Schade. Ich sah mich dämisch um -- auf einem Stuhle lagen Reisekleider -- mein Vater ging, und Georg, mein Bedienter, kam und half mich aus- und wieder anziehen. Kömmst du mit? fragte ich ihn. Ja, Herr Waltmann. Das ist gut! rief ich getröstet; denn es gab keinen größeren Schelm, aber auch keine treuere Seele, als meinen Georg. Mein Vater bezahlte ihn, daß oder die kurze, runde, braune Mamsell Watermann? oder die reiche, einäugige Mamsell Funk? oder die schöne, einfältige Mamsell Adler? oder — die — witzige — Meine Gedanken verloren sich, und der Schlaf neigte meinen Kopf, wie Blei; ich war im Begriff, aus einer senkrechten Linie ziemlich schnell eine wagerechte zu bilden, als ich erwachte und klug genug war, mich aufs Bett zu werfen, wo ich bald in den Armen des Schlafes die Schönen in Bordeaux, wie die in Hamburg vergaß. 2. Heinrich! — schallte es in meine Ohren. Ich sprang auf, rieb mir die Augen und sah starr vor mich hin; mein Vater stand vor mir. Willst du dich nicht anziehen? es ist elf Uhr, dein Koffer ist gepackt, und das Essen ist fertig. Der Wind steht gut, es ist um jede Minute Schade. Ich sah mich dämisch um — auf einem Stuhle lagen Reisekleider — mein Vater ging, und Georg, mein Bedienter, kam und half mich aus- und wieder anziehen. Kömmst du mit? fragte ich ihn. Ja, Herr Waltmann. Das ist gut! rief ich getröstet; denn es gab keinen größeren Schelm, aber auch keine treuere Seele, als meinen Georg. Mein Vater bezahlte ihn, daß <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0009"/> oder die kurze, runde, braune Mamsell Watermann? oder die reiche, einäugige Mamsell Funk? oder die schöne, einfältige Mamsell Adler? oder — die — witzige —</p><lb/> <p>Meine Gedanken verloren sich, und der Schlaf neigte meinen Kopf, wie Blei; ich war im Begriff, aus einer senkrechten Linie ziemlich schnell eine wagerechte zu bilden, als ich erwachte und klug genug war, mich aufs Bett zu werfen, wo ich bald in den Armen des Schlafes die Schönen in Bordeaux, wie die in Hamburg vergaß.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="2"> <head>2.</head> <p>Heinrich! — schallte es in meine Ohren. Ich sprang auf, rieb mir die Augen und sah starr vor mich hin; mein Vater stand vor mir.</p><lb/> <p>Willst du dich nicht anziehen? es ist elf Uhr, dein Koffer ist gepackt, und das Essen ist fertig. Der Wind steht gut, es ist um jede Minute Schade.</p><lb/> <p>Ich sah mich dämisch um — auf einem Stuhle lagen Reisekleider — mein Vater ging, und Georg, mein Bedienter, kam und half mich aus- und wieder anziehen.</p><lb/> <p>Kömmst du mit? fragte ich ihn.</p><lb/> <p>Ja, Herr Waltmann.</p><lb/> <p>Das ist gut! rief ich getröstet; denn es gab keinen größeren Schelm, aber auch keine treuere Seele, als meinen Georg. Mein Vater bezahlte ihn, daß<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0009]
oder die kurze, runde, braune Mamsell Watermann? oder die reiche, einäugige Mamsell Funk? oder die schöne, einfältige Mamsell Adler? oder — die — witzige —
Meine Gedanken verloren sich, und der Schlaf neigte meinen Kopf, wie Blei; ich war im Begriff, aus einer senkrechten Linie ziemlich schnell eine wagerechte zu bilden, als ich erwachte und klug genug war, mich aufs Bett zu werfen, wo ich bald in den Armen des Schlafes die Schönen in Bordeaux, wie die in Hamburg vergaß.
2. Heinrich! — schallte es in meine Ohren. Ich sprang auf, rieb mir die Augen und sah starr vor mich hin; mein Vater stand vor mir.
Willst du dich nicht anziehen? es ist elf Uhr, dein Koffer ist gepackt, und das Essen ist fertig. Der Wind steht gut, es ist um jede Minute Schade.
Ich sah mich dämisch um — auf einem Stuhle lagen Reisekleider — mein Vater ging, und Georg, mein Bedienter, kam und half mich aus- und wieder anziehen.
Kömmst du mit? fragte ich ihn.
Ja, Herr Waltmann.
Das ist gut! rief ich getröstet; denn es gab keinen größeren Schelm, aber auch keine treuere Seele, als meinen Georg. Mein Vater bezahlte ihn, daß
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Zitationshilfe: | Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/9>, abgerufen am 16.07.2024. |