Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.Kämpfers Geschichte von Japan. Erstes Buch. standen wären. Dies läst sich aber schwerlich annehmen, da die Geschichte und Lebenszeitdieser Götter sehr weit über die Erschaffung der Welt hinausgeht, und also einen zu weiten Strich in die Ewigkeit hineinläuft. Es scheint indessen bei dieser ganzen Chronologie, daß die Japaner den Aegyp- Jndes wissen die guten Leute doch nichts befriedigendes zu antworten, wenn man Soviel ist gewis, daß die Sineser in dieser Absicht einen sehr großen Vorzug vor Da aber damals in diesem Lande schon eine so mächtige Monarchie gestiftet wurde, nere
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch. ſtanden waͤren. Dies laͤſt ſich aber ſchwerlich annehmen, da die Geſchichte und Lebenszeitdieſer Goͤtter ſehr weit uͤber die Erſchaffung der Welt hinausgeht, und alſo einen zu weiten Strich in die Ewigkeit hineinlaͤuft. Es ſcheint indeſſen bei dieſer ganzen Chronologie, daß die Japaner den Aegyp- Jndes wiſſen die guten Leute doch nichts befriedigendes zu antworten, wenn man Soviel iſt gewis, daß die Sineſer in dieſer Abſicht einen ſehr großen Vorzug vor Da aber damals in dieſem Lande ſchon eine ſo maͤchtige Monarchie geſtiftet wurde, nere
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0204" n="116"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.</hi></fw><lb/> ſtanden waͤren. Dies laͤſt ſich aber ſchwerlich annehmen, da die Geſchichte und Lebenszeit<lb/> dieſer Goͤtter ſehr weit uͤber die Erſchaffung der Welt hinausgeht, und alſo einen zu weiten<lb/> Strich in die Ewigkeit hineinlaͤuft.</p><lb/> <p>Es ſcheint indeſſen bei dieſer ganzen Chronologie, daß die <hi rendition="#fr">Japaner</hi> den <hi rendition="#fr">Aegyp-<lb/> tern, Chaldaͤern, Brahmanen</hi> und andern, die aus Ruͤhmſucht und Nacheiferung immer<lb/> ihre eigne Nation und Beherrſcher alt machten, nicht haben nachgeben, den <hi rendition="#fr">Sineſern</hi> ih-<lb/> ren Nachbarn aber es haben zuvor thun wollen. Daher haben ſie den erdichteten Stifter<lb/> ihres Gefchlechts den <hi rendition="#fr">Tenſio Dai Dſin</hi> dem erſten und erdichteten Stifter der <hi rendition="#fr">Sineſer,</hi><lb/> dem <hi rendition="#fr">Sin Kwo Si</hi> (oder <hi rendition="#fr">Tien Hoam Tſji</hi> nach ſineſiſcher Ausſprache) noch viele 1000<lb/> Jahre in ihren Chronologien vorgeſezt. Sie wolten ohne Zweifel beſonders dadurch der<lb/> Lehre, daß ſie von den Sineſern herſtamten, vorbeugen und verhuͤten, daß ihnen ihr Erz-<lb/> vater nicht genommen und zu einem Fremden gemacht wuͤrde. Zu noch groͤßerer Sicher-<lb/> heit haben ſie dennoch das noch aͤltere Stamregiſter der unkoͤrperlichen Goͤtter vorhergehn<lb/> laſſen, und dieſen ihre Entſtehung in dem Urſprunge und Erſchaffung aller Dinge angewieſen.<lb/> Hierdurch glaubten ſie ſich dann hinlaͤnglich zu einer ganz unabhaͤngigen, urſpruͤnglichen<lb/> Nation erhoben zu haben.</p><lb/> <p>Jndes wiſſen die guten Leute doch nichts befriedigendes zu antworten, wenn man<lb/> ihnen einige Einwuͤrfe wider die Wahrheit ihrer angeblichen Geſchichte macht; z. E. wenn<lb/> man ſie nach der Urſache fraͤgt, warum doch <hi rendition="#fr">Twa Dſedſuno,</hi> der lezte ihrer ſo großen<lb/> und volkomnen Menſchgoͤtter, ein ſo ſchwaches Geſchlecht der jetzigen kurzlebenden Menſchen<lb/> habe hervorbringen koͤnnen? Eben ſo wenig wiſſen ſie es zu erklaͤren, warum man vor ih-<lb/> rem erſten wuͤrklichen Kaiſer gar nichts von dem Zuſtande ihres Volks, ihres Landes und<lb/> ihrer Vorfahren beſchrieben finde? Dies hat in der That ſogar einige ihrer eignen Schrift-<lb/> ſteller bewogen, daß ſie dieſe <hi rendition="#fr">japaniſche kleine Welt Ataraſy Kokf</hi> oder <hi rendition="#fr">Sinkokf</hi> d. i.<lb/><hi rendition="#fr">Neuland</hi> nennen, als waͤre es zur Zeit dieſes erſten Kaiſers zuerſt entdekt und bevoͤlkert<lb/> worden.</p><lb/> <p>Soviel iſt gewis, daß die Sineſer in dieſer Abſicht einen ſehr großen Vorzug vor<lb/> den <hi rendition="#fr">Japanern</hi> haben. Der erſtern ihre Zeitrechnung geht auf mehr als 4000 Jahre von<lb/> jezt hinaus. Seit dieſer Zeit haben ſie beſtaͤndig ihre Geſchichte, Kaiſer, deren Alter und<lb/> Regierung nebſt vielen denkwuͤrdigen Reichsbegebenheiten aufgezeichnet. Jn <hi rendition="#fr">Japan</hi> aber<lb/> hat man dieſes erſt 660 Jahr vor Chriſti Geburt, von der Zeit ihres erſten <hi rendition="#fr">Odai</hi> oder<lb/><hi rendition="#fr">Mikaddo</hi> zu thun angefangen.</p><lb/> <p>Da aber damals in dieſem Lande ſchon eine ſo maͤchtige Monarchie geſtiftet wurde,<lb/> da ſchon einige Menſchenalter hernach, nach dem Zeugnis ihrer Chroniken, hier große in-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">nere</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0204]
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
ſtanden waͤren. Dies laͤſt ſich aber ſchwerlich annehmen, da die Geſchichte und Lebenszeit
dieſer Goͤtter ſehr weit uͤber die Erſchaffung der Welt hinausgeht, und alſo einen zu weiten
Strich in die Ewigkeit hineinlaͤuft.
Es ſcheint indeſſen bei dieſer ganzen Chronologie, daß die Japaner den Aegyp-
tern, Chaldaͤern, Brahmanen und andern, die aus Ruͤhmſucht und Nacheiferung immer
ihre eigne Nation und Beherrſcher alt machten, nicht haben nachgeben, den Sineſern ih-
ren Nachbarn aber es haben zuvor thun wollen. Daher haben ſie den erdichteten Stifter
ihres Gefchlechts den Tenſio Dai Dſin dem erſten und erdichteten Stifter der Sineſer,
dem Sin Kwo Si (oder Tien Hoam Tſji nach ſineſiſcher Ausſprache) noch viele 1000
Jahre in ihren Chronologien vorgeſezt. Sie wolten ohne Zweifel beſonders dadurch der
Lehre, daß ſie von den Sineſern herſtamten, vorbeugen und verhuͤten, daß ihnen ihr Erz-
vater nicht genommen und zu einem Fremden gemacht wuͤrde. Zu noch groͤßerer Sicher-
heit haben ſie dennoch das noch aͤltere Stamregiſter der unkoͤrperlichen Goͤtter vorhergehn
laſſen, und dieſen ihre Entſtehung in dem Urſprunge und Erſchaffung aller Dinge angewieſen.
Hierdurch glaubten ſie ſich dann hinlaͤnglich zu einer ganz unabhaͤngigen, urſpruͤnglichen
Nation erhoben zu haben.
Jndes wiſſen die guten Leute doch nichts befriedigendes zu antworten, wenn man
ihnen einige Einwuͤrfe wider die Wahrheit ihrer angeblichen Geſchichte macht; z. E. wenn
man ſie nach der Urſache fraͤgt, warum doch Twa Dſedſuno, der lezte ihrer ſo großen
und volkomnen Menſchgoͤtter, ein ſo ſchwaches Geſchlecht der jetzigen kurzlebenden Menſchen
habe hervorbringen koͤnnen? Eben ſo wenig wiſſen ſie es zu erklaͤren, warum man vor ih-
rem erſten wuͤrklichen Kaiſer gar nichts von dem Zuſtande ihres Volks, ihres Landes und
ihrer Vorfahren beſchrieben finde? Dies hat in der That ſogar einige ihrer eignen Schrift-
ſteller bewogen, daß ſie dieſe japaniſche kleine Welt Ataraſy Kokf oder Sinkokf d. i.
Neuland nennen, als waͤre es zur Zeit dieſes erſten Kaiſers zuerſt entdekt und bevoͤlkert
worden.
Soviel iſt gewis, daß die Sineſer in dieſer Abſicht einen ſehr großen Vorzug vor
den Japanern haben. Der erſtern ihre Zeitrechnung geht auf mehr als 4000 Jahre von
jezt hinaus. Seit dieſer Zeit haben ſie beſtaͤndig ihre Geſchichte, Kaiſer, deren Alter und
Regierung nebſt vielen denkwuͤrdigen Reichsbegebenheiten aufgezeichnet. Jn Japan aber
hat man dieſes erſt 660 Jahr vor Chriſti Geburt, von der Zeit ihres erſten Odai oder
Mikaddo zu thun angefangen.
Da aber damals in dieſem Lande ſchon eine ſo maͤchtige Monarchie geſtiftet wurde,
da ſchon einige Menſchenalter hernach, nach dem Zeugnis ihrer Chroniken, hier große in-
nere
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |