und uns dadurch glaubend machte, daß er dem Oberbenjosen als ein Richter und Aufseher beigeordnet sey; wie denn auch diese politische Maxime in allen dergleichen Vorfällen im ganzen Reiche gebräuchlich ist, daß man auf solche Art ein Mistrauen des einen Bedienten gegen den andern zu erwecken sucht, damit wegen der daher entstehenden Furcht, verrathen zu werden, ein jeder seinem Amte und Stande ein Genüge thun, und also die Regie- rung des Staats desto bevestigter werden möge.
Den 29 April war der Wind zwar abwechselnd, doch günstig genug, um eine Meile zur Seite der Stadt und Kastels Sjensj des Nachmittags Anker werfen zu können. Des Abends bei der Kühlung segelten wir zwar von hier wieder ab, musten aber bald wegen des widrigen Windes unter dem Lande den Anker wieder fallen lassen.
Den 30 April hatten wir uns früh Morgens kaum von der Stelle gemacht, als ein nachtheiliger Wind verursachte, an die linker Hand vor uns liegende Küste von Bungo zu setzen, um alda einen sechs Meilen von Simonosecki entfernten Hafen zu erreichen, allein ein plöz- licher harter Sturm nöthigte uns nebst andern Segeln nur in aller Eile Land zu suchen; und so geschahe es, daß wir unter völligem Sturme des Mittags in den sechs Meilen von Sjensj und 18 Meilen von Simonosecki entfernten Hasen Muggo oder Mukko, mit dem Dorfe von dem großen und hohen Vorgebürge also genant, zu Anker kamen. Der Mund die- ses Orts war enge, der Hafen selbst breit und flach, ja bei der Ebbe des Meers so trocken, daß die Einwohner daselbst die Muscheln auflesen konten. Jn der ganzen Gegend herrschten wegen der Lage der Berge unstete Winde. Gegenüber eine Meile nach Norden hin war das Städtchen Mita ziri, sechs Japanische Meilen von Sjensj und 18 von Simonosecki gele- gen. Wir sahen heute zu verschiedenen malen kleine Walfische, welche die Holländer Nord- kapers nennen. Ein Landesherr mit sieben Segeln im blauen Felde zog uns vorbei, wir aber musten wegen des anhaltenden Sturms, nebst acht andern Barken, in dem Hafen übernachten.
Den 1 May des Morgens früh legten sich einige Barken des Landesherrn von Tsukingo bei uns vor Anker. Um fünf Uhr Nachmittags, da sich ein etwas günstiger Landwind erhob, segelten wir alsbald aus, und in wenigen Stunden bis auf eine Meile hinter oder jenseit Motto Jamma, von da brachten uns bald unsere Ruder, bald unsere Segel bei spätem Abend vor Simonosecki.
Den 2 May fuhren wir mit zwei Lustbarken von Simonosecki ab nach Kokura, nachdem wir vorher linker Hand den Ort passirt, wo der Dairi im vorigen Jahrhundert seine Residenz gehabt. Kokura, wo wir zu Mittag speiseten, hatte jezt und seit der Ver- theilung der Provinz, worin es gelegen, von seinem ehemaligen blühenden Zustande sehr vieles verloren. Es bestehet aus drei besondern kleinen Städten, und war nach der einen schmalen Seite am Rande des Meers hin rechter Hand mit einem steinernen Walle und einer
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Zweiter Band. R r
Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.
und uns dadurch glaubend machte, daß er dem Oberbenjoſen als ein Richter und Aufſeher beigeordnet ſey; wie denn auch dieſe politiſche Maxime in allen dergleichen Vorfaͤllen im ganzen Reiche gebraͤuchlich iſt, daß man auf ſolche Art ein Mistrauen des einen Bedienten gegen den andern zu erwecken ſucht, damit wegen der daher entſtehenden Furcht, verrathen zu werden, ein jeder ſeinem Amte und Stande ein Genuͤge thun, und alſo die Regie- rung des Staats deſto beveſtigter werden moͤge.
Den 29 April war der Wind zwar abwechſelnd, doch guͤnſtig genug, um eine Meile zur Seite der Stadt und Kaſtels Sjenſj des Nachmittags Anker werfen zu koͤnnen. Des Abends bei der Kuͤhlung ſegelten wir zwar von hier wieder ab, muſten aber bald wegen des widrigen Windes unter dem Lande den Anker wieder fallen laſſen.
Den 30 April hatten wir uns fruͤh Morgens kaum von der Stelle gemacht, als ein nachtheiliger Wind verurſachte, an die linker Hand vor uns liegende Kuͤſte von Bungo zu ſetzen, um alda einen ſechs Meilen von Simonoſecki entfernten Hafen zu erreichen, allein ein ploͤz- licher harter Sturm noͤthigte uns nebſt andern Segeln nur in aller Eile Land zu ſuchen; und ſo geſchahe es, daß wir unter voͤlligem Sturme des Mittags in den ſechs Meilen von Sjenſj und 18 Meilen von Simonoſecki entfernten Haſen Muggo oder Mukko, mit dem Dorfe von dem großen und hohen Vorgebuͤrge alſo genant, zu Anker kamen. Der Mund die- ſes Orts war enge, der Hafen ſelbſt breit und flach, ja bei der Ebbe des Meers ſo trocken, daß die Einwohner daſelbſt die Muſcheln aufleſen konten. Jn der ganzen Gegend herrſchten wegen der Lage der Berge unſtete Winde. Gegenuͤber eine Meile nach Norden hin war das Staͤdtchen Mita ziri, ſechs Japaniſche Meilen von Sjenſj und 18 von Simonoſecki gele- gen. Wir ſahen heute zu verſchiedenen malen kleine Walfiſche, welche die Hollaͤnder Nord- kapers nennen. Ein Landesherr mit ſieben Segeln im blauen Felde zog uns vorbei, wir aber muſten wegen des anhaltenden Sturms, nebſt acht andern Barken, in dem Hafen uͤbernachten.
Den 1 May des Morgens fruͤh legten ſich einige Barken des Landesherrn von Tſukingo bei uns vor Anker. Um fuͤnf Uhr Nachmittags, da ſich ein etwas guͤnſtiger Landwind erhob, ſegelten wir alsbald aus, und in wenigen Stunden bis auf eine Meile hinter oder jenſeit Motto Jamma, von da brachten uns bald unſere Ruder, bald unſere Segel bei ſpaͤtem Abend vor Simonoſecki.
Den 2 May fuhren wir mit zwei Luſtbarken von Simonoſecki ab nach Kokura, nachdem wir vorher linker Hand den Ort paſſirt, wo der Dairi im vorigen Jahrhundert ſeine Reſidenz gehabt. Kokura, wo wir zu Mittag ſpeiſeten, hatte jezt und ſeit der Ver- theilung der Provinz, worin es gelegen, von ſeinem ehemaligen bluͤhenden Zuſtande ſehr vieles verloren. Es beſtehet aus drei beſondern kleinen Staͤdten, und war nach der einen ſchmalen Seite am Rande des Meers hin rechter Hand mit einem ſteinernen Walle und einer
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Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.
und uns dadurch glaubend machte, daß er dem Oberbenjoſen als ein Richter und Aufſeher
beigeordnet ſey; wie denn auch dieſe politiſche Maxime in allen dergleichen Vorfaͤllen im
ganzen Reiche gebraͤuchlich iſt, daß man auf ſolche Art ein Mistrauen des einen Bedienten
gegen den andern zu erwecken ſucht, damit wegen der daher entſtehenden Furcht, verrathen
zu werden, ein jeder ſeinem Amte und Stande ein Genuͤge thun, und alſo die Regie-
rung des Staats deſto beveſtigter werden moͤge.
Den 29 April war der Wind zwar abwechſelnd, doch guͤnſtig genug, um eine Meile
zur Seite der Stadt und Kaſtels Sjenſj des Nachmittags Anker werfen zu koͤnnen. Des
Abends bei der Kuͤhlung ſegelten wir zwar von hier wieder ab, muſten aber bald wegen des
widrigen Windes unter dem Lande den Anker wieder fallen laſſen.
Den 30 April hatten wir uns fruͤh Morgens kaum von der Stelle gemacht, als ein
nachtheiliger Wind verurſachte, an die linker Hand vor uns liegende Kuͤſte von Bungo zu ſetzen,
um alda einen ſechs Meilen von Simonoſecki entfernten Hafen zu erreichen, allein ein ploͤz-
licher harter Sturm noͤthigte uns nebſt andern Segeln nur in aller Eile Land zu ſuchen; und
ſo geſchahe es, daß wir unter voͤlligem Sturme des Mittags in den ſechs Meilen von Sjenſj
und 18 Meilen von Simonoſecki entfernten Haſen Muggo oder Mukko, mit dem Dorfe
von dem großen und hohen Vorgebuͤrge alſo genant, zu Anker kamen. Der Mund die-
ſes Orts war enge, der Hafen ſelbſt breit und flach, ja bei der Ebbe des Meers ſo trocken,
daß die Einwohner daſelbſt die Muſcheln aufleſen konten. Jn der ganzen Gegend herrſchten wegen
der Lage der Berge unſtete Winde. Gegenuͤber eine Meile nach Norden hin war das
Staͤdtchen Mita ziri, ſechs Japaniſche Meilen von Sjenſj und 18 von Simonoſecki gele-
gen. Wir ſahen heute zu verſchiedenen malen kleine Walfiſche, welche die Hollaͤnder Nord-
kapers nennen. Ein Landesherr mit ſieben Segeln im blauen Felde zog uns vorbei, wir
aber muſten wegen des anhaltenden Sturms, nebſt acht andern Barken, in dem Hafen
uͤbernachten.
Den 1 May des Morgens fruͤh legten ſich einige Barken des Landesherrn von
Tſukingo bei uns vor Anker. Um fuͤnf Uhr Nachmittags, da ſich ein etwas guͤnſtiger
Landwind erhob, ſegelten wir alsbald aus, und in wenigen Stunden bis auf eine Meile
hinter oder jenſeit Motto Jamma, von da brachten uns bald unſere Ruder, bald unſere
Segel bei ſpaͤtem Abend vor Simonoſecki.
Den 2 May fuhren wir mit zwei Luſtbarken von Simonoſecki ab nach Kokura,
nachdem wir vorher linker Hand den Ort paſſirt, wo der Dairi im vorigen Jahrhundert
ſeine Reſidenz gehabt. Kokura, wo wir zu Mittag ſpeiſeten, hatte jezt und ſeit der Ver-
theilung der Provinz, worin es gelegen, von ſeinem ehemaligen bluͤhenden Zuſtande ſehr
vieles verloren. Es beſtehet aus drei beſondern kleinen Staͤdten, und war nach der einen
ſchmalen Seite am Rande des Meers hin rechter Hand mit einem ſteinernen Walle und einer
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/359>, abgerufen am 22.06.2024.
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