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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der übrigen Welt.
schlagungen und häuslichen Angelegenheiten zu erforschen; Haß und Neigung, so wie sie es
ihrem Jnteresse dienlich finden, bald anzuflammen, bald zu tilgen. Die Einkünfte, Ar-
beiten und Unternehmungen jedes Bedienten sind ihrem scharfsichtigen, Alles übersehenden
Geiste nie verborgen, diese Geschichte, die Absichten und Denkart der Gouverneurs, das
Verfahren und die Urtheile der Gerichte. Alles ist den japanisthen Regenten bekannt.

Durch diese Mittel glaubten sie es dahin gebracht zu haben, daß im Jnneren des
Landes nicht leicht Aufruhr und Unruhen entstehen würden; und dachten nun darauf, auch
ähnliche Uebel, die ihnen außerhalb ihres Reichs entstehn könnten, zu verhindern.

Diese wirklich unüberwindlichen Monarchen wandten daher alle mögliche Bemühun-
gen an, um die Glückseligkeit ihres errichteten Staats volständig zu machen, die eingeführte
Ruhe und die einmal beliebte Verfassung auf ewige Zeiten zu bevestigen, damit auch die
späteste Nachwelt ihnen keine Versäumung oder Nachläßigkeit solte Schuld geben können,
durch die gemeiniglich die Staaten untergehn, obgleich die Politiker oft den Fehler des er-
sten Stifters mit einem schädlichen Einfluß des Himmels oder einer fatalen Periode für die
Staaten zu entschuldigen pflegen. Deshalb wurden zuerst die fremden Sitten einer strengen
Prüfung unterworfen, die theils von den Bürgern aus fernen Ländern geholt, theils ihnen
von den Fremden zugeführt waren.

Alle ausländische Vergnügungen an Gastmahlen und Kleidern, Spielkarten,
Würfel, wie auch die Zweykämpfe wurden für eine Pest der Tugend und der bey einem
Bürger dieses Reichs nothwendigen Enthaltsamkeit gehalten. Auch die neue eingeführte
christliche Lehre entgieng dem strengen Verbannungsurtheile nicht, man erklärte sie der Re-
gierungsform, der bürgerlichen und religiösen Einigkeit zuwieder, durch die alle Einwohner
Japans zu Verehrung der väterlichen Götter und des heiligen Mikaddo verbunden sind.
Man glaubte, daß öftere Reisen der Bürger in fremde Länder, und der Fremden in dieses
Reich einen neuen, für diesen Himmelsstrich nicht passenden Geist einführen, und dem gan-
zen Staat nachtheilig werden könnten. Der fremde Himmel war nun einmal, nach der
Meynung der Japaner, an allem Uebel schuld, das hier noch überblieben war, oder je in
irgend einer Zukunft gefürchtet werden konnte. Vergebens, dachte man, werde man sich
beeifern, den kranken Körper zu heilen, und, wenn man nicht das von einem schädlichen Krebs
angegriffene Glied ganz abnähme, vergebens das Uebel, ohne gänzliche Verstopfung seiner
Quelle, ableiten wollen.

So muste also das Reich ganz verschlossen, auf immer und ewig verschlossen, und
von jedem Fremdling gereinigt werden. Dieß war, der Regierungsform und dem Himmels-
strich dieses Landes gemäß, dies war für das Wohl der Nation und die Sicherheit des höchsten
Regenten gleich nothwendig. Daher gab der erhabenste Kaiser mit dem erleuchteten Reichsra-

the

II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt.
ſchlagungen und haͤuslichen Angelegenheiten zu erforſchen; Haß und Neigung, ſo wie ſie es
ihrem Jntereſſe dienlich finden, bald anzuflammen, bald zu tilgen. Die Einkuͤnfte, Ar-
beiten und Unternehmungen jedes Bedienten ſind ihrem ſcharfſichtigen, Alles uͤberſehenden
Geiſte nie verborgen, dieſe Geſchichte, die Abſichten und Denkart der Gouverneurs, das
Verfahren und die Urtheile der Gerichte. Alles iſt den japaniſthen Regenten bekannt.

Durch dieſe Mittel glaubten ſie es dahin gebracht zu haben, daß im Jnneren des
Landes nicht leicht Aufruhr und Unruhen entſtehen wuͤrden; und dachten nun darauf, auch
aͤhnliche Uebel, die ihnen außerhalb ihres Reichs entſtehn koͤnnten, zu verhindern.

Dieſe wirklich unuͤberwindlichen Monarchen wandten daher alle moͤgliche Bemuͤhun-
gen an, um die Gluͤckſeligkeit ihres errichteten Staats volſtaͤndig zu machen, die eingefuͤhrte
Ruhe und die einmal beliebte Verfaſſung auf ewige Zeiten zu beveſtigen, damit auch die
ſpaͤteſte Nachwelt ihnen keine Verſaͤumung oder Nachlaͤßigkeit ſolte Schuld geben koͤnnen,
durch die gemeiniglich die Staaten untergehn, obgleich die Politiker oft den Fehler des er-
ſten Stifters mit einem ſchaͤdlichen Einfluß des Himmels oder einer fatalen Periode fuͤr die
Staaten zu entſchuldigen pflegen. Deshalb wurden zuerſt die fremden Sitten einer ſtrengen
Pruͤfung unterworfen, die theils von den Buͤrgern aus fernen Laͤndern geholt, theils ihnen
von den Fremden zugefuͤhrt waren.

Alle auslaͤndiſche Vergnuͤgungen an Gaſtmahlen und Kleidern, Spielkarten,
Wuͤrfel, wie auch die Zweykaͤmpfe wurden fuͤr eine Peſt der Tugend und der bey einem
Buͤrger dieſes Reichs nothwendigen Enthaltſamkeit gehalten. Auch die neue eingefuͤhrte
chriſtliche Lehre entgieng dem ſtrengen Verbannungsurtheile nicht, man erklaͤrte ſie der Re-
gierungsform, der buͤrgerlichen und religioͤſen Einigkeit zuwieder, durch die alle Einwohner
Japans zu Verehrung der vaͤterlichen Goͤtter und des heiligen Mikaddo verbunden ſind.
Man glaubte, daß oͤftere Reiſen der Buͤrger in fremde Laͤnder, und der Fremden in dieſes
Reich einen neuen, fuͤr dieſen Himmelsſtrich nicht paſſenden Geiſt einfuͤhren, und dem gan-
zen Staat nachtheilig werden koͤnnten. Der fremde Himmel war nun einmal, nach der
Meynung der Japaner, an allem Uebel ſchuld, das hier noch uͤberblieben war, oder je in
irgend einer Zukunft gefuͤrchtet werden konnte. Vergebens, dachte man, werde man ſich
beeifern, den kranken Koͤrper zu heilen, und, wenn man nicht das von einem ſchaͤdlichen Krebs
angegriffene Glied ganz abnaͤhme, vergebens das Uebel, ohne gaͤnzliche Verſtopfung ſeiner
Quelle, ableiten wollen.

So muſte alſo das Reich ganz verſchloſſen, auf immer und ewig verſchloſſen, und
von jedem Fremdling gereinigt werden. Dieß war, der Regierungsform und dem Himmels-
ſtrich dieſes Landes gemaͤß, dies war fuͤr das Wohl der Nation und die Sicherheit des hoͤchſten
Regenten gleich nothwendig. Daher gab der erhabenſte Kaiſer mit dem erleuchteten Reichsra-

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[410/0466] II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. ſchlagungen und haͤuslichen Angelegenheiten zu erforſchen; Haß und Neigung, ſo wie ſie es ihrem Jntereſſe dienlich finden, bald anzuflammen, bald zu tilgen. Die Einkuͤnfte, Ar- beiten und Unternehmungen jedes Bedienten ſind ihrem ſcharfſichtigen, Alles uͤberſehenden Geiſte nie verborgen, dieſe Geſchichte, die Abſichten und Denkart der Gouverneurs, das Verfahren und die Urtheile der Gerichte. Alles iſt den japaniſthen Regenten bekannt. Durch dieſe Mittel glaubten ſie es dahin gebracht zu haben, daß im Jnneren des Landes nicht leicht Aufruhr und Unruhen entſtehen wuͤrden; und dachten nun darauf, auch aͤhnliche Uebel, die ihnen außerhalb ihres Reichs entſtehn koͤnnten, zu verhindern. Dieſe wirklich unuͤberwindlichen Monarchen wandten daher alle moͤgliche Bemuͤhun- gen an, um die Gluͤckſeligkeit ihres errichteten Staats volſtaͤndig zu machen, die eingefuͤhrte Ruhe und die einmal beliebte Verfaſſung auf ewige Zeiten zu beveſtigen, damit auch die ſpaͤteſte Nachwelt ihnen keine Verſaͤumung oder Nachlaͤßigkeit ſolte Schuld geben koͤnnen, durch die gemeiniglich die Staaten untergehn, obgleich die Politiker oft den Fehler des er- ſten Stifters mit einem ſchaͤdlichen Einfluß des Himmels oder einer fatalen Periode fuͤr die Staaten zu entſchuldigen pflegen. Deshalb wurden zuerſt die fremden Sitten einer ſtrengen Pruͤfung unterworfen, die theils von den Buͤrgern aus fernen Laͤndern geholt, theils ihnen von den Fremden zugefuͤhrt waren. Alle auslaͤndiſche Vergnuͤgungen an Gaſtmahlen und Kleidern, Spielkarten, Wuͤrfel, wie auch die Zweykaͤmpfe wurden fuͤr eine Peſt der Tugend und der bey einem Buͤrger dieſes Reichs nothwendigen Enthaltſamkeit gehalten. Auch die neue eingefuͤhrte chriſtliche Lehre entgieng dem ſtrengen Verbannungsurtheile nicht, man erklaͤrte ſie der Re- gierungsform, der buͤrgerlichen und religioͤſen Einigkeit zuwieder, durch die alle Einwohner Japans zu Verehrung der vaͤterlichen Goͤtter und des heiligen Mikaddo verbunden ſind. Man glaubte, daß oͤftere Reiſen der Buͤrger in fremde Laͤnder, und der Fremden in dieſes Reich einen neuen, fuͤr dieſen Himmelsſtrich nicht paſſenden Geiſt einfuͤhren, und dem gan- zen Staat nachtheilig werden koͤnnten. Der fremde Himmel war nun einmal, nach der Meynung der Japaner, an allem Uebel ſchuld, das hier noch uͤberblieben war, oder je in irgend einer Zukunft gefuͤrchtet werden konnte. Vergebens, dachte man, werde man ſich beeifern, den kranken Koͤrper zu heilen, und, wenn man nicht das von einem ſchaͤdlichen Krebs angegriffene Glied ganz abnaͤhme, vergebens das Uebel, ohne gaͤnzliche Verſtopfung ſeiner Quelle, ableiten wollen. So muſte alſo das Reich ganz verſchloſſen, auf immer und ewig verſchloſſen, und von jedem Fremdling gereinigt werden. Dieß war, der Regierungsform und dem Himmels- ſtrich dieſes Landes gemaͤß, dies war fuͤr das Wohl der Nation und die Sicherheit des hoͤchſten Regenten gleich nothwendig. Daher gab der erhabenſte Kaiſer mit dem erleuchteten Reichsra- the

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/466>, abgerufen am 24.11.2024.