Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

Bild:
<< vorherige Seite

die Pflegerin, "kommen Sie." Nach ein paar Schritten kamen sie zu einer Tür aus mattem Glas, welche die Pflegerin vor K. öffnete. "Treten Sie doch ein," sagte sie. Es war jedenfalls das Arbeitszimmer des Advokaten; soweit man im Mondlicht sehen konnte, das jetzt nur einen kleinen viereckigen Teil des Fußbodens an jedem der zwei großen Fenster stark erhellte, war es mit schweren alten Möbelstücken ausgestattet. "Hierher," sagte die Pflegerin und zeigte auf eine dunkle Truhe mit holzgeschnitzter Lehne. Noch als er sich gesetzt hatte, sah sich K. im Zimmer um, es war ein hohes großes Zimmer, die Kundschaft des Armenadvokaten mußte sich hier verloren vorkommen. K. glaubte die kleinen Schritte zu sehn, mit denen die Besucher zu dem gewaltigen Schreibtisch vorrückten. Dann aber vergaß er daran und hatte nur noch Augen für die Pflegerin, die ganz nahe neben ihm saß und ihn fast an die Seitenlehne drückte. "Ich dachte," sagte sie, "Sie würden allein zu mir herauskommen, ohne daß ich Sie erst rufen müßte. Es war doch merkwürdig. Zuerst sahen Sie mich gleich beim Eintritt ununterbrochen an und dann ließen Sie mich warten.

die Pflegerin, „kommen Sie.“ Nach ein paar Schritten kamen sie zu einer Tür aus mattem Glas, welche die Pflegerin vor K. öffnete. „Treten Sie doch ein,“ sagte sie. Es war jedenfalls das Arbeitszimmer des Advokaten; soweit man im Mondlicht sehen konnte, das jetzt nur einen kleinen viereckigen Teil des Fußbodens an jedem der zwei großen Fenster stark erhellte, war es mit schweren alten Möbelstücken ausgestattet. „Hierher,“ sagte die Pflegerin und zeigte auf eine dunkle Truhe mit holzgeschnitzter Lehne. Noch als er sich gesetzt hatte, sah sich K. im Zimmer um, es war ein hohes großes Zimmer, die Kundschaft des Armenadvokaten mußte sich hier verloren vorkommen. K. glaubte die kleinen Schritte zu sehn, mit denen die Besucher zu dem gewaltigen Schreibtisch vorrückten. Dann aber vergaß er daran und hatte nur noch Augen für die Pflegerin, die ganz nahe neben ihm saß und ihn fast an die Seitenlehne drückte. „Ich dachte,“ sagte sie, „Sie würden allein zu mir herauskommen, ohne daß ich Sie erst rufen müßte. Es war doch merkwürdig. Zuerst sahen Sie mich gleich beim Eintritt ununterbrochen an und dann ließen Sie mich warten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0186" n="184"/>
die Pflegerin, &#x201E;kommen Sie.&#x201C; Nach ein paar Schritten kamen sie zu einer Tür aus mattem Glas, welche die Pflegerin vor K. öffnete. &#x201E;Treten Sie doch ein,&#x201C; sagte sie. Es war jedenfalls das Arbeitszimmer des Advokaten; soweit man im Mondlicht sehen konnte, das jetzt nur einen kleinen viereckigen Teil des Fußbodens an jedem der zwei großen Fenster stark erhellte, war es mit schweren alten Möbelstücken ausgestattet. &#x201E;Hierher,&#x201C; sagte die Pflegerin und zeigte auf eine dunkle Truhe mit holzgeschnitzter Lehne. Noch als er sich gesetzt hatte, sah sich K. im Zimmer um, es war ein hohes großes Zimmer, die Kundschaft des Armenadvokaten mußte sich hier verloren vorkommen. K. glaubte die kleinen Schritte zu sehn, mit denen die Besucher zu dem gewaltigen Schreibtisch vorrückten. Dann aber vergaß er daran und hatte nur noch Augen für die Pflegerin, die ganz nahe neben ihm saß und ihn fast an die Seitenlehne drückte. &#x201E;Ich dachte,&#x201C; sagte sie, &#x201E;Sie würden allein zu mir herauskommen, ohne daß ich Sie erst rufen müßte. Es war doch merkwürdig. Zuerst sahen Sie mich gleich beim Eintritt ununterbrochen an und dann ließen Sie mich warten.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0186] die Pflegerin, „kommen Sie.“ Nach ein paar Schritten kamen sie zu einer Tür aus mattem Glas, welche die Pflegerin vor K. öffnete. „Treten Sie doch ein,“ sagte sie. Es war jedenfalls das Arbeitszimmer des Advokaten; soweit man im Mondlicht sehen konnte, das jetzt nur einen kleinen viereckigen Teil des Fußbodens an jedem der zwei großen Fenster stark erhellte, war es mit schweren alten Möbelstücken ausgestattet. „Hierher,“ sagte die Pflegerin und zeigte auf eine dunkle Truhe mit holzgeschnitzter Lehne. Noch als er sich gesetzt hatte, sah sich K. im Zimmer um, es war ein hohes großes Zimmer, die Kundschaft des Armenadvokaten mußte sich hier verloren vorkommen. K. glaubte die kleinen Schritte zu sehn, mit denen die Besucher zu dem gewaltigen Schreibtisch vorrückten. Dann aber vergaß er daran und hatte nur noch Augen für die Pflegerin, die ganz nahe neben ihm saß und ihn fast an die Seitenlehne drückte. „Ich dachte,“ sagte sie, „Sie würden allein zu mir herauskommen, ohne daß ich Sie erst rufen müßte. Es war doch merkwürdig. Zuerst sahen Sie mich gleich beim Eintritt ununterbrochen an und dann ließen Sie mich warten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-28T19:24:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat (2012-11-28T19:24:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Trennungen am Zeilen- und am Seitenende werden aufgelöst, der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/186
Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/186>, abgerufen am 21.11.2024.