Ehe wir die transscendentale Analytik verlassen, müssen wir noch etwas hinzufügen, was, obgleich an sich von nicht sonderlicher Erheblichkeit, dennoch zur Vollstän- digkeit des Systems erforderlich scheinen dürfte. Der höchste Begriff, von dem man eine Transscendentalphiloso- phie anzufangen pflegt, ist gemeiniglich die Eintheilung in das Mögliche und Unmögliche. Da aber alle Einthei- lung einen eingetheilten Begriff voraussezt, so muß noch ein höherer angegeben werden, und dieser ist der Be- griff von einem Gegenstande überhaupt (problematisch ge- nommen, und unausgemacht, ob er Etwas oder Nichts sey.) Weil die Categorien die einzige Begriffe sind, die sich auf Gegenstände überhaupt beziehen, so wird die Un- terscheidung eines Gegenstandes, ob er Etwas, oder Nichts sey, nach der Ordnung und Anweisung der Categorien fortgehen.
1) Den Begriffen von Allem, Vielen und Einem ist der, so alles aufhebt; d. i. Keines entgegen gesezt, und so ist der Gegenstand eines Begriffs, dem gar keine anzugebende Anschauung correspondirt, = Nichts, d. i. ein Begriff ohne Gegenstand, wie die Noümena, die nicht unter die Möglichkeiten gezehlt werden können, obgleich auch darum nicht vor un- möglich ausgegeben werden müssen, (ens rationis) oder wie etwa gewisse neue Grundkräfte, die man
sich
Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. Anhang.
Ehe wir die transſcendentale Analytik verlaſſen, muͤſſen wir noch etwas hinzufuͤgen, was, obgleich an ſich von nicht ſonderlicher Erheblichkeit, dennoch zur Vollſtaͤn- digkeit des Syſtems erforderlich ſcheinen duͤrfte. Der hoͤchſte Begriff, von dem man eine Transſcendentalphiloſo- phie anzufangen pflegt, iſt gemeiniglich die Eintheilung in das Moͤgliche und Unmoͤgliche. Da aber alle Einthei- lung einen eingetheilten Begriff vorausſezt, ſo muß noch ein hoͤherer angegeben werden, und dieſer iſt der Be- griff von einem Gegenſtande uͤberhaupt (problematiſch ge- nommen, und unausgemacht, ob er Etwas oder Nichts ſey.) Weil die Categorien die einzige Begriffe ſind, die ſich auf Gegenſtaͤnde uͤberhaupt beziehen, ſo wird die Un- terſcheidung eines Gegenſtandes, ob er Etwas, oder Nichts ſey, nach der Ordnung und Anweiſung der Categorien fortgehen.
1) Den Begriffen von Allem, Vielen und Einem iſt der, ſo alles aufhebt; d. i. Keines entgegen geſezt, und ſo iſt der Gegenſtand eines Begriffs, dem gar keine anzugebende Anſchauung correſpondirt, = Nichts, d. i. ein Begriff ohne Gegenſtand, wie die Noümena, die nicht unter die Moͤglichkeiten gezehlt werden koͤnnen, obgleich auch darum nicht vor un- moͤglich ausgegeben werden muͤſſen, (ens rationis) oder wie etwa gewiſſe neue Grundkraͤfte, die man
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Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. Anhang.
Ehe wir die transſcendentale Analytik verlaſſen,
muͤſſen wir noch etwas hinzufuͤgen, was, obgleich an ſich
von nicht ſonderlicher Erheblichkeit, dennoch zur Vollſtaͤn-
digkeit des Syſtems erforderlich ſcheinen duͤrfte. Der
hoͤchſte Begriff, von dem man eine Transſcendentalphiloſo-
phie anzufangen pflegt, iſt gemeiniglich die Eintheilung
in das Moͤgliche und Unmoͤgliche. Da aber alle Einthei-
lung einen eingetheilten Begriff vorausſezt, ſo muß
noch ein hoͤherer angegeben werden, und dieſer iſt der Be-
griff von einem Gegenſtande uͤberhaupt (problematiſch ge-
nommen, und unausgemacht, ob er Etwas oder Nichts
ſey.) Weil die Categorien die einzige Begriffe ſind, die
ſich auf Gegenſtaͤnde uͤberhaupt beziehen, ſo wird die Un-
terſcheidung eines Gegenſtandes, ob er Etwas, oder Nichts
ſey, nach der Ordnung und Anweiſung der Categorien
fortgehen.
1) Den Begriffen von Allem, Vielen und Einem iſt
der, ſo alles aufhebt; d. i. Keines entgegen geſezt,
und ſo iſt der Gegenſtand eines Begriffs, dem gar
keine anzugebende Anſchauung correſpondirt, =
Nichts, d. i. ein Begriff ohne Gegenſtand, wie die
Noümena, die nicht unter die Moͤglichkeiten gezehlt
werden koͤnnen, obgleich auch darum nicht vor un-
moͤglich ausgegeben werden muͤſſen, (ens rationis)
oder wie etwa gewiſſe neue Grundkraͤfte, die man
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/320>, abgerufen am 22.11.2024.
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