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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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Methodenlehre I. Hauptst. II. Absch.
ins Mittel legt, im zweiten aber die Sentenz, die, weil
sie hier die Quelle der Streitigkeiten selbst trift, einen ewi-
gen Frieden gewähren muß. Auch nöthigen die endlosen
Streitigkeiten einer blos dogmatischen Vernunft, endlich in
irgend einer Critik dieser Vernunft, selbst und einer Gesetz-
gebung, die sich auf sie gründet, Ruhe zu suchen; so wie
Hobbes behauptet: der Stand der Natur sey ein Stand
des Unrechts und der Gewaltthätigkeit und man müsse ihn
nothwendig verlassen, um sich dem gesetzlichen Zwange zu
unterwerfen, der allein unsere Freiheit dahin einschränkt,
daß sie mit iedes anderen Freiheit und eben dadurch mit
dem gemeinen Besten zusammen bestehen könne.

Zu dieser Freiheit gehört denn auch die, seine Ge-
danken, seine Zweifel, die man sich nicht selbst auflösen
kan, öffentlich zur Beurtheilung auszustellen, ohne dar-
über vor einen unruhigen und gefährlichen Bürger ver-
schrieen zu werden. Dies liegt schon in dem ursprüngli-
chen Rechte der menschlichen Vernunft, welche keinen an-
deren Richter erkent, als selbst wiederum die allgemeine
Menschenvernunft, worin ein ieder seine Stimme hat und,
da von dieser alle Besserung, deren unser Zustand fähig
ist, herkommen muß: so ist ein solches Recht heilig, und
darf nicht geschmälert werden. Auch ist es sehr unweise,
gewisse gewagte Behauptungen oder vermessene Angriffe,
auf die, welche schon die Beistimmung des größten und
besten Theils des gemeinen Wesens auf ihrer Seite haben,
vor gefährlich auszuschreien: denn das heißt, ihnen eine

Wich-

Methodenlehre I. Hauptſt. II. Abſch.
ins Mittel legt, im zweiten aber die Sentenz, die, weil
ſie hier die Quelle der Streitigkeiten ſelbſt trift, einen ewi-
gen Frieden gewaͤhren muß. Auch noͤthigen die endloſen
Streitigkeiten einer blos dogmatiſchen Vernunft, endlich in
irgend einer Critik dieſer Vernunft, ſelbſt und einer Geſetz-
gebung, die ſich auf ſie gruͤndet, Ruhe zu ſuchen; ſo wie
Hobbes behauptet: der Stand der Natur ſey ein Stand
des Unrechts und der Gewaltthaͤtigkeit und man muͤſſe ihn
nothwendig verlaſſen, um ſich dem geſetzlichen Zwange zu
unterwerfen, der allein unſere Freiheit dahin einſchraͤnkt,
daß ſie mit iedes anderen Freiheit und eben dadurch mit
dem gemeinen Beſten zuſammen beſtehen koͤnne.

Zu dieſer Freiheit gehoͤrt denn auch die, ſeine Ge-
danken, ſeine Zweifel, die man ſich nicht ſelbſt aufloͤſen
kan, oͤffentlich zur Beurtheilung auszuſtellen, ohne dar-
uͤber vor einen unruhigen und gefaͤhrlichen Buͤrger ver-
ſchrieen zu werden. Dies liegt ſchon in dem urſpruͤngli-
chen Rechte der menſchlichen Vernunft, welche keinen an-
deren Richter erkent, als ſelbſt wiederum die allgemeine
Menſchenvernunft, worin ein ieder ſeine Stimme hat und,
da von dieſer alle Beſſerung, deren unſer Zuſtand faͤhig
iſt, herkommen muß: ſo iſt ein ſolches Recht heilig, und
darf nicht geſchmaͤlert werden. Auch iſt es ſehr unweiſe,
gewiſſe gewagte Behauptungen oder vermeſſene Angriffe,
auf die, welche ſchon die Beiſtimmung des groͤßten und
beſten Theils des gemeinen Weſens auf ihrer Seite haben,
vor gefaͤhrlich auszuſchreien: denn das heißt, ihnen eine

Wich-
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[752/0782] Methodenlehre I. Hauptſt. II. Abſch. ins Mittel legt, im zweiten aber die Sentenz, die, weil ſie hier die Quelle der Streitigkeiten ſelbſt trift, einen ewi- gen Frieden gewaͤhren muß. Auch noͤthigen die endloſen Streitigkeiten einer blos dogmatiſchen Vernunft, endlich in irgend einer Critik dieſer Vernunft, ſelbſt und einer Geſetz- gebung, die ſich auf ſie gruͤndet, Ruhe zu ſuchen; ſo wie Hobbes behauptet: der Stand der Natur ſey ein Stand des Unrechts und der Gewaltthaͤtigkeit und man muͤſſe ihn nothwendig verlaſſen, um ſich dem geſetzlichen Zwange zu unterwerfen, der allein unſere Freiheit dahin einſchraͤnkt, daß ſie mit iedes anderen Freiheit und eben dadurch mit dem gemeinen Beſten zuſammen beſtehen koͤnne. Zu dieſer Freiheit gehoͤrt denn auch die, ſeine Ge- danken, ſeine Zweifel, die man ſich nicht ſelbſt aufloͤſen kan, oͤffentlich zur Beurtheilung auszuſtellen, ohne dar- uͤber vor einen unruhigen und gefaͤhrlichen Buͤrger ver- ſchrieen zu werden. Dies liegt ſchon in dem urſpruͤngli- chen Rechte der menſchlichen Vernunft, welche keinen an- deren Richter erkent, als ſelbſt wiederum die allgemeine Menſchenvernunft, worin ein ieder ſeine Stimme hat und, da von dieſer alle Beſſerung, deren unſer Zuſtand faͤhig iſt, herkommen muß: ſo iſt ein ſolches Recht heilig, und darf nicht geſchmaͤlert werden. Auch iſt es ſehr unweiſe, gewiſſe gewagte Behauptungen oder vermeſſene Angriffe, auf die, welche ſchon die Beiſtimmung des groͤßten und beſten Theils des gemeinen Weſens auf ihrer Seite haben, vor gefaͤhrlich auszuſchreien: denn das heißt, ihnen eine Wich-

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 752. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/782>, abgerufen am 22.11.2024.