Anfange an der Natur überläßt (ohne aber über diesen ersten Anfang, an dem die Physik überhaupt scheitert, sie mag es mit einer Kette der Ursachen versuchen mit welcher sie wolle, etwas zu bestimmen).
Jn Ansehung dieser Theorie der Epigenesis hat nie- mand mehr, so wohl zum Beweise derselben, als auch zur Gründung der ächten Principien ihrer Anwen- dung, zum Theil durch die Beschränkung eines zu vermessenen Gebrauchs derselben, geleistet, als Herr H. R. Blumenbach. Von organisirter Materie hebt er alle physische Erklärungsart dieser Bildungen an. Denn, daß rohe Materie sich nach mechanischen Ge- setzen ursprünglich selbst gebildet habe, daß aus der Natur des leblosen Leben habe entspringen und Ma- terie in die Form einer sich selbst erhaltenden Zweck- mäßigkeit sich von selbst habe fügen können, erklärt er mit Recht für vernunftwidrig; läßt aber zugleich dem Naturmechanism unter diesem uns unerforsch- lichen Princip einer ursprünglichen Organisation einen unbestimmbaren, zugleich doch auch unverkenn- baren Antheil, wozu das Vermögen der Materie zum Unterschiede von der, ihr allgemein beywohnenden, blos mechanischen Bildungskraft, von ihm in einem organisirten Körper ein (gleichsam unter der höheren Leitung und Anweisung der ersteren stehender) Bildungstrieb genannt wird.
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
Anfange an der Natur uͤberlaͤßt (ohne aber uͤber dieſen erſten Anfang, an dem die Phyſik uͤberhaupt ſcheitert, ſie mag es mit einer Kette der Urſachen verſuchen mit welcher ſie wolle, etwas zu beſtimmen).
Jn Anſehung dieſer Theorie der Epigeneſis hat nie- mand mehr, ſo wohl zum Beweiſe derſelben, als auch zur Gruͤndung der aͤchten Principien ihrer Anwen- dung, zum Theil durch die Beſchraͤnkung eines zu vermeſſenen Gebrauchs derſelben, geleiſtet, als Herr H. R. Blumenbach. Von organiſirter Materie hebt er alle phyſiſche Erklaͤrungsart dieſer Bildungen an. Denn, daß rohe Materie ſich nach mechaniſchen Ge- ſetzen urſpruͤnglich ſelbſt gebildet habe, daß aus der Natur des lebloſen Leben habe entſpringen und Ma- terie in die Form einer ſich ſelbſt erhaltenden Zweck- maͤßigkeit ſich von ſelbſt habe fuͤgen koͤnnen, erklaͤrt er mit Recht fuͤr vernunftwidrig; laͤßt aber zugleich dem Naturmechanism unter dieſem uns unerforſch- lichen Princip einer urſpruͤnglichen Organiſation einen unbeſtimmbaren, zugleich doch auch unverkenn- baren Antheil, wozu das Vermoͤgen der Materie zum Unterſchiede von der, ihr allgemein beywohnenden, blos mechaniſchen Bildungskraft, von ihm in einem organiſirten Koͤrper ein (gleichſam unter der hoͤheren Leitung und Anweiſung der erſteren ſtehender) Bildungstrieb genannt wird.
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II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
Anfange an der Natur uͤberlaͤßt (ohne aber uͤber dieſen
erſten Anfang, an dem die Phyſik uͤberhaupt ſcheitert,
ſie mag es mit einer Kette der Urſachen verſuchen mit
welcher ſie wolle, etwas zu beſtimmen).
Jn Anſehung dieſer Theorie der Epigeneſis hat nie-
mand mehr, ſo wohl zum Beweiſe derſelben, als auch
zur Gruͤndung der aͤchten Principien ihrer Anwen-
dung, zum Theil durch die Beſchraͤnkung eines zu
vermeſſenen Gebrauchs derſelben, geleiſtet, als Herr
H. R. Blumenbach. Von organiſirter Materie hebt
er alle phyſiſche Erklaͤrungsart dieſer Bildungen an.
Denn, daß rohe Materie ſich nach mechaniſchen Ge-
ſetzen urſpruͤnglich ſelbſt gebildet habe, daß aus der
Natur des lebloſen Leben habe entſpringen und Ma-
terie in die Form einer ſich ſelbſt erhaltenden Zweck-
maͤßigkeit ſich von ſelbſt habe fuͤgen koͤnnen, erklaͤrt
er mit Recht fuͤr vernunftwidrig; laͤßt aber zugleich
dem Naturmechanism unter dieſem uns unerforſch-
lichen Princip einer urſpruͤnglichen Organiſation
einen unbeſtimmbaren, zugleich doch auch unverkenn-
baren Antheil, wozu das Vermoͤgen der Materie zum
Unterſchiede von der, ihr allgemein beywohnenden,
blos mechaniſchen Bildungskraft, von ihm in
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/438>, abgerufen am 05.12.2024.
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