demselben Grade und aus demselben Grunde) ist auch das erstere nothwendig anzunehmen: uämlich es sey ein Gott.
Dieser Beweis, dem man leicht die Form der logi- schen Präcision anpassen kann, will nicht sagen: es ist eben so nothwendig das Daseyn Gottes anzunehmen, als die Gültigkeit des moralischen Gesetzes anzuerken- nen, mithin der, welcher sich vom letztern nicht über- zeugen kann, könne sich von den Verbindlichkeiten nach dem ersteren los zu seyn urtheilen. Nein! Nur die Beabsichtigung des durch die Befolgung des ersteren zu bewirkenden Endzwecks in der Welt (einer mit der Be- folgung moralischer Gesetze harmonisch zusammentreffen- der Glückseeligkeit vernünftiger Wesen, als das höchste Weltbeste) müßte alsdenn aufgegeben werden. Ein je- der Vernünftige würde sich an der Vorschrift der Sitten immer noch als strenge gebunden erkennen müssen; den die Gesetze derselben sind formal und gebieten unbedingt, unangesehen aller Zwecke (als der Materie des Wollens). Aber das eine Erforderniß des Endzwecks, wie ihn die praktische Vernunft den Weltwesen vorschreibt, ist ein in sie durch ihre Natur (als endlicher Wesen) gelegter unwiderstehlicher Zweck, den die Vernunft nur dem moralischen Gesetze als unverletzlicher Bedingung unterworfen, oder auch nach demselben allgemein ge- macht wissen will und so die Beförderung der Glücksee-
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
demſelben Grade und aus demſelben Grunde) iſt auch das erſtere nothwendig anzunehmen: uaͤmlich es ſey ein Gott.
Dieſer Beweis, dem man leicht die Form der logi- ſchen Praͤciſion anpaſſen kann, will nicht ſagen: es iſt eben ſo nothwendig das Daſeyn Gottes anzunehmen, als die Guͤltigkeit des moraliſchen Geſetzes anzuerken- nen, mithin der, welcher ſich vom letztern nicht uͤber- zeugen kann, koͤnne ſich von den Verbindlichkeiten nach dem erſteren los zu ſeyn urtheilen. Nein! Nur die Beabſichtigung des durch die Befolgung des erſteren zu bewirkenden Endzwecks in der Welt (einer mit der Be- folgung moraliſcher Geſetze harmoniſch zuſammentreffen- der Gluͤckſeeligkeit vernuͤnftiger Weſen, als das hoͤchſte Weltbeſte) muͤßte alsdenn aufgegeben werden. Ein je- der Vernuͤnftige wuͤrde ſich an der Vorſchrift der Sitten immer noch als ſtrenge gebunden erkennen muͤſſen; den die Geſetze derſelben ſind formal und gebieten unbedingt, unangeſehen aller Zwecke (als der Materie des Wollens). Aber das eine Erforderniß des Endzwecks, wie ihn die praktiſche Vernunft den Weltweſen vorſchreibt, iſt ein in ſie durch ihre Natur (als endlicher Weſen) gelegter unwiderſtehlicher Zweck, den die Vernunft nur dem moraliſchen Geſetze als unverletzlicher Bedingung unterworfen, oder auch nach demſelben allgemein ge- macht wiſſen will und ſo die Befoͤrderung der Gluͤckſee-
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II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
demſelben Grade und aus demſelben Grunde) iſt auch
das erſtere nothwendig anzunehmen: uaͤmlich es ſey
ein Gott.
Dieſer Beweis, dem man leicht die Form der logi-
ſchen Praͤciſion anpaſſen kann, will nicht ſagen: es iſt
eben ſo nothwendig das Daſeyn Gottes anzunehmen,
als die Guͤltigkeit des moraliſchen Geſetzes anzuerken-
nen, mithin der, welcher ſich vom letztern nicht uͤber-
zeugen kann, koͤnne ſich von den Verbindlichkeiten nach
dem erſteren los zu ſeyn urtheilen. Nein! Nur die
Beabſichtigung des durch die Befolgung des erſteren zu
bewirkenden Endzwecks in der Welt (einer mit der Be-
folgung moraliſcher Geſetze harmoniſch zuſammentreffen-
der Gluͤckſeeligkeit vernuͤnftiger Weſen, als das hoͤchſte
Weltbeſte) muͤßte alsdenn aufgegeben werden. Ein je-
der Vernuͤnftige wuͤrde ſich an der Vorſchrift der Sitten
immer noch als ſtrenge gebunden erkennen muͤſſen; den
die Geſetze derſelben ſind formal und gebieten unbedingt,
unangeſehen aller Zwecke (als der Materie des Wollens).
Aber das eine Erforderniß des Endzwecks, wie ihn die
praktiſche Vernunft den Weltweſen vorſchreibt, iſt ein
in ſie durch ihre Natur (als endlicher Weſen) gelegter
unwiderſtehlicher Zweck, den die Vernunft nur dem
moraliſchen Geſetze als unverletzlicher Bedingung
unterworfen, oder auch nach demſelben allgemein ge-
macht wiſſen will und ſo die Befoͤrderung der Gluͤckſee-
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/484>, abgerufen am 05.12.2024.
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