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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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Thale ein Zeichen unseres Aufenthaltes war; trotz
der mittäglichen Sonnenhitze schien uns die er¬
höhte Gluth des Feuers lieblich, wir verlöschten
es ungern, als wir abzogen. Gar zu gern hät¬
ten wir einige Schüsse in die stille Luft gesandt,
wenn es nicht streng untersagt gewesen wäre;
ein Knabe hatte schon geladen und mußte den
Schuß kunstgerecht wieder aus dem Gewehre
ziehen, was ihm so peinlich war, als einem
Schwätzer das Unterdrücken eines Geheimnisses.

Im Scheine des Abendgoldes sahen wir end¬
lich die befreundete Stadt vor uns, aus deren
mit Blumen und grünen Zweigen bekleidetem,
alterthümlichem Thor die so wie wir gerüstete
Jugend uns entgegen trat, umgeben von den
schaulustigen und freundlichen Eltern und Ge¬
schwistern. Ihre Artillerie löste uns zu Ehren
eine Anzahl von Schüssen, wir betrachteten mit
kritischem Auge, wie die kleinen Kanoniere neben
der Mündung mit ebenso zierlicher Verrenkung
sich zurückbogen, wenn die Lunte sich dem Bran¬
der näherte, um mit einer ebenso verächtlichen
Schwenkung wieder zur Erde gewandt zu wer¬

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Thale ein Zeichen unſeres Aufenthaltes war; trotz
der mittaͤglichen Sonnenhitze ſchien uns die er¬
hoͤhte Gluth des Feuers lieblich, wir verloͤſchten
es ungern, als wir abzogen. Gar zu gern haͤt¬
ten wir einige Schuͤſſe in die ſtille Luft geſandt,
wenn es nicht ſtreng unterſagt geweſen waͤre;
ein Knabe hatte ſchon geladen und mußte den
Schuß kunſtgerecht wieder aus dem Gewehre
ziehen, was ihm ſo peinlich war, als einem
Schwaͤtzer das Unterdruͤcken eines Geheimniſſes.

Im Scheine des Abendgoldes ſahen wir end¬
lich die befreundete Stadt vor uns, aus deren
mit Blumen und gruͤnen Zweigen bekleidetem,
alterthuͤmlichem Thor die ſo wie wir geruͤſtete
Jugend uns entgegen trat, umgeben von den
ſchauluſtigen und freundlichen Eltern und Ge¬
ſchwiſtern. Ihre Artillerie loͤſte uns zu Ehren
eine Anzahl von Schuͤſſen, wir betrachteten mit
kritiſchem Auge, wie die kleinen Kanoniere neben
der Muͤndung mit ebenſo zierlicher Verrenkung
ſich zuruͤckbogen, wenn die Lunte ſich dem Bran¬
der naͤherte, um mit einer ebenſo veraͤchtlichen
Schwenkung wieder zur Erde gewandt zu wer¬

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[313/0327] Thale ein Zeichen unſeres Aufenthaltes war; trotz der mittaͤglichen Sonnenhitze ſchien uns die er¬ hoͤhte Gluth des Feuers lieblich, wir verloͤſchten es ungern, als wir abzogen. Gar zu gern haͤt¬ ten wir einige Schuͤſſe in die ſtille Luft geſandt, wenn es nicht ſtreng unterſagt geweſen waͤre; ein Knabe hatte ſchon geladen und mußte den Schuß kunſtgerecht wieder aus dem Gewehre ziehen, was ihm ſo peinlich war, als einem Schwaͤtzer das Unterdruͤcken eines Geheimniſſes. Im Scheine des Abendgoldes ſahen wir end¬ lich die befreundete Stadt vor uns, aus deren mit Blumen und gruͤnen Zweigen bekleidetem, alterthuͤmlichem Thor die ſo wie wir geruͤſtete Jugend uns entgegen trat, umgeben von den ſchauluſtigen und freundlichen Eltern und Ge¬ ſchwiſtern. Ihre Artillerie loͤſte uns zu Ehren eine Anzahl von Schuͤſſen, wir betrachteten mit kritiſchem Auge, wie die kleinen Kanoniere neben der Muͤndung mit ebenſo zierlicher Verrenkung ſich zuruͤckbogen, wenn die Lunte ſich dem Bran¬ der naͤherte, um mit einer ebenſo veraͤchtlichen Schwenkung wieder zur Erde gewandt zu wer¬ 20 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/327>, abgerufen am 22.11.2024.