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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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sich mit ihm auf den Weg gemacht und sie so,
die Fuß- und Feldwege aufsuchend, bis hierher
gekommen seien, wo sie sich nun trennen wollten.
Die gute Frau gedachte dann bis zur völligen
Dunkelheit noch ein Stück Weges zurück zu
wandern und bei bekannten Landleuten übernacht
zu bleiben. Sie tranken einen blassen dünnen
Wein und aßen Brot und Käse dazu; doch war
es eine Freude zu sehen, wie sorglich die Frau
die "Gottesgabe" behandelte, ihrem Sohne zu¬
schob und für sich fast nur die Krumen zusam¬
men scharrte. Dazwischen schärfte sie ihm ein,
wie er seinen Meistern gehorchen, bescheiden und
fleißig sein und keine Händel suchen sollte. Dann
mußte er seinen Geldbeutel nochmals hervorziehen;
vier oder fünf neue große Geldstücke wurden als
bekannte Größen einstweilen bei Seite gelegt, da¬
gegen eine Handvoll kleineres Geld überzählt,
betrachtet und ausgeschieden. Der Junge steckte
seinen Schatz wieder ein, die Mutter aber ent¬
wickelte aus einem Zipfel ihres Schnupftuches
etwas Kupfermünze und bezahlte die Zeche.

Inzwischen rollte das bewegliche Wanderhaus

ſich mit ihm auf den Weg gemacht und ſie ſo,
die Fuß- und Feldwege aufſuchend, bis hierher
gekommen ſeien, wo ſie ſich nun trennen wollten.
Die gute Frau gedachte dann bis zur voͤlligen
Dunkelheit noch ein Stuͤck Weges zuruͤck zu
wandern und bei bekannten Landleuten uͤbernacht
zu bleiben. Sie tranken einen blaſſen duͤnnen
Wein und aßen Brot und Kaͤſe dazu; doch war
es eine Freude zu ſehen, wie ſorglich die Frau
die »Gottesgabe« behandelte, ihrem Sohne zu¬
ſchob und fuͤr ſich faſt nur die Krumen zuſam¬
men ſcharrte. Dazwiſchen ſchaͤrfte ſie ihm ein,
wie er ſeinen Meiſtern gehorchen, beſcheiden und
fleißig ſein und keine Haͤndel ſuchen ſollte. Dann
mußte er ſeinen Geldbeutel nochmals hervorziehen;
vier oder fuͤnf neue große Geldſtuͤcke wurden als
bekannte Groͤßen einſtweilen bei Seite gelegt, da¬
gegen eine Handvoll kleineres Geld uͤberzaͤhlt,
betrachtet und ausgeſchieden. Der Junge ſteckte
ſeinen Schatz wieder ein, die Mutter aber ent¬
wickelte aus einem Zipfel ihres Schnupftuches
etwas Kupfermuͤnze und bezahlte die Zeche.

Inzwiſchen rollte das bewegliche Wanderhaus

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[45/0059] ſich mit ihm auf den Weg gemacht und ſie ſo, die Fuß- und Feldwege aufſuchend, bis hierher gekommen ſeien, wo ſie ſich nun trennen wollten. Die gute Frau gedachte dann bis zur voͤlligen Dunkelheit noch ein Stuͤck Weges zuruͤck zu wandern und bei bekannten Landleuten uͤbernacht zu bleiben. Sie tranken einen blaſſen duͤnnen Wein und aßen Brot und Kaͤſe dazu; doch war es eine Freude zu ſehen, wie ſorglich die Frau die »Gottesgabe« behandelte, ihrem Sohne zu¬ ſchob und fuͤr ſich faſt nur die Krumen zuſam¬ men ſcharrte. Dazwiſchen ſchaͤrfte ſie ihm ein, wie er ſeinen Meiſtern gehorchen, beſcheiden und fleißig ſein und keine Haͤndel ſuchen ſollte. Dann mußte er ſeinen Geldbeutel nochmals hervorziehen; vier oder fuͤnf neue große Geldſtuͤcke wurden als bekannte Groͤßen einſtweilen bei Seite gelegt, da¬ gegen eine Handvoll kleineres Geld uͤberzaͤhlt, betrachtet und ausgeſchieden. Der Junge ſteckte ſeinen Schatz wieder ein, die Mutter aber ent¬ wickelte aus einem Zipfel ihres Schnupftuches etwas Kupfermuͤnze und bezahlte die Zeche. Inzwiſchen rollte das bewegliche Wanderhaus

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/59>, abgerufen am 21.11.2024.