verschiedene Bedürfnisse und Fähigkeiten außer dem Hause suchen und finden. Und wie die Fa¬ milie die sicherste, trostreichste Zuflucht ist nach jeder Abschweifung und Irrfahrt, so ist das Vater¬ land, wenn seine Gränzen einen natürlichen Zu¬ sammenhang haben, und wenn es zudem noch den sicheren Schooß eines aufgeweckten und ver¬ gnüglichen bürgerlichen Lebens bildet, der erste und letzte Zufluchtsort für alle seine besseren Kin¬ der, und je ungleicher diese sich an Stamm und Sprache manchmal sind, desto fester ziehen sie sich, nach gewissen Gesetzen, gegenseitig an, freund¬ lich zusammengehalten durch ein gemeinsam durch¬ gekämpftes Schicksal und durch die erworbene Einsicht, daß sie zusammen so, wie und wo sie nun sich eingerichtet haben, am glücklichsten sind. Eine solche Lage ist die unsrige. Um einen ur¬ alten Kern hat sich nach und nach eine mannig¬ faltige Genossenschaft angesetzt, welche die Ueber¬ lieferungen desselben, so weit sie in ihrer Bedeu¬ tung noch lebendig sind, mit aufnahm und sich bestrebt, sie fortwährend in gangbare Münze um¬ zusetzen. Aehnliche Neigungen in der durchweg
verſchiedene Beduͤrfniſſe und Faͤhigkeiten außer dem Hauſe ſuchen und finden. Und wie die Fa¬ milie die ſicherſte, troſtreichſte Zuflucht iſt nach jeder Abſchweifung und Irrfahrt, ſo iſt das Vater¬ land, wenn ſeine Graͤnzen einen natuͤrlichen Zu¬ ſammenhang haben, und wenn es zudem noch den ſicheren Schooß eines aufgeweckten und ver¬ gnuͤglichen buͤrgerlichen Lebens bildet, der erſte und letzte Zufluchtsort fuͤr alle ſeine beſſeren Kin¬ der, und je ungleicher dieſe ſich an Stamm und Sprache manchmal ſind, deſto feſter ziehen ſie ſich, nach gewiſſen Geſetzen, gegenſeitig an, freund¬ lich zuſammengehalten durch ein gemeinſam durch¬ gekaͤmpftes Schickſal und durch die erworbene Einſicht, daß ſie zuſammen ſo, wie und wo ſie nun ſich eingerichtet haben, am gluͤcklichſten ſind. Eine ſolche Lage iſt die unſrige. Um einen ur¬ alten Kern hat ſich nach und nach eine mannig¬ faltige Genoſſenſchaft angeſetzt, welche die Ueber¬ lieferungen deſſelben, ſo weit ſie in ihrer Bedeu¬ tung noch lebendig ſind, mit aufnahm und ſich beſtrebt, ſie fortwaͤhrend in gangbare Muͤnze um¬ zuſetzen. Aehnliche Neigungen in der durchweg
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0090"n="76"/>
verſchiedene Beduͤrfniſſe und Faͤhigkeiten außer<lb/>
dem Hauſe ſuchen und finden. Und wie die Fa¬<lb/>
milie die ſicherſte, troſtreichſte Zuflucht iſt nach<lb/>
jeder Abſchweifung und Irrfahrt, ſo iſt das Vater¬<lb/>
land, wenn ſeine Graͤnzen einen natuͤrlichen Zu¬<lb/>ſammenhang haben, und wenn es zudem noch<lb/>
den ſicheren Schooß eines aufgeweckten und ver¬<lb/>
gnuͤglichen buͤrgerlichen Lebens bildet, der erſte<lb/>
und letzte Zufluchtsort fuͤr alle ſeine beſſeren Kin¬<lb/>
der, und je ungleicher dieſe ſich an Stamm und<lb/>
Sprache manchmal ſind, deſto feſter ziehen ſie<lb/>ſich, nach gewiſſen Geſetzen, gegenſeitig an, freund¬<lb/>
lich zuſammengehalten durch ein gemeinſam durch¬<lb/>
gekaͤmpftes Schickſal und durch die erworbene<lb/>
Einſicht, daß ſie zuſammen ſo, wie und wo ſie<lb/>
nun ſich eingerichtet haben, am gluͤcklichſten ſind.<lb/>
Eine ſolche Lage iſt die unſrige. Um einen ur¬<lb/>
alten Kern hat ſich nach und nach eine mannig¬<lb/>
faltige Genoſſenſchaft angeſetzt, welche die Ueber¬<lb/>
lieferungen deſſelben, ſo weit ſie in ihrer Bedeu¬<lb/>
tung noch lebendig ſind, mit aufnahm und ſich<lb/>
beſtrebt, ſie fortwaͤhrend in gangbare Muͤnze um¬<lb/>
zuſetzen. Aehnliche Neigungen in der durchweg<lb/></p></div></body></text></TEI>
[76/0090]
verſchiedene Beduͤrfniſſe und Faͤhigkeiten außer
dem Hauſe ſuchen und finden. Und wie die Fa¬
milie die ſicherſte, troſtreichſte Zuflucht iſt nach
jeder Abſchweifung und Irrfahrt, ſo iſt das Vater¬
land, wenn ſeine Graͤnzen einen natuͤrlichen Zu¬
ſammenhang haben, und wenn es zudem noch
den ſicheren Schooß eines aufgeweckten und ver¬
gnuͤglichen buͤrgerlichen Lebens bildet, der erſte
und letzte Zufluchtsort fuͤr alle ſeine beſſeren Kin¬
der, und je ungleicher dieſe ſich an Stamm und
Sprache manchmal ſind, deſto feſter ziehen ſie
ſich, nach gewiſſen Geſetzen, gegenſeitig an, freund¬
lich zuſammengehalten durch ein gemeinſam durch¬
gekaͤmpftes Schickſal und durch die erworbene
Einſicht, daß ſie zuſammen ſo, wie und wo ſie
nun ſich eingerichtet haben, am gluͤcklichſten ſind.
Eine ſolche Lage iſt die unſrige. Um einen ur¬
alten Kern hat ſich nach und nach eine mannig¬
faltige Genoſſenſchaft angeſetzt, welche die Ueber¬
lieferungen deſſelben, ſo weit ſie in ihrer Bedeu¬
tung noch lebendig ſind, mit aufnahm und ſich
beſtrebt, ſie fortwaͤhrend in gangbare Muͤnze um¬
zuſetzen. Aehnliche Neigungen in der durchweg
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/90>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.