welchen Anna zu gehen hatte. Dort wurde Ab¬ schied genommen: ich stand im Hintergrunde und sah, wie sie ihr Tuch zusammenfaßte und sagte: "Ach, wer will nun eigentlich mit mir kommen?" Indessen die Mädchen schalten und sagten: "Nun, wenn der Herr Maler so unartig ist, so muß aber jemand Anders Dich begleiten!" und ein Bruder rief: "Ei, wenn es sein muß, so gehe ich schon mit, obgleich der Maler ganz Recht hat, daß er nicht den Jungfernknecht spielt, wie ihr es immer gern einführen möchtet!" Ich trat aber hervor und sagte barsch: "Ich habe gar nicht behauptet, daß ich es nicht thun wolle, und wenn es der Anna recht ist, so begleite ich sie schon." "Warum sollte es mir nicht recht sein?" erwie¬ derte sie, und ich schickte mich an, neben ihr her¬ zugehen. Allein die Uebrigen riefen, ich müßte sie durchaus am Arme führen, da wir so feine Stadtleutchen seien, ich glaubte dies und schob meinen Arm in den ihrigen, sie zog ihn rasch zurück und faßte mich unter den Arm, sanft, aber entschieden, indem sie lächelnd nach dem spotten¬ den Volke zurücksah; ich merkte meinen Fehler
welchen Anna zu gehen hatte. Dort wurde Ab¬ ſchied genommen: ich ſtand im Hintergrunde und ſah, wie ſie ihr Tuch zuſammenfaßte und ſagte: »Ach, wer will nun eigentlich mit mir kommen?« Indeſſen die Maͤdchen ſchalten und ſagten: »Nun, wenn der Herr Maler ſo unartig iſt, ſo muß aber jemand Anders Dich begleiten!« und ein Bruder rief: »Ei, wenn es ſein muß, ſo gehe ich ſchon mit, obgleich der Maler ganz Recht hat, daß er nicht den Jungfernknecht ſpielt, wie ihr es immer gern einfuͤhren moͤchtet!« Ich trat aber hervor und ſagte barſch: »Ich habe gar nicht behauptet, daß ich es nicht thun wolle, und wenn es der Anna recht iſt, ſo begleite ich ſie ſchon.« »Warum ſollte es mir nicht recht ſein?« erwie¬ derte ſie, und ich ſchickte mich an, neben ihr her¬ zugehen. Allein die Uebrigen riefen, ich muͤßte ſie durchaus am Arme fuͤhren, da wir ſo feine Stadtleutchen ſeien, ich glaubte dies und ſchob meinen Arm in den ihrigen, ſie zog ihn raſch zuruͤck und faßte mich unter den Arm, ſanft, aber entſchieden, indem ſie laͤchelnd nach dem ſpotten¬ den Volke zuruͤckſah; ich merkte meinen Fehler
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welchen Anna zu gehen hatte. Dort wurde Ab¬
ſchied genommen: ich ſtand im Hintergrunde und
ſah, wie ſie ihr Tuch zuſammenfaßte und ſagte:
»Ach, wer will nun eigentlich mit mir kommen?«
Indeſſen die Maͤdchen ſchalten und ſagten: »Nun,
wenn der Herr Maler ſo unartig iſt, ſo muß
aber jemand Anders Dich begleiten!« und ein
Bruder rief: »Ei, wenn es ſein muß, ſo gehe
ich ſchon mit, obgleich der Maler ganz Recht hat,
daß er nicht den Jungfernknecht ſpielt, wie ihr
es immer gern einfuͤhren moͤchtet!« Ich trat aber
hervor und ſagte barſch: »Ich habe gar nicht
behauptet, daß ich es nicht thun wolle, und wenn
es der Anna recht iſt, ſo begleite ich ſie ſchon.«
»Warum ſollte es mir nicht recht ſein?« erwie¬
derte ſie, und ich ſchickte mich an, neben ihr her¬
zugehen. Allein die Uebrigen riefen, ich muͤßte
ſie durchaus am Arme fuͤhren, da wir ſo feine
Stadtleutchen ſeien, ich glaubte dies und ſchob
meinen Arm in den ihrigen, ſie zog ihn raſch
zuruͤck und faßte mich unter den Arm, ſanft, aber
entſchieden, indem ſie laͤchelnd nach dem ſpotten¬
den Volke zuruͤckſah; ich merkte meinen Fehler
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/113>, abgerufen am 23.11.2024.
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