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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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religiösen Erziehers, wo sie nun noch wenigstens
ein volles Jahr zu bleiben hatte. Diese Nach¬
richt traf mich wie ein Schlag aus blauem Him¬
mel. Nun wurde das ganze Land wieder beredt
und voll ihres Lobes! Jedes Gras und jedes
Blatt am Baume sprach mir von ihr, der blaue
Himmel hier schien mir tausendmal schöner und
sehnsüchtiger, als anderswo, die blauen Bergzüge
und die weißen Wolken zogen ihr nach, und von
Westen her, wo Anna weilte, dünkte es mir leis
aber selig über die Bergrücken herzuläuten.

Ich ging nun alle Tage zu ihrem Vater, be¬
gleitete ihn auf seinen Wegen und hörte von ihr
sprechen; oft blieb ich mehrere Tage dort, als¬
dann wohnte ich in ihrem Kämmerchen, wagte
mich jedoch fast nicht zu rühren darin und
betrachtete die wenigen einfachen Gegenstände,
welche es enthielt, mit heiliger Scheu. Es war
klein und enge, die Abendsonne und der Mond¬
schein füllten es immer ganz aus, daß kein
dunkler Punkt darin blieb und es bei jener wie
ein rothgoldenes, bei diesem wie ein silbernes

religioͤſen Erziehers, wo ſie nun noch wenigſtens
ein volles Jahr zu bleiben hatte. Dieſe Nach¬
richt traf mich wie ein Schlag aus blauem Him¬
mel. Nun wurde das ganze Land wieder beredt
und voll ihres Lobes! Jedes Gras und jedes
Blatt am Baume ſprach mir von ihr, der blaue
Himmel hier ſchien mir tauſendmal ſchoͤner und
ſehnſuͤchtiger, als anderswo, die blauen Bergzuͤge
und die weißen Wolken zogen ihr nach, und von
Weſten her, wo Anna weilte, duͤnkte es mir leis
aber ſelig uͤber die Bergruͤcken herzulaͤuten.

Ich ging nun alle Tage zu ihrem Vater, be¬
gleitete ihn auf ſeinen Wegen und hoͤrte von ihr
ſprechen; oft blieb ich mehrere Tage dort, als¬
dann wohnte ich in ihrem Kaͤmmerchen, wagte
mich jedoch faſt nicht zu ruͤhren darin und
betrachtete die wenigen einfachen Gegenſtaͤnde,
welche es enthielt, mit heiliger Scheu. Es war
klein und enge, die Abendſonne und der Mond¬
ſchein fuͤllten es immer ganz aus, daß kein
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[192/0202] religioͤſen Erziehers, wo ſie nun noch wenigſtens ein volles Jahr zu bleiben hatte. Dieſe Nach¬ richt traf mich wie ein Schlag aus blauem Him¬ mel. Nun wurde das ganze Land wieder beredt und voll ihres Lobes! Jedes Gras und jedes Blatt am Baume ſprach mir von ihr, der blaue Himmel hier ſchien mir tauſendmal ſchoͤner und ſehnſuͤchtiger, als anderswo, die blauen Bergzuͤge und die weißen Wolken zogen ihr nach, und von Weſten her, wo Anna weilte, duͤnkte es mir leis aber ſelig uͤber die Bergruͤcken herzulaͤuten. Ich ging nun alle Tage zu ihrem Vater, be¬ gleitete ihn auf ſeinen Wegen und hoͤrte von ihr ſprechen; oft blieb ich mehrere Tage dort, als¬ dann wohnte ich in ihrem Kaͤmmerchen, wagte mich jedoch faſt nicht zu ruͤhren darin und betrachtete die wenigen einfachen Gegenſtaͤnde, welche es enthielt, mit heiliger Scheu. Es war klein und enge, die Abendſonne und der Mond¬ ſchein fuͤllten es immer ganz aus, daß kein dunkler Punkt darin blieb und es bei jener wie ein rothgoldenes, bei dieſem wie ein ſilbernes

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/202>, abgerufen am 23.11.2024.