Haus zeichne oder Anna, sagte er! Was soll das wohl heißen? Und Margot erwiederte: Das soll heißen, daß er ein hochmüthiger Gesell ist, wel¬ chem ein Haus und ein schönes Mädchen gleich unbedeutend sind! Hauptsächlich aber soll es heißen: Glaubt ja nicht etwa, daß ich das mindeste be¬ sondere Interesse an diesem Gesichtchen hatte, als ich es malte! Dies ist eine neue Beleidigung und der armen Anna gebührt eine glänzende Genugthuung! Margot zog nun ein zusammen¬ gefaltetes Blatt aus dem Busen, entfaltete es und beauftragte Lisette, es laut und feierlich vor¬ zulesen. Ich war sehr begierig, was es sein möchte, Anna wußte ebenfalls nicht, was das bedeute und sah ein wenig auf; nach den ersten Worten aber erkannte ich, daß es meine Liebes¬ erklärung aus dem Bienenhause war. Es wurde mir kalt und heiß während des Lesens, Anna kam, so viel ich in meiner Verwirrung bemerken konnte, erst nach und nach auf die Spur, die übrigen Mädchen, welche Anfangs übermüthige und lachende Gesichter zeigten, wurden durch die Stille während des Lesens und durch die ehrliche
Haus zeichne oder Anna, ſagte er! Was ſoll das wohl heißen? Und Margot erwiederte: Das ſoll heißen, daß er ein hochmuͤthiger Geſell iſt, wel¬ chem ein Haus und ein ſchoͤnes Maͤdchen gleich unbedeutend ſind! Hauptſaͤchlich aber ſoll es heißen: Glaubt ja nicht etwa, daß ich das mindeſte be¬ ſondere Intereſſe an dieſem Geſichtchen hatte, als ich es malte! Dies iſt eine neue Beleidigung und der armen Anna gebuͤhrt eine glaͤnzende Genugthuung! Margot zog nun ein zuſammen¬ gefaltetes Blatt aus dem Buſen, entfaltete es und beauftragte Liſette, es laut und feierlich vor¬ zuleſen. Ich war ſehr begierig, was es ſein moͤchte, Anna wußte ebenfalls nicht, was das bedeute und ſah ein wenig auf; nach den erſten Worten aber erkannte ich, daß es meine Liebes¬ erklaͤrung aus dem Bienenhauſe war. Es wurde mir kalt und heiß waͤhrend des Leſens, Anna kam, ſo viel ich in meiner Verwirrung bemerken konnte, erſt nach und nach auf die Spur, die uͤbrigen Maͤdchen, welche Anfangs uͤbermuͤthige und lachende Geſichter zeigten, wurden durch die Stille waͤhrend des Leſens und durch die ehrliche
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Haus zeichne oder Anna, ſagte er! Was ſoll das
wohl heißen? Und Margot erwiederte: Das ſoll
heißen, daß er ein hochmuͤthiger Geſell iſt, wel¬
chem ein Haus und ein ſchoͤnes Maͤdchen gleich
unbedeutend ſind! Hauptſaͤchlich aber ſoll es heißen:
Glaubt ja nicht etwa, daß ich das mindeſte be¬
ſondere Intereſſe an dieſem Geſichtchen hatte,
als ich es malte! Dies iſt eine neue Beleidigung
und der armen Anna gebuͤhrt eine glaͤnzende
Genugthuung! Margot zog nun ein zuſammen¬
gefaltetes Blatt aus dem Buſen, entfaltete es
und beauftragte Liſette, es laut und feierlich vor¬
zuleſen. Ich war ſehr begierig, was es ſein
moͤchte, Anna wußte ebenfalls nicht, was das
bedeute und ſah ein wenig auf; nach den erſten
Worten aber erkannte ich, daß es meine Liebes¬
erklaͤrung aus dem Bienenhauſe war. Es wurde
mir kalt und heiß waͤhrend des Leſens, Anna
kam, ſo viel ich in meiner Verwirrung bemerken
konnte, erſt nach und nach auf die Spur, die
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/286>, abgerufen am 23.11.2024.
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