Marder, welcher sich hier einsam amüsirt hatte, und saß mir im Augenblicke auf dem Kopfe, mir mit dem Schwanz um die Backen schlagend und vor Freude tollen Unsinn treibend, daß ich laut lachen mußte. So gelangte ich mit meiner Ge¬ sellschaft in den helleren, bewohnten Theil des Hauses und fand endlich die Wohnstube, wo ich meine Bürde von Blumen, Früchten und Thie¬ ren abwarf. Auf dem Tische stand mit Kreide geschrieben, wo ich zu essen finden würde, im Falle ich Lust hätte, nebst allerlei beigefügten Witzen des jungen Volkes; aber ich zog vor, mir das Geburtshaus meiner Mutter nun gemächlich anzusehen.
Mein Oheim hatte schon seit einigen Jahren seiner geistlichen Pfründe entsagt, um sich ganz seinen Neigungen hinzugeben. Da der Staat ohnehin Willens war, der Gemeinde ein neues Pfarrhaus zu bauen, kaufte der Oheim dazumal das alte Pfarrhaus von ihm, welches ursprüng¬ lich eigentlich der Landsitz eines Aristokraten ge¬ wesen war und daher steinerne Treppen mit Ei¬ sengeländern, in Gyps gearbeitete Plafonds, einen
Marder, welcher ſich hier einſam amuͤſirt hatte, und ſaß mir im Augenblicke auf dem Kopfe, mir mit dem Schwanz um die Backen ſchlagend und vor Freude tollen Unſinn treibend, daß ich laut lachen mußte. So gelangte ich mit meiner Ge¬ ſellſchaft in den helleren, bewohnten Theil des Hauſes und fand endlich die Wohnſtube, wo ich meine Buͤrde von Blumen, Fruͤchten und Thie¬ ren abwarf. Auf dem Tiſche ſtand mit Kreide geſchrieben, wo ich zu eſſen finden wuͤrde, im Falle ich Luſt haͤtte, nebſt allerlei beigefuͤgten Witzen des jungen Volkes; aber ich zog vor, mir das Geburtshaus meiner Mutter nun gemaͤchlich anzuſehen.
Mein Oheim hatte ſchon ſeit einigen Jahren ſeiner geiſtlichen Pfruͤnde entſagt, um ſich ganz ſeinen Neigungen hinzugeben. Da der Staat ohnehin Willens war, der Gemeinde ein neues Pfarrhaus zu bauen, kaufte der Oheim dazumal das alte Pfarrhaus von ihm, welches urſpruͤng¬ lich eigentlich der Landſitz eines Ariſtokraten ge¬ weſen war und daher ſteinerne Treppen mit Ei¬ ſengelaͤndern, in Gyps gearbeitete Plafonds, einen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0029"n="19"/>
Marder, welcher ſich hier einſam amuͤſirt hatte,<lb/>
und ſaß mir im Augenblicke auf dem Kopfe, mir<lb/>
mit dem Schwanz um die Backen ſchlagend und<lb/>
vor Freude tollen Unſinn treibend, daß ich laut<lb/>
lachen mußte. So gelangte ich mit meiner Ge¬<lb/>ſellſchaft in den helleren, bewohnten Theil des<lb/>
Hauſes und fand endlich die Wohnſtube, wo ich<lb/>
meine Buͤrde von Blumen, Fruͤchten und Thie¬<lb/>
ren abwarf. Auf dem Tiſche ſtand mit Kreide<lb/>
geſchrieben, wo ich zu eſſen finden wuͤrde, im<lb/>
Falle ich Luſt haͤtte, nebſt allerlei beigefuͤgten<lb/>
Witzen des jungen Volkes; aber ich zog vor, mir<lb/>
das Geburtshaus meiner Mutter nun gemaͤchlich<lb/>
anzuſehen.</p><lb/><p>Mein Oheim hatte ſchon ſeit einigen Jahren<lb/>ſeiner geiſtlichen Pfruͤnde entſagt, um ſich ganz<lb/>ſeinen Neigungen hinzugeben. Da der Staat<lb/>
ohnehin Willens war, der Gemeinde ein neues<lb/>
Pfarrhaus zu bauen, kaufte der Oheim dazumal<lb/>
das alte Pfarrhaus von ihm, welches urſpruͤng¬<lb/>
lich eigentlich der Landſitz eines Ariſtokraten ge¬<lb/>
weſen war und daher ſteinerne Treppen mit Ei¬<lb/>ſengelaͤndern, in Gyps gearbeitete Plafonds, einen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[19/0029]
Marder, welcher ſich hier einſam amuͤſirt hatte,
und ſaß mir im Augenblicke auf dem Kopfe, mir
mit dem Schwanz um die Backen ſchlagend und
vor Freude tollen Unſinn treibend, daß ich laut
lachen mußte. So gelangte ich mit meiner Ge¬
ſellſchaft in den helleren, bewohnten Theil des
Hauſes und fand endlich die Wohnſtube, wo ich
meine Buͤrde von Blumen, Fruͤchten und Thie¬
ren abwarf. Auf dem Tiſche ſtand mit Kreide
geſchrieben, wo ich zu eſſen finden wuͤrde, im
Falle ich Luſt haͤtte, nebſt allerlei beigefuͤgten
Witzen des jungen Volkes; aber ich zog vor, mir
das Geburtshaus meiner Mutter nun gemaͤchlich
anzuſehen.
Mein Oheim hatte ſchon ſeit einigen Jahren
ſeiner geiſtlichen Pfruͤnde entſagt, um ſich ganz
ſeinen Neigungen hinzugeben. Da der Staat
ohnehin Willens war, der Gemeinde ein neues
Pfarrhaus zu bauen, kaufte der Oheim dazumal
das alte Pfarrhaus von ihm, welches urſpruͤng¬
lich eigentlich der Landſitz eines Ariſtokraten ge¬
weſen war und daher ſteinerne Treppen mit Ei¬
ſengelaͤndern, in Gyps gearbeitete Plafonds, einen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/29>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.