von Geßner mit sehr hübschen Bäumen, deren Poesie mich frappirte und sogleich einnahm, bis ich eine Radirung von Reinhardt entdeckte, gelb und beschmutzt, knapp am Rande beschnitten, de¬ ren Kraft, Schwung und Gesundheit mächtig zu mir sprach und aus dem verzettelten Stückchen Papier gewaltig herausleuchtete. Während ich staunend das Blatt in der Hand hielt (ich hatte bis jetzt nie etwas wahrhaft Künstlerisches gese¬ hen), kam der Oheim wieder und rief: "Komm mit, Neveu Maler! der Herbst wird bald genug da sein und da müssen wir sehen, wie es vor¬ läufig um die Häslein und Füchslein, um Hüh¬ ner und derlei Volk steht! Es ist ein schöner Abend, wir wollen ohne Gewehr ein bischen auf den Anstand gehen, da kann ich Dir zugleich hübsche Prospekte zeigen."
Er ergriff aus einem Winkel, wo eine Menge alter spanischer Rohre versammelt war, einen tüchtigen Stock, gab mir auch einen solchen, pu¬ stete aus seinem Waldhörnchen den abgebrannten Cigarrenstumpf heraus, daß er gewaltsam an die Decke flog, steckte einen frischen Glimmstengel
von Geßner mit ſehr huͤbſchen Baͤumen, deren Poeſie mich frappirte und ſogleich einnahm, bis ich eine Radirung von Reinhardt entdeckte, gelb und beſchmutzt, knapp am Rande beſchnitten, de¬ ren Kraft, Schwung und Geſundheit maͤchtig zu mir ſprach und aus dem verzettelten Stuͤckchen Papier gewaltig herausleuchtete. Waͤhrend ich ſtaunend das Blatt in der Hand hielt (ich hatte bis jetzt nie etwas wahrhaft Kuͤnſtleriſches geſe¬ hen), kam der Oheim wieder und rief: »Komm mit, Neveu Maler! der Herbſt wird bald genug da ſein und da muͤſſen wir ſehen, wie es vor¬ laͤufig um die Haͤslein und Fuͤchslein, um Huͤh¬ ner und derlei Volk ſteht! Es iſt ein ſchoͤner Abend, wir wollen ohne Gewehr ein bischen auf den Anſtand gehen, da kann ich Dir zugleich huͤbſche Proſpekte zeigen.«
Er ergriff aus einem Winkel, wo eine Menge alter ſpaniſcher Rohre verſammelt war, einen tuͤchtigen Stock, gab mir auch einen ſolchen, pu¬ ſtete aus ſeinem Waldhoͤrnchen den abgebrannten Cigarrenſtumpf heraus, daß er gewaltſam an die Decke flog, ſteckte einen friſchen Glimmſtengel
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von Geßner mit ſehr huͤbſchen Baͤumen, deren
Poeſie mich frappirte und ſogleich einnahm, bis
ich eine Radirung von Reinhardt entdeckte, gelb
und beſchmutzt, knapp am Rande beſchnitten, de¬
ren Kraft, Schwung und Geſundheit maͤchtig zu
mir ſprach und aus dem verzettelten Stuͤckchen
Papier gewaltig herausleuchtete. Waͤhrend ich
ſtaunend das Blatt in der Hand hielt (ich hatte
bis jetzt nie etwas wahrhaft Kuͤnſtleriſches geſe¬
hen), kam der Oheim wieder und rief: »Komm
mit, Neveu Maler! der Herbſt wird bald genug
da ſein und da muͤſſen wir ſehen, wie es vor¬
laͤufig um die Haͤslein und Fuͤchslein, um Huͤh¬
ner und derlei Volk ſteht! Es iſt ein ſchoͤner
Abend, wir wollen ohne Gewehr ein bischen auf
den Anſtand gehen, da kann ich Dir zugleich
huͤbſche Proſpekte zeigen.«
Er ergriff aus einem Winkel, wo eine Menge
alter ſpaniſcher Rohre verſammelt war, einen
tuͤchtigen Stock, gab mir auch einen ſolchen, pu¬
ſtete aus ſeinem Waldhoͤrnchen den abgebrannten
Cigarrenſtumpf heraus, daß er gewaltſam an die
Decke flog, ſteckte einen friſchen Glimmſtengel
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/40>, abgerufen am 21.11.2024.
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