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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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dem Entsagen auf das, was man zu schwächlich
ist, zu vertheidigen. Jenes gleicht dem wohlthäti¬
gen Gebrauche eines wohlerworbenen Vermögens,
dieses aber der Verschleuderung ererbter oder ge¬
fundener Reichthümer. Einer, der immer und ewig
entsagt, überall sanftmüthig hintenansteht, mag ein
guter harmloser Mensch sein; aber Niemand wird
es ihm Dank wissen und von ihm sagen: Dieser
hat mir einen Vortheil verschafft! Denn die¬
ses kann, wie schon gesagt, nur der thun, der
den Vortheil erst zu erwerben und zu behaupten
weiß. Wo man dies aber mit frischem Muthe
und ohne Heuchelei thut, da scheint mir Gesund¬
heit zu herrschen, und gelegentlich ein tüchtiger
Zank um den Vortheil ein Zeichen von Gesund¬
heit zu sein. Wo man nicht frei heraus für sei¬
nen Nutzen und für sein Gut einstehen kann, da
möchte ich mich nicht niederlassen; denn da ist
nichts zu erholen, als die magere Bettelsuppe der
Verstellung, der Gnadenseligkeit und der roman¬
tischen Verderbniß, da entsagen Alle, weil Allen
die Trauben zu sauer sind, und die Fuchsschwänze
schlagen mit bittersüßem Wedeln um die dürren

dem Entſagen auf das, was man zu ſchwaͤchlich
iſt, zu vertheidigen. Jenes gleicht dem wohlthaͤti¬
gen Gebrauche eines wohlerworbenen Vermoͤgens,
dieſes aber der Verſchleuderung ererbter oder ge¬
fundener Reichthuͤmer. Einer, der immer und ewig
entſagt, uͤberall ſanftmuͤthig hintenanſteht, mag ein
guter harmloſer Menſch ſein; aber Niemand wird
es ihm Dank wiſſen und von ihm ſagen: Dieſer
hat mir einen Vortheil verſchafft! Denn die¬
ſes kann, wie ſchon geſagt, nur der thun, der
den Vortheil erſt zu erwerben und zu behaupten
weiß. Wo man dies aber mit friſchem Muthe
und ohne Heuchelei thut, da ſcheint mir Geſund¬
heit zu herrſchen, und gelegentlich ein tuͤchtiger
Zank um den Vortheil ein Zeichen von Geſund¬
heit zu ſein. Wo man nicht frei heraus fuͤr ſei¬
nen Nutzen und fuͤr ſein Gut einſtehen kann, da
moͤchte ich mich nicht niederlaſſen; denn da iſt
nichts zu erholen, als die magere Bettelſuppe der
Verſtellung, der Gnadenſeligkeit und der roman¬
tiſchen Verderbniß, da entſagen Alle, weil Allen
die Trauben zu ſauer ſind, und die Fuchsſchwaͤnze
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[393/0403] dem Entſagen auf das, was man zu ſchwaͤchlich iſt, zu vertheidigen. Jenes gleicht dem wohlthaͤti¬ gen Gebrauche eines wohlerworbenen Vermoͤgens, dieſes aber der Verſchleuderung ererbter oder ge¬ fundener Reichthuͤmer. Einer, der immer und ewig entſagt, uͤberall ſanftmuͤthig hintenanſteht, mag ein guter harmloſer Menſch ſein; aber Niemand wird es ihm Dank wiſſen und von ihm ſagen: Dieſer hat mir einen Vortheil verſchafft! Denn die¬ ſes kann, wie ſchon geſagt, nur der thun, der den Vortheil erſt zu erwerben und zu behaupten weiß. Wo man dies aber mit friſchem Muthe und ohne Heuchelei thut, da ſcheint mir Geſund¬ heit zu herrſchen, und gelegentlich ein tuͤchtiger Zank um den Vortheil ein Zeichen von Geſund¬ heit zu ſein. Wo man nicht frei heraus fuͤr ſei¬ nen Nutzen und fuͤr ſein Gut einſtehen kann, da moͤchte ich mich nicht niederlaſſen; denn da iſt nichts zu erholen, als die magere Bettelſuppe der Verſtellung, der Gnadenſeligkeit und der roman¬ tiſchen Verderbniß, da entſagen Alle, weil Allen die Trauben zu ſauer ſind, und die Fuchsſchwaͤnze ſchlagen mit bitterſuͤßem Wedeln um die duͤrren

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/403>, abgerufen am 23.11.2024.