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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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niß, wo sie zwischen Steinen und Wasser keinen
Raum fanden, zu stampfen oder zu scharren; ich
legte ihnen das Gebiß an, hob Anna auf den
Schimmel und denselben führend, suchte ich auf
dem schmalen, oft vom Flüßchen beeinträchtigten
Pfade so gut als möglich vorwärts zu dringen,
während der Braune geduldig und treulich nach¬
folgte. Wir gelangten auch wohlbehalten auf die
Wiesen und endlich unter die Bäume vor dem
alten Pfarrhause. Kein Mensch war daheim,
selbst der Oheim und seine Frau waren auf den
Abend fortgegangen und Alles still um das Haus.
Derweil Anna sogleich hinein eilte, zog ich den
Schimmel in den Stall, sattelte ihn ab und steckte
ihm sein Heu vor. Dann ging ich hinauf, um
für den Braunen etwas Brot zu holen, da ich
auf ihm noch dem Schauspiele zuzueilen gedachte.
Auch forderte mich Anna gleich dazu auf, als
ich in die Stube kam. Sie war schon umgeklei¬
det und flocht eben ihr Haar etwas hastig in
seine gewohnten Zöpfe; über dieser Beschäftigung
von mir betroffen, erröthete sie auf's Neue und
ward verlegen. "Reut dich denn," sagte ich, "dieser

II. 27

niß, wo ſie zwiſchen Steinen und Waſſer keinen
Raum fanden, zu ſtampfen oder zu ſcharren; ich
legte ihnen das Gebiß an, hob Anna auf den
Schimmel und denſelben fuͤhrend, ſuchte ich auf
dem ſchmalen, oft vom Fluͤßchen beeintraͤchtigten
Pfade ſo gut als moͤglich vorwaͤrts zu dringen,
waͤhrend der Braune geduldig und treulich nach¬
folgte. Wir gelangten auch wohlbehalten auf die
Wieſen und endlich unter die Baͤume vor dem
alten Pfarrhauſe. Kein Menſch war daheim,
ſelbſt der Oheim und ſeine Frau waren auf den
Abend fortgegangen und Alles ſtill um das Haus.
Derweil Anna ſogleich hinein eilte, zog ich den
Schimmel in den Stall, ſattelte ihn ab und ſteckte
ihm ſein Heu vor. Dann ging ich hinauf, um
fuͤr den Braunen etwas Brot zu holen, da ich
auf ihm noch dem Schauſpiele zuzueilen gedachte.
Auch forderte mich Anna gleich dazu auf, als
ich in die Stube kam. Sie war ſchon umgeklei¬
det und flocht eben ihr Haar etwas haſtig in
ſeine gewohnten Zoͤpfe; uͤber dieſer Beſchaͤftigung
von mir betroffen, erroͤthete ſie auf's Neue und
ward verlegen. »Reut dich denn,« ſagte ich, »dieſer

II. 27
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[417/0427] niß, wo ſie zwiſchen Steinen und Waſſer keinen Raum fanden, zu ſtampfen oder zu ſcharren; ich legte ihnen das Gebiß an, hob Anna auf den Schimmel und denſelben fuͤhrend, ſuchte ich auf dem ſchmalen, oft vom Fluͤßchen beeintraͤchtigten Pfade ſo gut als moͤglich vorwaͤrts zu dringen, waͤhrend der Braune geduldig und treulich nach¬ folgte. Wir gelangten auch wohlbehalten auf die Wieſen und endlich unter die Baͤume vor dem alten Pfarrhauſe. Kein Menſch war daheim, ſelbſt der Oheim und ſeine Frau waren auf den Abend fortgegangen und Alles ſtill um das Haus. Derweil Anna ſogleich hinein eilte, zog ich den Schimmel in den Stall, ſattelte ihn ab und ſteckte ihm ſein Heu vor. Dann ging ich hinauf, um fuͤr den Braunen etwas Brot zu holen, da ich auf ihm noch dem Schauſpiele zuzueilen gedachte. Auch forderte mich Anna gleich dazu auf, als ich in die Stube kam. Sie war ſchon umgeklei¬ det und flocht eben ihr Haar etwas haſtig in ſeine gewohnten Zoͤpfe; uͤber dieſer Beſchaͤftigung von mir betroffen, erroͤthete ſie auf's Neue und ward verlegen. »Reut dich denn,« ſagte ich, »dieſer II. 27

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/427>, abgerufen am 23.11.2024.