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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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konnte, daß ich sie mit dem hintergehe, wovon
sie keine Ahnung hatte.

Kaum war die Hochzeit vorüber, so erkrankte
die Muhme, welche noch nicht funfzig Jahre alt
war, und starb in Zeit von drei Wochen. Sie
war eine starke und gesunde Frau, daher ihre
Todeskrankheit um so gewaltsamer, und sie starb
sehr ungern. Sie litt heftig und unruhig und
ergab sich erst in den letzten zwei Tagen, und
an dem Schrecken, der sich im Hause verbreitete,
konnte man erst sehen, was sie Allen gewesen.
Aber wie nach dem Hinsinken eines guten Sol¬
daten auf dem Felde der Ehre die Lücke schnell
wieder ausgefüllt wird und der Kampf rüstig
fortgeht, so erwies sich die Art des Lebens und
des Todes dieser tapfern Frau auch auf das
Schönste dadurch, daß die Reihen ohne Lamen¬
tiren rasch sich schlossen, die Kinder theilten sich
in Arbeit und Sorge und versparten den beschau¬
lichen Schmerz bis auf die Tage, wo geruht und
wo ihnen der Verlust ihrer Mutter erst ein schwe¬
res Wahrzeichen des Lebens werden wird. Nur
der Oheim äußerte erst einige tiefere Klagen,

konnte, daß ich ſie mit dem hintergehe, wovon
ſie keine Ahnung hatte.

Kaum war die Hochzeit voruͤber, ſo erkrankte
die Muhme, welche noch nicht funfzig Jahre alt
war, und ſtarb in Zeit von drei Wochen. Sie
war eine ſtarke und geſunde Frau, daher ihre
Todeskrankheit um ſo gewaltſamer, und ſie ſtarb
ſehr ungern. Sie litt heftig und unruhig und
ergab ſich erſt in den letzten zwei Tagen, und
an dem Schrecken, der ſich im Hauſe verbreitete,
konnte man erſt ſehen, was ſie Allen geweſen.
Aber wie nach dem Hinſinken eines guten Sol¬
daten auf dem Felde der Ehre die Luͤcke ſchnell
wieder ausgefuͤllt wird und der Kampf ruͤſtig
fortgeht, ſo erwies ſich die Art des Lebens und
des Todes dieſer tapfern Frau auch auf das
Schoͤnſte dadurch, daß die Reihen ohne Lamen¬
tiren raſch ſich ſchloſſen, die Kinder theilten ſich
in Arbeit und Sorge und verſparten den beſchau¬
lichen Schmerz bis auf die Tage, wo geruht und
wo ihnen der Verluſt ihrer Mutter erſt ein ſchwe¬
res Wahrzeichen des Lebens werden wird. Nur
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[134/0144] konnte, daß ich ſie mit dem hintergehe, wovon ſie keine Ahnung hatte. Kaum war die Hochzeit voruͤber, ſo erkrankte die Muhme, welche noch nicht funfzig Jahre alt war, und ſtarb in Zeit von drei Wochen. Sie war eine ſtarke und geſunde Frau, daher ihre Todeskrankheit um ſo gewaltſamer, und ſie ſtarb ſehr ungern. Sie litt heftig und unruhig und ergab ſich erſt in den letzten zwei Tagen, und an dem Schrecken, der ſich im Hauſe verbreitete, konnte man erſt ſehen, was ſie Allen geweſen. Aber wie nach dem Hinſinken eines guten Sol¬ daten auf dem Felde der Ehre die Luͤcke ſchnell wieder ausgefuͤllt wird und der Kampf ruͤſtig fortgeht, ſo erwies ſich die Art des Lebens und des Todes dieſer tapfern Frau auch auf das Schoͤnſte dadurch, daß die Reihen ohne Lamen¬ tiren raſch ſich ſchloſſen, die Kinder theilten ſich in Arbeit und Sorge und verſparten den beſchau¬ lichen Schmerz bis auf die Tage, wo geruht und wo ihnen der Verluſt ihrer Mutter erſt ein ſchwe¬ res Wahrzeichen des Lebens werden wird. Nur der Oheim aͤußerte erſt einige tiefere Klagen,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/144>, abgerufen am 21.11.2024.