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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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Als Judith diese Worte hörte, erschrak sie
noch mehr und wurde zugleich schmerzlich berührt.
Es waren wieder von den Worten, von denen
sie behauptete, daß niemals Jemand zu ihr welche
gesagt habe. Heftig ging sie unter den Bäumen
umher und sagte dann: "Ich habe geglaubt, daß
Du mich wenigstens auch etwas liebtest!"

"Gerade deswegen," erwiederte ich, "weil ich
wohl fühle, daß ich heftig an Dir hange, muß
ein Ende gemacht werden!"

"Nein, gerade deswegen mußt Du erst an¬
fangen, mich recht und ganz zu lieben!"

"Das wäre eine schöne Wirthschaft!" rief ich,
"was soll dann aus Anna werden?"

"Anna ist todt!"

"Nein! Sie ist nicht todt, ich werde sie wie¬
dersehen und ich kann doch nicht einen ganzen
Harem von Frauen für die Ewigkeit ansammeln!"

Bitter lachend stand Judith vor mir still und
sagte:

"Das wäre allerdings komisch! Aber wissen
wir denn, ob es eigentlich eine Ewigkeit giebt?"

"So oder so," erwiederte ich, "giebt es Eine,

Als Judith dieſe Worte hoͤrte, erſchrak ſie
noch mehr und wurde zugleich ſchmerzlich beruͤhrt.
Es waren wieder von den Worten, von denen
ſie behauptete, daß niemals Jemand zu ihr welche
geſagt habe. Heftig ging ſie unter den Baͤumen
umher und ſagte dann: »Ich habe geglaubt, daß
Du mich wenigſtens auch etwas liebteſt!«

»Gerade deswegen,« erwiederte ich, »weil ich
wohl fuͤhle, daß ich heftig an Dir hange, muß
ein Ende gemacht werden!«

»Nein, gerade deswegen mußt Du erſt an¬
fangen, mich recht und ganz zu lieben!«

»Das waͤre eine ſchoͤne Wirthſchaft!« rief ich,
»was ſoll dann aus Anna werden?«

»Anna iſt todt!«

»Nein! Sie iſt nicht todt, ich werde ſie wie¬
derſehen und ich kann doch nicht einen ganzen
Harem von Frauen fuͤr die Ewigkeit anſammeln!«

Bitter lachend ſtand Judith vor mir ſtill und
ſagte:

»Das waͤre allerdings komiſch! Aber wiſſen
wir denn, ob es eigentlich eine Ewigkeit giebt?«

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[160/0170] Als Judith dieſe Worte hoͤrte, erſchrak ſie noch mehr und wurde zugleich ſchmerzlich beruͤhrt. Es waren wieder von den Worten, von denen ſie behauptete, daß niemals Jemand zu ihr welche geſagt habe. Heftig ging ſie unter den Baͤumen umher und ſagte dann: »Ich habe geglaubt, daß Du mich wenigſtens auch etwas liebteſt!« »Gerade deswegen,« erwiederte ich, »weil ich wohl fuͤhle, daß ich heftig an Dir hange, muß ein Ende gemacht werden!« »Nein, gerade deswegen mußt Du erſt an¬ fangen, mich recht und ganz zu lieben!« »Das waͤre eine ſchoͤne Wirthſchaft!« rief ich, »was ſoll dann aus Anna werden?« »Anna iſt todt!« »Nein! Sie iſt nicht todt, ich werde ſie wie¬ derſehen und ich kann doch nicht einen ganzen Harem von Frauen fuͤr die Ewigkeit anſammeln!« Bitter lachend ſtand Judith vor mir ſtill und ſagte: »Das waͤre allerdings komiſch! Aber wiſſen wir denn, ob es eigentlich eine Ewigkeit giebt?« »So oder ſo,« erwiederte ich, »giebt es Eine,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/170>, abgerufen am 21.11.2024.