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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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lich auf die Bäume geklettert waren und wie ein
großer Schwarm fremder, farbiger Vögel in den
kahlen Aesten saßen, blieb er, nachdem sie voll
Gelächter hinabgesprungen, in Gedanken auf einer
schwanken Birke sitzen; denn er verwunderte sich,
wie nun das ganze Wesen in die Runde gleich
einer stillen weiten Ferne um ihn war und die
Rufe und Lieder selbst wie über eine weite See
her klangen, auch die Gestalten wirr und traum¬
haft sich bewegten. Es war einer jener Augen¬
blicke, wo die Zeit eine Minute still zu stehen
scheint und man von aller Außenwelt losgelöst
endlich sich selbst sieht, fühlt und bemerkt. Es
fiel ihm auf, daß er nun schon bei fünf und
sechs Jahren zurückzählen konnte, ohne aus dem
Bereiche des bewußten, reifenden Alters zu ge¬
rathen ; er fühlte zum ersten Male die Flucht des
Lebens. Er war nun zwei und zwanzig Jahre
alt; plötzlich kam es ihm in den Sinn, daß er
in seiner Wohnung diese und jene kleine Gegen¬
stände besaß, ein Pappdeckelchen, eine Schachtel
oder gar etwas, das an Spielzeug gränzte, welche
unmittelbar aus der Kinderzeit stammten und

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lich auf die Baͤume geklettert waren und wie ein
großer Schwarm fremder, farbiger Voͤgel in den
kahlen Aeſten ſaßen, blieb er, nachdem ſie voll
Gelaͤchter hinabgeſprungen, in Gedanken auf einer
ſchwanken Birke ſitzen; denn er verwunderte ſich,
wie nun das ganze Weſen in die Runde gleich
einer ſtillen weiten Ferne um ihn war und die
Rufe und Lieder ſelbſt wie uͤber eine weite See
her klangen, auch die Geſtalten wirr und traum¬
haft ſich bewegten. Es war einer jener Augen¬
blicke, wo die Zeit eine Minute ſtill zu ſtehen
ſcheint und man von aller Außenwelt losgeloͤſt
endlich ſich ſelbſt ſieht, fuͤhlt und bemerkt. Es
fiel ihm auf, daß er nun ſchon bei fuͤnf und
ſechs Jahren zuruͤckzaͤhlen konnte, ohne aus dem
Bereiche des bewußten, reifenden Alters zu ge¬
rathen ; er fuͤhlte zum erſten Male die Flucht des
Lebens. Er war nun zwei und zwanzig Jahre
alt; ploͤtzlich kam es ihm in den Sinn, daß er
in ſeiner Wohnung dieſe und jene kleine Gegen¬
ſtaͤnde beſaß, ein Pappdeckelchen, eine Schachtel
oder gar etwas, das an Spielzeug graͤnzte, welche
unmittelbar aus der Kinderzeit ſtammten und

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[305/0315] lich auf die Baͤume geklettert waren und wie ein großer Schwarm fremder, farbiger Voͤgel in den kahlen Aeſten ſaßen, blieb er, nachdem ſie voll Gelaͤchter hinabgeſprungen, in Gedanken auf einer ſchwanken Birke ſitzen; denn er verwunderte ſich, wie nun das ganze Weſen in die Runde gleich einer ſtillen weiten Ferne um ihn war und die Rufe und Lieder ſelbſt wie uͤber eine weite See her klangen, auch die Geſtalten wirr und traum¬ haft ſich bewegten. Es war einer jener Augen¬ blicke, wo die Zeit eine Minute ſtill zu ſtehen ſcheint und man von aller Außenwelt losgeloͤſt endlich ſich ſelbſt ſieht, fuͤhlt und bemerkt. Es fiel ihm auf, daß er nun ſchon bei fuͤnf und ſechs Jahren zuruͤckzaͤhlen konnte, ohne aus dem Bereiche des bewußten, reifenden Alters zu ge¬ rathen ; er fuͤhlte zum erſten Male die Flucht des Lebens. Er war nun zwei und zwanzig Jahre alt; ploͤtzlich kam es ihm in den Sinn, daß er in ſeiner Wohnung dieſe und jene kleine Gegen¬ ſtaͤnde beſaß, ein Pappdeckelchen, eine Schachtel oder gar etwas, das an Spielzeug graͤnzte, welche unmittelbar aus der Kinderzeit ſtammten und lll. 20

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/315>, abgerufen am 22.11.2024.