Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

sich ein neues Anordnungs- und Wandervergnü¬
gen ergab.

Indessen verfiel Ferdinand gänzlich seinem
Geschick. Es begab sich mit ihm, was sich immer
begeben hat, er gerieth durch das Schiefe und
Unrechte der einen Leidenschaft in eine Niedrigkeit
des Empfindens und Denkens, welche sonst nicht
in ihm lag. Er war allerdings selbstsüchtig und
sparsam gegen Andere, sobald es Geld oder Gut
betraf, aber doch nicht in dem Grade, daß es
sich nicht im Allgemeinen mit einem anständigen
und liebenswürdigen Charakter vertragen hätte;
er würde über den erlittenen Verlust unter allen
Umständen verdrießlich geworden sein, aber nicht
so sehr, daß der Verdruß im mindesten auf an¬
dere Ideen und Vorstellungen eingewirkt oder die¬
selben getrübt hätte. Jetzt aber verband sich mit
seinem geheimen Aerger sogleich der Gedanke, sich
zu entschädigen; er machte in seinem Inneren
Rosalien sich verpflichtet und hielt sie durch den
Vorfall für gebunden an ihn durch ein starkes
Band.

Diese bedenkliche Ausschweifung verwirrte ihn

ſich ein neues Anordnungs- und Wandervergnuͤ¬
gen ergab.

Indeſſen verfiel Ferdinand gaͤnzlich ſeinem
Geſchick. Es begab ſich mit ihm, was ſich immer
begeben hat, er gerieth durch das Schiefe und
Unrechte der einen Leidenſchaft in eine Niedrigkeit
des Empfindens und Denkens, welche ſonſt nicht
in ihm lag. Er war allerdings ſelbſtſuͤchtig und
ſparſam gegen Andere, ſobald es Geld oder Gut
betraf, aber doch nicht in dem Grade, daß es
ſich nicht im Allgemeinen mit einem anſtaͤndigen
und liebenswuͤrdigen Charakter vertragen haͤtte;
er wuͤrde uͤber den erlittenen Verluſt unter allen
Umſtaͤnden verdrießlich geworden ſein, aber nicht
ſo ſehr, daß der Verdruß im mindeſten auf an¬
dere Ideen und Vorſtellungen eingewirkt oder die¬
ſelben getruͤbt haͤtte. Jetzt aber verband ſich mit
ſeinem geheimen Aerger ſogleich der Gedanke, ſich
zu entſchaͤdigen; er machte in ſeinem Inneren
Roſalien ſich verpflichtet und hielt ſie durch den
Vorfall fuͤr gebunden an ihn durch ein ſtarkes
Band.

Dieſe bedenkliche Ausſchweifung verwirrte ihn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0337" n="327"/>
&#x017F;ich ein neues Anordnungs- und Wandervergnu&#x0364;¬<lb/>
gen ergab.</p><lb/>
        <p>Inde&#x017F;&#x017F;en verfiel Ferdinand ga&#x0364;nzlich &#x017F;einem<lb/>
Ge&#x017F;chick. Es begab &#x017F;ich mit ihm, was &#x017F;ich immer<lb/>
begeben hat, er gerieth durch das Schiefe und<lb/>
Unrechte der einen Leiden&#x017F;chaft in eine Niedrigkeit<lb/>
des Empfindens und Denkens, welche &#x017F;on&#x017F;t nicht<lb/>
in ihm lag. Er war allerdings &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;u&#x0364;chtig und<lb/>
&#x017F;par&#x017F;am gegen Andere, &#x017F;obald es Geld oder Gut<lb/>
betraf, aber doch nicht in dem Grade, daß es<lb/>
&#x017F;ich nicht im Allgemeinen mit einem an&#x017F;ta&#x0364;ndigen<lb/>
und liebenswu&#x0364;rdigen Charakter vertragen ha&#x0364;tte;<lb/>
er wu&#x0364;rde u&#x0364;ber den erlittenen Verlu&#x017F;t unter allen<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nden verdrießlich geworden &#x017F;ein, aber nicht<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr, daß der Verdruß im minde&#x017F;ten auf an¬<lb/>
dere Ideen und Vor&#x017F;tellungen eingewirkt oder die¬<lb/>
&#x017F;elben getru&#x0364;bt ha&#x0364;tte. Jetzt aber verband &#x017F;ich mit<lb/>
&#x017F;einem geheimen Aerger &#x017F;ogleich der Gedanke, &#x017F;ich<lb/>
zu ent&#x017F;cha&#x0364;digen; er machte in &#x017F;einem Inneren<lb/>
Ro&#x017F;alien &#x017F;ich verpflichtet und hielt &#x017F;ie durch den<lb/>
Vorfall fu&#x0364;r gebunden an ihn durch ein &#x017F;tarkes<lb/>
Band.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e bedenkliche Aus&#x017F;chweifung verwirrte ihn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[327/0337] ſich ein neues Anordnungs- und Wandervergnuͤ¬ gen ergab. Indeſſen verfiel Ferdinand gaͤnzlich ſeinem Geſchick. Es begab ſich mit ihm, was ſich immer begeben hat, er gerieth durch das Schiefe und Unrechte der einen Leidenſchaft in eine Niedrigkeit des Empfindens und Denkens, welche ſonſt nicht in ihm lag. Er war allerdings ſelbſtſuͤchtig und ſparſam gegen Andere, ſobald es Geld oder Gut betraf, aber doch nicht in dem Grade, daß es ſich nicht im Allgemeinen mit einem anſtaͤndigen und liebenswuͤrdigen Charakter vertragen haͤtte; er wuͤrde uͤber den erlittenen Verluſt unter allen Umſtaͤnden verdrießlich geworden ſein, aber nicht ſo ſehr, daß der Verdruß im mindeſten auf an¬ dere Ideen und Vorſtellungen eingewirkt oder die¬ ſelben getruͤbt haͤtte. Jetzt aber verband ſich mit ſeinem geheimen Aerger ſogleich der Gedanke, ſich zu entſchaͤdigen; er machte in ſeinem Inneren Roſalien ſich verpflichtet und hielt ſie durch den Vorfall fuͤr gebunden an ihn durch ein ſtarkes Band. Dieſe bedenkliche Ausſchweifung verwirrte ihn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/337
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/337>, abgerufen am 21.11.2024.