Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.vor, diese Hölle anzugreifen und zu überwinden. Er "Duck' dich hier bei Seite, Mönchlein!" rief er "Himmel und Erde sammt allem, was darin ist," Zornig erhob der Krieger den Schaft seines Wurf¬ Also drang Vitalis siegreich in das Haus, wo vor, dieſe Hölle anzugreifen und zu überwinden. Er „Duck' dich hier bei Seite, Mönchlein!“ rief er „Himmel und Erde ſammt allem, was darin iſt,“ Zornig erhob der Krieger den Schaft ſeines Wurf¬ Alſo drang Vitalis ſiegreich in das Haus, wo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0103" n="89"/> vor, dieſe Hölle anzugreifen und zu überwinden. Er<lb/> ſchrieb den Namen der Sünderin nicht erſt in ſein<lb/> Verzeichnis, ſondern ging geraden Weges nach dem<lb/> berüchtigten Hauſe und traf an der Thüre richtig mit<lb/> jenem Soldaten zuſammen, der in Scharlach gekleidet<lb/> hochmüthig daherſchritt und einen Wurfſpieß in der<lb/> Hand trug.</p><lb/> <p>„Duck' dich hier bei Seite, Mönchlein!“ rief er<lb/> höhniſch dem frommen Vitalis zu, „was wagſt du,<lb/> an meiner Löwenhöhle herumzukrabbeln? Für dich<lb/> iſt der Himmel, für uns die Welt!“</p><lb/> <p>„Himmel und Erde ſammt allem, was darin iſt,“<lb/> rief Vitalis, „gehören dem Herrn und ſeinen fröhlichen<lb/> Knechten! Pack' dich, aufgeputzter Lümmel, und laß<lb/> mich gehen, wo mich gelüſtet!“</p><lb/> <p>Zornig erhob der Krieger den Schaft ſeines Wurf¬<lb/> ſpießes, um ihn auf den Kopf des Mönches nieder¬<lb/> zuſchlagen; doch dieſer zog flugs den Aſt eines fried¬<lb/> lichen Oelbaumes unter der Kutte hervor, parirte den<lb/> Streich und traf den Raufbold ſo derb an die Stirne,<lb/> daß ihm die Sinne beinahe vergingen, worauf ihm<lb/> der ſtreitbare Kleriker noch viele Knüffe unter die<lb/> Naſe gab, bis der Soldat ganz betäubt und fluchend<lb/> ſich davon machte.</p><lb/> <p>Alſo drang Vitalis ſiegreich in das Haus, wo<lb/> über einem ſchmalen Treppchen die Weibsperſon ſtand,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [89/0103]
vor, dieſe Hölle anzugreifen und zu überwinden. Er
ſchrieb den Namen der Sünderin nicht erſt in ſein
Verzeichnis, ſondern ging geraden Weges nach dem
berüchtigten Hauſe und traf an der Thüre richtig mit
jenem Soldaten zuſammen, der in Scharlach gekleidet
hochmüthig daherſchritt und einen Wurfſpieß in der
Hand trug.
„Duck' dich hier bei Seite, Mönchlein!“ rief er
höhniſch dem frommen Vitalis zu, „was wagſt du,
an meiner Löwenhöhle herumzukrabbeln? Für dich
iſt der Himmel, für uns die Welt!“
„Himmel und Erde ſammt allem, was darin iſt,“
rief Vitalis, „gehören dem Herrn und ſeinen fröhlichen
Knechten! Pack' dich, aufgeputzter Lümmel, und laß
mich gehen, wo mich gelüſtet!“
Zornig erhob der Krieger den Schaft ſeines Wurf¬
ſpießes, um ihn auf den Kopf des Mönches nieder¬
zuſchlagen; doch dieſer zog flugs den Aſt eines fried¬
lichen Oelbaumes unter der Kutte hervor, parirte den
Streich und traf den Raufbold ſo derb an die Stirne,
daß ihm die Sinne beinahe vergingen, worauf ihm
der ſtreitbare Kleriker noch viele Knüffe unter die
Naſe gab, bis der Soldat ganz betäubt und fluchend
ſich davon machte.
Alſo drang Vitalis ſiegreich in das Haus, wo
über einem ſchmalen Treppchen die Weibsperſon ſtand,
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Zitationshilfe: | Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/103>, abgerufen am 16.07.2024. |