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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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den, da er sie nicht kennt und nicht weiß, von was
er spricht. Ist es dir daher recht, mir Ruhe zu
geben und mich dem Himmel zuzuwenden, so geh' in
jenes Kämmerlein, wo weltliche Gewänder bereit lie¬
gen. Dort vertausche deinen Mönchshabit mit
jenen, schmücke dich als Weltmann, setze dich nach¬
her zu mir, um gemeinsam mit mir ein kleines
Mahl einzunehmen, und in dieser weltlichen Lage
biete alsdann all' deinen Scharfsinn und Verstand
auf, mich von dir ab und der Gottseligkeit zuzu¬
drängen!"

Vitalis erwiederte hierauf nichts, sondern besann
sich eine Weile; sodann beschloß er, alle Beschwerde
nun mit Einem Schlage zu enden und den Welt¬
teufel wirklich mit seinen eigenen Waffen zu Paaren
zu treiben, indem er auf Joles eigensinnigen Vor¬
schlag einginge.

Er begab sich also wirklich in das anstoßende
Gemach, wo ein paar Knechtlein mit prächtigen Ge¬
wändern in Linnen und Purpur seiner harrten.
Kaum hatte er dieselben angezogen, so schien er um
einen Kopf höher zu sein, und er schritt mit edlem
Anstand zu Jolen zurück, welche mit den Augen an
ihm hing und freudevoll in die Hände klatschte.

Nun geschah aber ein wahres Wunder und eine
seltsame Umwandelung mit dem Mönch; denn kaum

den, da er ſie nicht kennt und nicht weiß, von was
er ſpricht. Iſt es dir daher recht, mir Ruhe zu
geben und mich dem Himmel zuzuwenden, ſo geh' in
jenes Kämmerlein, wo weltliche Gewänder bereit lie¬
gen. Dort vertauſche deinen Mönchshabit mit
jenen, ſchmücke dich als Weltmann, ſetze dich nach¬
her zu mir, um gemeinſam mit mir ein kleines
Mahl einzunehmen, und in dieſer weltlichen Lage
biete alsdann all' deinen Scharfſinn und Verſtand
auf, mich von dir ab und der Gottſeligkeit zuzu¬
drängen!“

Vitalis erwiederte hierauf nichts, ſondern beſann
ſich eine Weile; ſodann beſchloß er, alle Beſchwerde
nun mit Einem Schlage zu enden und den Welt¬
teufel wirklich mit ſeinen eigenen Waffen zu Paaren
zu treiben, indem er auf Joles eigenſinnigen Vor¬
ſchlag einginge.

Er begab ſich alſo wirklich in das anſtoßende
Gemach, wo ein paar Knechtlein mit prächtigen Ge¬
wändern in Linnen und Purpur ſeiner harrten.
Kaum hatte er dieſelben angezogen, ſo ſchien er um
einen Kopf höher zu ſein, und er ſchritt mit edlem
Anſtand zu Jolen zurück, welche mit den Augen an
ihm hing und freudevoll in die Hände klatſchte.

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[115/0129] den, da er ſie nicht kennt und nicht weiß, von was er ſpricht. Iſt es dir daher recht, mir Ruhe zu geben und mich dem Himmel zuzuwenden, ſo geh' in jenes Kämmerlein, wo weltliche Gewänder bereit lie¬ gen. Dort vertauſche deinen Mönchshabit mit jenen, ſchmücke dich als Weltmann, ſetze dich nach¬ her zu mir, um gemeinſam mit mir ein kleines Mahl einzunehmen, und in dieſer weltlichen Lage biete alsdann all' deinen Scharfſinn und Verſtand auf, mich von dir ab und der Gottſeligkeit zuzu¬ drängen!“ Vitalis erwiederte hierauf nichts, ſondern beſann ſich eine Weile; ſodann beſchloß er, alle Beſchwerde nun mit Einem Schlage zu enden und den Welt¬ teufel wirklich mit ſeinen eigenen Waffen zu Paaren zu treiben, indem er auf Joles eigenſinnigen Vor¬ ſchlag einginge. Er begab ſich alſo wirklich in das anſtoßende Gemach, wo ein paar Knechtlein mit prächtigen Ge¬ wändern in Linnen und Purpur ſeiner harrten. Kaum hatte er dieſelben angezogen, ſo ſchien er um einen Kopf höher zu ſein, und er ſchritt mit edlem Anſtand zu Jolen zurück, welche mit den Augen an ihm hing und freudevoll in die Hände klatſchte. Nun geſchah aber ein wahres Wunder und eine ſeltſame Umwandelung mit dem Mönch; denn kaum

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/129>, abgerufen am 28.11.2024.