Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.len, und als die Leute emporsahen, siehe, da waren In diesem Augenblicke gab sie ihren Geist auf, Im Himmel war eben hoher Festtag; an Fest¬ Keller, Sieben Legenden. 10
len, und als die Leute emporſahen, ſiehe, da waren In dieſem Augenblicke gab ſie ihren Geiſt auf, Im Himmel war eben hoher Feſttag; an Feſt¬ Keller, Sieben Legenden. 10
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0159" n="145"/> len, und als die Leute emporſahen, ſiehe, da waren<lb/> alle Zweige mit jungem Grün bekleidet, die Myrthen<lb/> und Granaten blühten und dufteten, der Boden be¬<lb/> deckte ſich mit Blumen und ein roſenfarbiger Schein<lb/> lagerte ſich auf die weiße zarte Geſtalt der Ster¬<lb/> benden.</p><lb/> <p>In dieſem Augenblicke gab ſie ihren Geiſt auf,<lb/> die Kette an ihren Füßen ſprang mit einem hellen<lb/> Klange entzwei, der Himmel that ſich auf weit in<lb/> der Runde, voll unendlichen Glanzes, und Jedermann<lb/> konnte hinein ſehen. Da ſah man viel tauſend ſchöne<lb/> Jungfern und junge Herren im höchſten Schein,<lb/> tanzend im unabſehbaren Reigen. Ein herrlicher<lb/> König fuhr auf einer Wolke, auf deren Rand eine<lb/> kleine Extramuſik von ſechs Engelchen ſtand, ein<lb/> wenig gegen die Erde und empfing die Geſtalt der<lb/> ſeligen Muſa vor den Augen aller Anweſenden, die<lb/> den Garten füllten. Man ſah noch, wie ſie in den<lb/> offenen Himmel ſprang und augenblicklich tanzend ſich<lb/> in den tönenden und leuchtenden Reihen verlor.</p><lb/> <p>Im Himmel war eben hoher Feſttag; an Feſt¬<lb/> tagen aber war es, was zwar vom heiligen Gregor<lb/> von Nyſſa beſtritten, von demjenigen von Razianz<lb/> aber aufrecht gehalten wird, Sitte, die neun Muſen,<lb/> die ſonſt in der Hölle ſaßen, einzuladen und in den<lb/> Himmel zu laſſen, daß ſie da Aushülſe leiſteten. Sie<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Keller</hi>, Sieben Legenden. 10<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [145/0159]
len, und als die Leute emporſahen, ſiehe, da waren
alle Zweige mit jungem Grün bekleidet, die Myrthen
und Granaten blühten und dufteten, der Boden be¬
deckte ſich mit Blumen und ein roſenfarbiger Schein
lagerte ſich auf die weiße zarte Geſtalt der Ster¬
benden.
In dieſem Augenblicke gab ſie ihren Geiſt auf,
die Kette an ihren Füßen ſprang mit einem hellen
Klange entzwei, der Himmel that ſich auf weit in
der Runde, voll unendlichen Glanzes, und Jedermann
konnte hinein ſehen. Da ſah man viel tauſend ſchöne
Jungfern und junge Herren im höchſten Schein,
tanzend im unabſehbaren Reigen. Ein herrlicher
König fuhr auf einer Wolke, auf deren Rand eine
kleine Extramuſik von ſechs Engelchen ſtand, ein
wenig gegen die Erde und empfing die Geſtalt der
ſeligen Muſa vor den Augen aller Anweſenden, die
den Garten füllten. Man ſah noch, wie ſie in den
offenen Himmel ſprang und augenblicklich tanzend ſich
in den tönenden und leuchtenden Reihen verlor.
Im Himmel war eben hoher Feſttag; an Feſt¬
tagen aber war es, was zwar vom heiligen Gregor
von Nyſſa beſtritten, von demjenigen von Razianz
aber aufrecht gehalten wird, Sitte, die neun Muſen,
die ſonſt in der Hölle ſaßen, einzuladen und in den
Himmel zu laſſen, daß ſie da Aushülſe leiſteten. Sie
Keller, Sieben Legenden. 10
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |