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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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mehr besaß, die lange Pfeife in der einen, die
Ruthe in der andern Hand, und wenn man um
eine Krümmung des Flusses bog, stand ein alter
kahlköpfiger Dickbauch faselnackt auf einem Stein
und angelte; dieser hatte, trotz des Aufenthaltes
am Wasser so schwarze Füße, daß man glaubte,
er habe die Stiefel anbehalten. Jeder hatte ein
Töpfchen oder ein Schächtelchen neben sich, in
welchem Regenwürmer wimmelten, nach welchen
sie zu anderen Stunden zu graben pflegten.
Wenn der Himmel mit Wolken bezogen und es
ein schwüles dämmeriges Wetter war, welches
Regen verkündete, so standen diese Gestalten am
zahlreichsten an dem ziehenden Strome, regungs¬
los gleich einer Gallerie von Heiligen- oder
Prophetenbildern. Achtlos zogen die Landleute
mit Vieh und Wagen an ihnen vorüber und die
Schiffer auf dem Flusse sahen sie nicht an, wäh¬
rend sie leise murrten über die Fische verscheu¬
chenden Schiffe.

Wenn man Manz vor zwölf Jahren, als
er mit einem schönen Gespann pflügte auf dem
Hügel über dem Ufer, damals gesagt hätte, er
würde sich einst zu diesen wunderlichen Heiligen

mehr beſaß, die lange Pfeife in der einen, die
Ruthe in der andern Hand, und wenn man um
eine Krümmung des Fluſſes bog, ſtand ein alter
kahlköpfiger Dickbauch faſelnackt auf einem Stein
und angelte; dieſer hatte, trotz des Aufenthaltes
am Waſſer ſo ſchwarze Füße, daß man glaubte,
er habe die Stiefel anbehalten. Jeder hatte ein
Töpfchen oder ein Schächtelchen neben ſich, in
welchem Regenwürmer wimmelten, nach welchen
ſie zu anderen Stunden zu graben pflegten.
Wenn der Himmel mit Wolken bezogen und es
ein ſchwüles dämmeriges Wetter war, welches
Regen verkündete, ſo ſtanden dieſe Geſtalten am
zahlreichſten an dem ziehenden Strome, regungs¬
los gleich einer Gallerie von Heiligen- oder
Prophetenbildern. Achtlos zogen die Landleute
mit Vieh und Wagen an ihnen vorüber und die
Schiffer auf dem Fluſſe ſahen ſie nicht an, wäh¬
rend ſie leiſe murrten über die Fiſche verſcheu¬
chenden Schiffe.

Wenn man Manz vor zwölf Jahren, als
er mit einem ſchönen Geſpann pflügte auf dem
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[253/0265] mehr beſaß, die lange Pfeife in der einen, die Ruthe in der andern Hand, und wenn man um eine Krümmung des Fluſſes bog, ſtand ein alter kahlköpfiger Dickbauch faſelnackt auf einem Stein und angelte; dieſer hatte, trotz des Aufenthaltes am Waſſer ſo ſchwarze Füße, daß man glaubte, er habe die Stiefel anbehalten. Jeder hatte ein Töpfchen oder ein Schächtelchen neben ſich, in welchem Regenwürmer wimmelten, nach welchen ſie zu anderen Stunden zu graben pflegten. Wenn der Himmel mit Wolken bezogen und es ein ſchwüles dämmeriges Wetter war, welches Regen verkündete, ſo ſtanden dieſe Geſtalten am zahlreichſten an dem ziehenden Strome, regungs¬ los gleich einer Gallerie von Heiligen- oder Prophetenbildern. Achtlos zogen die Landleute mit Vieh und Wagen an ihnen vorüber und die Schiffer auf dem Fluſſe ſahen ſie nicht an, wäh¬ rend ſie leiſe murrten über die Fiſche verſcheu¬ chenden Schiffe. Wenn man Manz vor zwölf Jahren, als er mit einem ſchönen Geſpann pflügte auf dem Hügel über dem Ufer, damals geſagt hätte, er würde ſich einſt zu dieſen wunderlichen Heiligen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/265>, abgerufen am 25.11.2024.