Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

"Wie gefällt Dir denn Dein Schätzchen, sagte
Vrenchen, was ist es für ein Ding, was hast
Du von ihm zu melden?" "Es ist ein gar
feines Ding, sagte Sali, es hat zwei braune Au¬
gen, einen rothen Mund und läuft auf zwei
Füßen; aber seinen Sinn kenn ich weniger als
den Pabst zu Rom! und was kannst Du von
Deinem Schatz berichten?" "Er hat zwei
braune Augen, einen nichtsnutzigen Mund und
braucht zwei verwegene starke Arme; aber seine
Gedanken sind mir unbekannter, als der türkische
Kaiser!" "Es ist eigentlich wahr, sagte Sali,
daß wir uns weniger kennen, als wenn wir uns
nie gesehen hätten, so fremd hat uns die lange
Zeit gemacht, seit wir groß geworden sind!
Was ist alles vorgegangen in Deinem Köpfchen,
mein liebes Kind?" "Ach, nicht viel! tausend
Narrenspossen haben sich wollen regen, aber es
ist mir immer so trübselig ergangen, daß sie
nicht aufkommen konnten!" "Du armes Schätz¬
chen! sagte Sali, ich glaube aber Du hast es
hinter den Ohren, nicht?" "Das kannst Du
ja nach und nach erfahren, wenn Du mich recht
lieb hast!" "Wenn Du einst meine Frau bist?"

»Wie gefällt Dir denn Dein Schätzchen, ſagte
Vrenchen, was iſt es für ein Ding, was haſt
Du von ihm zu melden?« »Es iſt ein gar
feines Ding, ſagte Sali, es hat zwei braune Au¬
gen, einen rothen Mund und läuft auf zwei
Füßen; aber ſeinen Sinn kenn ich weniger als
den Pabſt zu Rom! und was kannſt Du von
Deinem Schatz berichten?« »Er hat zwei
braune Augen, einen nichtsnutzigen Mund und
braucht zwei verwegene ſtarke Arme; aber ſeine
Gedanken ſind mir unbekannter, als der türkiſche
Kaiſer!« »Es iſt eigentlich wahr, ſagte Sali,
daß wir uns weniger kennen, als wenn wir uns
nie geſehen hätten, ſo fremd hat uns die lange
Zeit gemacht, ſeit wir groß geworden ſind!
Was iſt alles vorgegangen in Deinem Köpfchen,
mein liebes Kind?« »Ach, nicht viel! tauſend
Narrenſpoſſen haben ſich wollen regen, aber es
iſt mir immer ſo trübſelig ergangen, daß ſie
nicht aufkommen konnten!« »Du armes Schätz¬
chen! ſagte Sali, ich glaube aber Du haſt es
hinter den Ohren, nicht?« »Das kannſt Du
ja nach und nach erfahren, wenn Du mich recht
lieb haſt!« »Wenn Du einſt meine Frau biſt?«

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0296" n="284"/>
»Wie gefällt Dir denn Dein Schätzchen, &#x017F;agte<lb/>
Vrenchen, was i&#x017F;t es für ein Ding, was ha&#x017F;t<lb/>
Du von ihm zu melden?« »Es i&#x017F;t ein gar<lb/>
feines Ding, &#x017F;agte Sali, es hat zwei braune Au¬<lb/>
gen, einen rothen Mund und läuft auf zwei<lb/>
Füßen; aber &#x017F;einen Sinn kenn ich weniger als<lb/>
den Pab&#x017F;t zu Rom! und was kann&#x017F;t Du von<lb/>
Deinem Schatz berichten?« »Er hat zwei<lb/>
braune Augen, einen nichtsnutzigen Mund und<lb/>
braucht zwei verwegene &#x017F;tarke Arme; aber &#x017F;eine<lb/>
Gedanken &#x017F;ind mir unbekannter, als der türki&#x017F;che<lb/>
Kai&#x017F;er!« »Es i&#x017F;t eigentlich wahr, &#x017F;agte Sali,<lb/>
daß wir uns weniger kennen, als wenn wir uns<lb/>
nie ge&#x017F;ehen hätten, &#x017F;o fremd hat uns die lange<lb/>
Zeit gemacht, &#x017F;eit wir groß geworden &#x017F;ind!<lb/>
Was i&#x017F;t alles vorgegangen in Deinem Köpfchen,<lb/>
mein liebes Kind?« »Ach, nicht viel! tau&#x017F;end<lb/>
Narren&#x017F;po&#x017F;&#x017F;en haben &#x017F;ich wollen regen, aber es<lb/>
i&#x017F;t mir immer &#x017F;o trüb&#x017F;elig ergangen, daß &#x017F;ie<lb/>
nicht aufkommen konnten!« »Du armes Schätz¬<lb/>
chen! &#x017F;agte Sali, ich glaube aber Du ha&#x017F;t es<lb/>
hinter den Ohren, nicht?« »Das kann&#x017F;t Du<lb/>
ja nach und nach erfahren, wenn Du mich recht<lb/>
lieb ha&#x017F;t!« »Wenn Du ein&#x017F;t meine Frau bi&#x017F;t?«<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0296] »Wie gefällt Dir denn Dein Schätzchen, ſagte Vrenchen, was iſt es für ein Ding, was haſt Du von ihm zu melden?« »Es iſt ein gar feines Ding, ſagte Sali, es hat zwei braune Au¬ gen, einen rothen Mund und läuft auf zwei Füßen; aber ſeinen Sinn kenn ich weniger als den Pabſt zu Rom! und was kannſt Du von Deinem Schatz berichten?« »Er hat zwei braune Augen, einen nichtsnutzigen Mund und braucht zwei verwegene ſtarke Arme; aber ſeine Gedanken ſind mir unbekannter, als der türkiſche Kaiſer!« »Es iſt eigentlich wahr, ſagte Sali, daß wir uns weniger kennen, als wenn wir uns nie geſehen hätten, ſo fremd hat uns die lange Zeit gemacht, ſeit wir groß geworden ſind! Was iſt alles vorgegangen in Deinem Köpfchen, mein liebes Kind?« »Ach, nicht viel! tauſend Narrenſpoſſen haben ſich wollen regen, aber es iſt mir immer ſo trübſelig ergangen, daß ſie nicht aufkommen konnten!« »Du armes Schätz¬ chen! ſagte Sali, ich glaube aber Du haſt es hinter den Ohren, nicht?« »Das kannſt Du ja nach und nach erfahren, wenn Du mich recht lieb haſt!« »Wenn Du einſt meine Frau biſt?«

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/296
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/296>, abgerufen am 23.11.2024.