Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

der großen reinlichen Gaststube zu. Der Wirth
war zugleich ein Bäcker, das eben Gebackene
durchduftete angenehm das ganze Haus und Brod
aller Art wurde in gehäuften Körben herbeigetra¬
gen, da nach der Kirche die Leute hier ihr Wei߬
brod holten oder ihren Frühschoppen tranken.
Die Wirthin, eine artige und saubere Frau,
putzte gelassen und freundlich ihre Kinder heraus,
und so wie eines entlassen war, kam es zutrau¬
lich zu Vrenchen gelaufen, zeigte ihm seine Herr¬
lichkeiten und erzählte von allem, dessen es sich
erfreute und rühmte. Wie nun der wohlduftende
starke Kaffee kam, setzten sich die zwei Leutchen
schüchtern an den Tisch, als ob sie da zu Gast
gebeten wären. Sie ermunterten sich jedoch bald
und flüsterten bescheiden, aber glückselig mit ein¬
ander; ach wie schmeckte dem aufblühenden Vren¬
chen der gute Kaffee, der fette Rahm, die fri¬
schen noch warmen Brödchen, die schöne Butter
und der Honig, der Eierkuchen und was alles
noch für Leckerbissen da waren! sie schmeckten
ihm, weil es den Sali dazu ansah, und es aß
so vergnügt, als ob es ein Jahr lang gefastet
hätte. Dazu freute es sich über das feine Ge¬

der großen reinlichen Gaſtſtube zu. Der Wirth
war zugleich ein Bäcker, das eben Gebackene
durchduftete angenehm das ganze Haus und Brod
aller Art wurde in gehäuften Körben herbeigetra¬
gen, da nach der Kirche die Leute hier ihr Wei߬
brod holten oder ihren Frühſchoppen tranken.
Die Wirthin, eine artige und ſaubere Frau,
putzte gelaſſen und freundlich ihre Kinder heraus,
und ſo wie eines entlaſſen war, kam es zutrau¬
lich zu Vrenchen gelaufen, zeigte ihm ſeine Herr¬
lichkeiten und erzählte von allem, deſſen es ſich
erfreute und rühmte. Wie nun der wohlduftende
ſtarke Kaffee kam, ſetzten ſich die zwei Leutchen
ſchüchtern an den Tiſch, als ob ſie da zu Gaſt
gebeten wären. Sie ermunterten ſich jedoch bald
und flüſterten beſcheiden, aber glückſelig mit ein¬
ander; ach wie ſchmeckte dem aufblühenden Vren¬
chen der gute Kaffee, der fette Rahm, die fri¬
ſchen noch warmen Brödchen, die ſchöne Butter
und der Honig, der Eierkuchen und was alles
noch für Leckerbiſſen da waren! ſie ſchmeckten
ihm, weil es den Sali dazu anſah, und es aß
ſo vergnügt, als ob es ein Jahr lang gefaſtet
hätte. Dazu freute es ſich über das feine Ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0329" n="317"/>
der großen reinlichen Ga&#x017F;t&#x017F;tube zu. Der Wirth<lb/>
war zugleich ein Bäcker, das eben Gebackene<lb/>
durchduftete angenehm das ganze Haus und Brod<lb/>
aller Art wurde in gehäuften Körben herbeigetra¬<lb/>
gen, da nach der Kirche die Leute hier ihr Wei߬<lb/>
brod holten oder ihren Früh&#x017F;choppen tranken.<lb/>
Die Wirthin, eine artige und &#x017F;aubere Frau,<lb/>
putzte gela&#x017F;&#x017F;en und freundlich ihre Kinder heraus,<lb/>
und &#x017F;o wie eines entla&#x017F;&#x017F;en war, kam es zutrau¬<lb/>
lich zu Vrenchen gelaufen, zeigte ihm &#x017F;eine Herr¬<lb/>
lichkeiten und erzählte von allem, de&#x017F;&#x017F;en es &#x017F;ich<lb/>
erfreute und rühmte. Wie nun der wohlduftende<lb/>
&#x017F;tarke Kaffee kam, &#x017F;etzten &#x017F;ich die zwei Leutchen<lb/>
&#x017F;chüchtern an den Ti&#x017F;ch, als ob &#x017F;ie da zu Ga&#x017F;t<lb/>
gebeten wären. Sie ermunterten &#x017F;ich jedoch bald<lb/>
und flü&#x017F;terten be&#x017F;cheiden, aber glück&#x017F;elig mit ein¬<lb/>
ander; ach wie &#x017F;chmeckte dem aufblühenden Vren¬<lb/>
chen der gute Kaffee, der fette Rahm, die fri¬<lb/>
&#x017F;chen noch warmen Brödchen, die &#x017F;chöne Butter<lb/>
und der Honig, der Eierkuchen und was alles<lb/>
noch für Leckerbi&#x017F;&#x017F;en da waren! &#x017F;ie &#x017F;chmeckten<lb/>
ihm, weil es den Sali dazu an&#x017F;ah, und es aß<lb/>
&#x017F;o vergnügt, als ob es ein Jahr lang gefa&#x017F;tet<lb/>
hätte. Dazu freute es &#x017F;ich über das feine Ge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[317/0329] der großen reinlichen Gaſtſtube zu. Der Wirth war zugleich ein Bäcker, das eben Gebackene durchduftete angenehm das ganze Haus und Brod aller Art wurde in gehäuften Körben herbeigetra¬ gen, da nach der Kirche die Leute hier ihr Wei߬ brod holten oder ihren Frühſchoppen tranken. Die Wirthin, eine artige und ſaubere Frau, putzte gelaſſen und freundlich ihre Kinder heraus, und ſo wie eines entlaſſen war, kam es zutrau¬ lich zu Vrenchen gelaufen, zeigte ihm ſeine Herr¬ lichkeiten und erzählte von allem, deſſen es ſich erfreute und rühmte. Wie nun der wohlduftende ſtarke Kaffee kam, ſetzten ſich die zwei Leutchen ſchüchtern an den Tiſch, als ob ſie da zu Gaſt gebeten wären. Sie ermunterten ſich jedoch bald und flüſterten beſcheiden, aber glückſelig mit ein¬ ander; ach wie ſchmeckte dem aufblühenden Vren¬ chen der gute Kaffee, der fette Rahm, die fri¬ ſchen noch warmen Brödchen, die ſchöne Butter und der Honig, der Eierkuchen und was alles noch für Leckerbiſſen da waren! ſie ſchmeckten ihm, weil es den Sali dazu anſah, und es aß ſo vergnügt, als ob es ein Jahr lang gefaſtet hätte. Dazu freute es ſich über das feine Ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/329
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/329>, abgerufen am 22.11.2024.