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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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wir damals, jetzt werden wir selber Fische sein
und zwei schöne große!" "Sei ruhig, Du lieber
Teufel!" sagte Sali, der Mühe hatte zwischen
dem tobenden Liebchen und den Wellen sich auf¬
recht zu halten, "es zieht mich sonst fort!" Er
hob seine Last in das Schiff und schwang sich
nach; er hob sie auf die hochgebettete weiche und
duftende Ladung und schwang sich auch hinauf,
und als sie oben saßen, trieb das Schiff allmälig
in die Mitte des Stromes hinaus und schwamm
dann, sich langsam drehend, zu Thal.

Der Fluß zog bald durch hohe dunkle Wäl¬
der, die ihn überschatteten, bald durch offenes
Land; bald an stillen Dörfern vorbei, bald an
einzelnen Hütten; hier gerieth er in eine Stille,
daß er einem ruhigen See glich und das Schiff
beinah still hielt, dort strömte er um Wäl¬
der und ließ die schlafenden Ufer schnell hin¬
ter sich; und als die Morgenröthe aufstieg, tauchte
zugleich eine Stadt mit ihren Thürmen aus dem
silbergrauen Strome. Der untergehende Mond,
roth wie Gold, legte eine glänzende Bahn den
Strom hinauf und auf dieser kam das Schiff
langsam überquer gefahren. Als es sich der

wir damals, jetzt werden wir ſelber Fiſche ſein
und zwei ſchöne große!« »Sei ruhig, Du lieber
Teufel!« ſagte Sali, der Mühe hatte zwiſchen
dem tobenden Liebchen und den Wellen ſich auf¬
recht zu halten, »es zieht mich ſonſt fort!« Er
hob ſeine Laſt in das Schiff und ſchwang ſich
nach; er hob ſie auf die hochgebettete weiche und
duftende Ladung und ſchwang ſich auch hinauf,
und als ſie oben ſaßen, trieb das Schiff allmälig
in die Mitte des Stromes hinaus und ſchwamm
dann, ſich langſam drehend, zu Thal.

Der Fluß zog bald durch hohe dunkle Wäl¬
der, die ihn überſchatteten, bald durch offenes
Land; bald an ſtillen Dörfern vorbei, bald an
einzelnen Hütten; hier gerieth er in eine Stille,
daß er einem ruhigen See glich und das Schiff
beinah ſtill hielt, dort ſtrömte er um Wäl¬
der und ließ die ſchlafenden Ufer ſchnell hin¬
ter ſich; und als die Morgenröthe aufſtieg, tauchte
zugleich eine Stadt mit ihren Thürmen aus dem
ſilbergrauen Strome. Der untergehende Mond,
roth wie Gold, legte eine glänzende Bahn den
Strom hinauf und auf dieſer kam das Schiff
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[356/0368] wir damals, jetzt werden wir ſelber Fiſche ſein und zwei ſchöne große!« »Sei ruhig, Du lieber Teufel!« ſagte Sali, der Mühe hatte zwiſchen dem tobenden Liebchen und den Wellen ſich auf¬ recht zu halten, »es zieht mich ſonſt fort!« Er hob ſeine Laſt in das Schiff und ſchwang ſich nach; er hob ſie auf die hochgebettete weiche und duftende Ladung und ſchwang ſich auch hinauf, und als ſie oben ſaßen, trieb das Schiff allmälig in die Mitte des Stromes hinaus und ſchwamm dann, ſich langſam drehend, zu Thal. Der Fluß zog bald durch hohe dunkle Wäl¬ der, die ihn überſchatteten, bald durch offenes Land; bald an ſtillen Dörfern vorbei, bald an einzelnen Hütten; hier gerieth er in eine Stille, daß er einem ruhigen See glich und das Schiff beinah ſtill hielt, dort ſtrömte er um Wäl¬ der und ließ die ſchlafenden Ufer ſchnell hin¬ ter ſich; und als die Morgenröthe aufſtieg, tauchte zugleich eine Stadt mit ihren Thürmen aus dem ſilbergrauen Strome. Der untergehende Mond, roth wie Gold, legte eine glänzende Bahn den Strom hinauf und auf dieſer kam das Schiff langſam überquer gefahren. Als es ſich der

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/368>, abgerufen am 28.11.2024.