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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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kommen, so ging er in seinem Arbeitsschmutz
und in den klappernden Pantoffeln über die Gasse
und holte sich bei der Wäscherin das frische Hemd
und das geglättete Vorhemdchen, den Vatermör¬
der oder das bessere Schnupftuch und trug diese
Herrlichkeiten auf der flachen Hand mit elegantem
Gesellenschritt vor sich her nach Hause. Denn
im Arbeitsschurz und in den Schlappschuhen be¬
obachten manche Gesellen immer einen eigenthüm¬
lich gezierten Gang, als ob sie in höheren Sphä¬
ren schwebten, besonders die gebildeten Buchbin¬
der, die lustigen Schuhmacher und die seltenen
sonderbaren Kammmacher. In seiner Kammer
bedachte sich Jobst aber noch wohl, ob er das
Hemd oder das Vorhemdchen auch wirklich an¬
ziehen wolle, denn er war bei aller Sanftmuth
und Gerechtigkeit ein kleiner Schweinigel, oder
ob es die alte Wäsche noch für eine Woche thun
müsse und er bei Hause bleiben und noch ein
Bischen arbeiten wolle. In diesem Falle setzte
er sich mit einem Seufzer über die Schwierigkeit
und Mühsal der Welt von neuem dahinter und
schnitt verdrossen seine Zähne in die Kämme
oder er wandelte das Horn in Schildkrötschalen

kommen, ſo ging er in ſeinem Arbeitsſchmutz
und in den klappernden Pantoffeln über die Gaſſe
und holte ſich bei der Wäſcherin das friſche Hemd
und das geglättete Vorhemdchen, den Vatermör¬
der oder das beſſere Schnupftuch und trug dieſe
Herrlichkeiten auf der flachen Hand mit elegantem
Geſellenſchritt vor ſich her nach Hauſe. Denn
im Arbeitsſchurz und in den Schlappſchuhen be¬
obachten manche Geſellen immer einen eigenthüm¬
lich gezierten Gang, als ob ſie in höheren Sphä¬
ren ſchwebten, beſonders die gebildeten Buchbin¬
der, die luſtigen Schuhmacher und die ſeltenen
ſonderbaren Kammmacher. In ſeiner Kammer
bedachte ſich Jobſt aber noch wohl, ob er das
Hemd oder das Vorhemdchen auch wirklich an¬
ziehen wolle, denn er war bei aller Sanftmuth
und Gerechtigkeit ein kleiner Schweinigel, oder
ob es die alte Wäſche noch für eine Woche thun
müſſe und er bei Hauſe bleiben und noch ein
Bischen arbeiten wolle. In dieſem Falle ſetzte
er ſich mit einem Seufzer über die Schwierigkeit
und Mühſal der Welt von neuem dahinter und
ſchnitt verdroſſen ſeine Zähne in die Kämme
oder er wandelte das Horn in Schildkrötſchalen

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[365/0377] kommen, ſo ging er in ſeinem Arbeitsſchmutz und in den klappernden Pantoffeln über die Gaſſe und holte ſich bei der Wäſcherin das friſche Hemd und das geglättete Vorhemdchen, den Vatermör¬ der oder das beſſere Schnupftuch und trug dieſe Herrlichkeiten auf der flachen Hand mit elegantem Geſellenſchritt vor ſich her nach Hauſe. Denn im Arbeitsſchurz und in den Schlappſchuhen be¬ obachten manche Geſellen immer einen eigenthüm¬ lich gezierten Gang, als ob ſie in höheren Sphä¬ ren ſchwebten, beſonders die gebildeten Buchbin¬ der, die luſtigen Schuhmacher und die ſeltenen ſonderbaren Kammmacher. In ſeiner Kammer bedachte ſich Jobſt aber noch wohl, ob er das Hemd oder das Vorhemdchen auch wirklich an¬ ziehen wolle, denn er war bei aller Sanftmuth und Gerechtigkeit ein kleiner Schweinigel, oder ob es die alte Wäſche noch für eine Woche thun müſſe und er bei Hauſe bleiben und noch ein Bischen arbeiten wolle. In dieſem Falle ſetzte er ſich mit einem Seufzer über die Schwierigkeit und Mühſal der Welt von neuem dahinter und ſchnitt verdroſſen ſeine Zähne in die Kämme oder er wandelte das Horn in Schildkrötſchalen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/377>, abgerufen am 28.11.2024.