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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Käuze sich alles gefallen ließen, um nur da zu
bleiben, brach er ihnen an Lohn ab und gab
ihnen geringere Kost; aber desto fleißiger arbei¬
teten sie und setzten ihn in den Stand, große
Vorräthe von billigen Waaren in Umlauf zu
bringen und vermehrten Bestellungen zu genügen,
also daß er ein Heidengeld durch die stillen Ge¬
sellen verdiente und eine wahre Goldgrube an
ihnen besaß. Er schnallte sich den Gurt um
einige Löcher weiter und spielte eine große Rolle
in der Stadt, während die thörichten Arbeiter
in der dunklen Werkstatt Tag und Nacht sich
abmühten und sich gegenseitig hinausarbeiten woll¬
ten. Dietrich, der Schwabe, welcher der jüngste
war, erwies sich als ganz vom gleichen Holze
geschnitten, wie die zwei andern, nur besaß er
noch keine Ersparniß, denn er war noch zu wenig
gereist. Dies wäre ein bedenklicher Umstand
für ihn gewesen, da Jobst und Fridolin einen
zu großen Vorsprung gewannen, wenn er nicht
als ein erfindungsreiches Schwäblein eine neue
Zaubermacht heraufbeschworen hätte, um den
Vortheil der andern aufzuwiegen. Da sein Ge¬
müth nämlich von jeglicher Leidenschaft frei war,

Käuze ſich alles gefallen ließen, um nur da zu
bleiben, brach er ihnen an Lohn ab und gab
ihnen geringere Koſt; aber deſto fleißiger arbei¬
teten ſie und ſetzten ihn in den Stand, große
Vorräthe von billigen Waaren in Umlauf zu
bringen und vermehrten Beſtellungen zu genügen,
alſo daß er ein Heidengeld durch die ſtillen Ge¬
ſellen verdiente und eine wahre Goldgrube an
ihnen beſaß. Er ſchnallte ſich den Gurt um
einige Löcher weiter und ſpielte eine große Rolle
in der Stadt, während die thörichten Arbeiter
in der dunklen Werkſtatt Tag und Nacht ſich
abmühten und ſich gegenſeitig hinausarbeiten woll¬
ten. Dietrich, der Schwabe, welcher der jüngſte
war, erwies ſich als ganz vom gleichen Holze
geſchnitten, wie die zwei andern, nur beſaß er
noch keine Erſparniß, denn er war noch zu wenig
gereiſt. Dies wäre ein bedenklicher Umſtand
für ihn geweſen, da Jobſt und Fridolin einen
zu großen Vorſprung gewannen, wenn er nicht
als ein erfindungsreiches Schwäblein eine neue
Zaubermacht heraufbeſchworen hätte, um den
Vortheil der andern aufzuwiegen. Da ſein Ge¬
müth nämlich von jeglicher Leidenſchaft frei war,

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[381/0393] Käuze ſich alles gefallen ließen, um nur da zu bleiben, brach er ihnen an Lohn ab und gab ihnen geringere Koſt; aber deſto fleißiger arbei¬ teten ſie und ſetzten ihn in den Stand, große Vorräthe von billigen Waaren in Umlauf zu bringen und vermehrten Beſtellungen zu genügen, alſo daß er ein Heidengeld durch die ſtillen Ge¬ ſellen verdiente und eine wahre Goldgrube an ihnen beſaß. Er ſchnallte ſich den Gurt um einige Löcher weiter und ſpielte eine große Rolle in der Stadt, während die thörichten Arbeiter in der dunklen Werkſtatt Tag und Nacht ſich abmühten und ſich gegenſeitig hinausarbeiten woll¬ ten. Dietrich, der Schwabe, welcher der jüngſte war, erwies ſich als ganz vom gleichen Holze geſchnitten, wie die zwei andern, nur beſaß er noch keine Erſparniß, denn er war noch zu wenig gereiſt. Dies wäre ein bedenklicher Umſtand für ihn geweſen, da Jobſt und Fridolin einen zu großen Vorſprung gewannen, wenn er nicht als ein erfindungsreiches Schwäblein eine neue Zaubermacht heraufbeſchworen hätte, um den Vortheil der andern aufzuwiegen. Da ſein Ge¬ müth nämlich von jeglicher Leidenſchaft frei war,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/393>, abgerufen am 28.11.2024.