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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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ganzen Werth seiner eigenen Person setzte. Dies
gefiel ihr über die Maßen wohl; denn es
war in allem, was er sagte oder that, eine
andere Art, als sie bislang erfahren und dies
bestärkte und rührte sie so tief, daß sie nun
gleichermaßen der stärksten Liebe anheim fiel
und nun nicht mehr von einer Wahl für sie
die Rede war. Jedermann sah diese Geschichte
spielen und es wurde offen darüber gesprochen
und vielfach gescherzt. Dem Fräulein war es
höchlich wohl dabei, und indem ihr das Herz
vor banger Erwartung zerspringen wollte, half
sie den Roman von ihrer Seite doch ein wenig
verwickeln und ausspinnen, um ihn recht aus¬
zukosten und zu genießen. Denn der junge
Mann beging in seiner Verwirrung so köstliche
und kindliche Dinge, dergleichen sie niemals er¬
fahren, und für sie ein Mal schmeichelhafter und
angenehmer waren, als das andere. Er aber in
seiner Gradheit und Ehrlichkeit konnte es nicht
lange so aushalten; da Jeder darauf anspielte
und sich einen Scherz erlaubte, so schien es ihm
eine Komödie zu werden, als deren Gegenstand
ihm seine Geliebte viel zu gut und heilig war,

ganzen Werth ſeiner eigenen Perſon ſetzte. Dies
gefiel ihr über die Maßen wohl; denn es
war in allem, was er ſagte oder that, eine
andere Art, als ſie bislang erfahren und dies
beſtärkte und rührte ſie ſo tief, daß ſie nun
gleichermaßen der ſtärkſten Liebe anheim fiel
und nun nicht mehr von einer Wahl für ſie
die Rede war. Jedermann ſah dieſe Geſchichte
ſpielen und es wurde offen darüber geſprochen
und vielfach geſcherzt. Dem Fräulein war es
höchlich wohl dabei, und indem ihr das Herz
vor banger Erwartung zerſpringen wollte, half
ſie den Roman von ihrer Seite doch ein wenig
verwickeln und ausſpinnen, um ihn recht aus¬
zukoſten und zu genießen. Denn der junge
Mann beging in ſeiner Verwirrung ſo köſtliche
und kindliche Dinge, dergleichen ſie niemals er¬
fahren, und für ſie ein Mal ſchmeichelhafter und
angenehmer waren, als das andere. Er aber in
ſeiner Gradheit und Ehrlichkeit konnte es nicht
lange ſo aushalten; da Jeder darauf anſpielte
und ſich einen Scherz erlaubte, ſo ſchien es ihm
eine Komödie zu werden, als deren Gegenſtand
ihm ſeine Geliebte viel zu gut und heilig war,

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[486/0498] ganzen Werth ſeiner eigenen Perſon ſetzte. Dies gefiel ihr über die Maßen wohl; denn es war in allem, was er ſagte oder that, eine andere Art, als ſie bislang erfahren und dies beſtärkte und rührte ſie ſo tief, daß ſie nun gleichermaßen der ſtärkſten Liebe anheim fiel und nun nicht mehr von einer Wahl für ſie die Rede war. Jedermann ſah dieſe Geſchichte ſpielen und es wurde offen darüber geſprochen und vielfach geſcherzt. Dem Fräulein war es höchlich wohl dabei, und indem ihr das Herz vor banger Erwartung zerſpringen wollte, half ſie den Roman von ihrer Seite doch ein wenig verwickeln und ausſpinnen, um ihn recht aus¬ zukoſten und zu genießen. Denn der junge Mann beging in ſeiner Verwirrung ſo köſtliche und kindliche Dinge, dergleichen ſie niemals er¬ fahren, und für ſie ein Mal ſchmeichelhafter und angenehmer waren, als das andere. Er aber in ſeiner Gradheit und Ehrlichkeit konnte es nicht lange ſo aushalten; da Jeder darauf anſpielte und ſich einen Scherz erlaubte, ſo ſchien es ihm eine Komödie zu werden, als deren Gegenſtand ihm ſeine Geliebte viel zu gut und heilig war,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/498>, abgerufen am 22.11.2024.